Wer "Bauhaus" hört und weiß, dass damit die 1919 von Walter Gropius gegründete Kunstschule gemeint ist, wird an Weimar und Dessau denken. Dass aber die israelische Stadt Tel Aviv die weltweit größte Ansammlung von Häusern birgt, die im Bauhaus-Stil errichtet wurden - das erfährt, wer den Wolfratshauser Erinnerungsort Badehaus besucht. Dort ist seit Sonntag die Ausstellung "Jüdische Architekten der Moderne und ihr Wirken in der Welt" zu sehen, die erste Sonderschau, die der ambitionierte Badehaus-Verein zeigt. Das Konzept hat die Geretsrieder Architekturhistorikerin Kaija Voss erarbeitet, die Schwarz-Weiß-Fotografien sind von Jean Molitor.
Sehr bewusst, so erklärt die Vorsitzende Sybille Krafft, zeige der Badehaus-Verein gerade diese Ausstellung als erste im vor Kurzem erst eröffneten Erinnerungsort: Die von den Nazis verfemte jüdische Moderne präsentiere sich hier in einem ehemaligen NS-Bau. Denn das Badehaus war Teil der Mustersiedlung Föhrenwald, geschaffen für die Arbeiter in den NS-Rüstungsbetrieben im Wolfratshauser Forst. Die Schau unterstreicht: Heute weht dort ein anderer Geist - offen für den Geist des Bauhauses.
Mit Robbi Waks durch Tel Aviv
Die Ausstellung ordnet das Bauhaus ein in eine internationale Modernisierungsbewegung in Architektur, Kunst und Gesellschaft. "Es steht nicht allein für eine bestimmte bauliche Ästhetik, sondern auch für neue Sozial- und Lebenskonzepte." Dass viele jüdische Architekten, wie die Veranstalter erklären, mit ihren Bauten in Palästina und später in Israel die wegweisenden Gesellschaftsmodelle des neuen Staates repräsentieren wollten, macht auch ein zehnminütiger Film deutlich, der die Sonderschau ergänzt. Sybille Krafft hat ihn zusammen mit dem Abiturienten Sebastian d'Huc in Tel Aviv gedreht. Es ist ein Streifzug durch die Stadt, begleitet von Robbi Waks, jenem Historiker und Politologen, der als Kind in Föhrenwald, dem jüdischen Lager für Displaced Persons (DP), aufwuchs und heute dem Badehaus vielfältig verbunden ist.
Waks hat sich intensiv mit dem Bauhaus befasst und erklärt, dass diese geradlinige moderne Architektur gut zu Israel passe: "Praktisch und funktionell - so sind wir. Wir lieben nicht so sehr die Schnörkel." An einzelnen "Bauhäusern" weist er auf israelische Besonderheiten dieses Stils hin: überhängende Balkone und nach innen verschobene Fenster - alles, um mehr Schatten zu haben.
In Tel Aviv stehen mehr als 4000 "Bauhäuser": Diese "Weiße Stadt" ist heute Teil des Unesco-Weltkulturerbes. Ihre Entstehung allerdings ist Teil oder besser: Folge der NS-Geschichte, denn viele jüdische Architekten waren schlicht gezwungen, aus Nazi-Deutschland zu fliehen, nach England, in die USA oder eben nach Palästina. Die Ausstellung im Badehaus zeigt einige dieser Schicksale auf und erklärt: "Nicht immer verlief die Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschland erfolgreich oder mündete in eine neue Karriere. Viele Schicksale endeten tragisch."
Waks spricht in dem Film von den Architekten, die seit 1931 nach Israel emigrierten; er erklärt, dass Tel Aviv in jener Zeit sprunghaft von 2000 auf 40 000 Einwohner angewachsen sei; und er macht an einzelnen Gebäuden darauf aufmerksam, dass das Bauhaus auch ein sozialistischer Versuch war, für Arbeiter zu bauen, ohne Arbeitersiedlungen zu schaffen.
"Vom Potsdamer Einsteinturm des Architekten Erich Mendelsohn, über die Synagoge in Bad Nauheim von Richard Kaufmann und die ikonische Tankstelle des Architekten Arne Jacobsen in Kopenhagen, führt der Weg bis nach Tel Aviv zum Boat House, erbaut von Arieh Cohen": So beschreiben die Veranstalter ihre Sonderschau. Krafft setzt darauf, dass die Ausstellung, die noch bis 28. Februar 2019 in Waldram zu sehen ist, dann auf Wanderschaft gehen kann: "Ein Impuls vom Badehaus in die Welt."
Erinnerungsort Badehaus: "Jüdische Architekten der Moderne", Konzept: Kaija Voss, Fotografien: Jean Molitor, Kolpingplatz 1, Wolfratshausen, Freitag 9 bis 16 Uhr, Samstag/Sonntag 13 bis 17 Uhr. www.badehauswaldram.de