Süddeutsche Zeitung

Sinkender Milchpreis:Resignation im Kuhstall

Der Milchpreis fällt schon wieder und wohl bald unter die 30-Cent-Marke pro Liter. Bei den Landwirten macht sich Resignation breit. Und noch ein Faktum macht ihnen zu schaffen.

Birgit Lotze

Der niedrige Milchpreis macht den Bauern im Landkreis zu schaffen. Anfang des Jahres erzielten sie noch zwischen 34 und 37 Cent je Liter - schon das war für viele Milchbauern nur ein "halbwegs akzeptabler" Preis, sagt Georg Reiter, Kreisvorsitzender des Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM). Seit März ist der Milchpreis auf Talfahrt. Derzeit liegt er bei 31 bis 33 Cent. Reiter fürchtet, dass er noch weiter sinkt. "Wir rechnen damit, dass er heuer noch unter 30 Cent fallen wird."

Der Grund: Es ist zu viel Milch auf dem Markt. Zum einen ist die Milchquote, die europaweit geltende Kontigentierung, die 2015 ganz auslaufen soll, im dritten Jahr in Folge um ein Prozent gestiegen. Zum anderen machen die Milchbauern offenbar auch selbst die Preise kaputt. Einige Milchbauern hätten "gemolken, was das Zeug hält", sagt Reiter, sie hätten versucht, durch eine höhere Produktion ihre Ausfälle wettzumachen. Die Konzerne reagierten sofort, nutzten ihre Verhandlungsmacht auf dem Markt und drückten die Preise, die sie im nächsten halben Jahr den Molkereien bezahlen, deutlich. Anfang Mai senkte Aldi den Preis für eine Literpackung um sechs Cent. Die anderen Discounter folgten.

Proteste, aber keine Großaktionen

Nicht jeder Milchbauer kann vermutlich eine neue Preissenkung verkraften. "Es gibt sicher Betriebe, die können unter diesen Umständen produzieren", sagt Peter Fichtner, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands aus Bad Heilbrunn. "Aber wir können das nicht." Die Talfahrt treffe vor allem die Bauern im südlichen Landkreis. Die Produktionskosten seien höher als im flacheren Nordlandkreis, die Arbeitsbedingungen schwieriger. Fichtner weist darauf hin, dass die Böden meist weniger ackerfähig sind. "Die Landwirte haben nur das, was aus dem Gras herausgeht." Anderes Futter müsse zugekauft werden.

Dass die Milchbauern deshalb wieder auf die Barrikaden gehen, wie 2008 und 2009, als sie Lieferungen verweigerten und die Milch wegschütteten, ist derzeit nicht zu erwarten. "Bei uns macht sich Resignation breit", sagt Georg Reiter. Proteste werde es geben, aber vermutlich keine Großaktionen. Der Zeitpunkt sei ungünstig, bald beginne die Erntezeit und binde Arbeitskräfte.

Für Reiter ist klar, wo das Problem liegt: Hauptverantwortlich für den Verfall der Milchpreise sei das von der Europäischen Union beschlossene Auslaufen der Quote. Früher hatte Brüssel klar festgelegt, wie viel Milch jeder Bauer produzieren darf und so für stabile Preise gesorgt. Je mehr Milch im Markt ist, desto schwächer ist die Position der Bauern, umso niedriger ist der Preis. Die Milchbauern fürchten, dass die Liberalisierung in erster Linie den Konzernen nützt. Doch bislang scheiterten die Versuche des BDM, eine Monitoringstelle zu schaffen, die die Nachfrage und die durchschnittlichen Produktionskosten europaweit im Auge hat.

"Nur noch Großeinheiten können überleben"

Auch Peter Fichtner vom Bayerischen Bauernverband sieht die Zukunft eher schwarz. Er rechnet mit einem rasant zunehmenden Konzentrationsprozess auf dem Milchmarkt, wenn die Quote fällt. "Wer nicht wachsen will, hat keine Vorteile. Nur noch Großeinheiten können überleben."

Auch mit Quote haben bereits viele Milchbauern aufgegeben. Vor drei Jahren gab es im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen noch 938 Milchviehhalter, 2007 waren es 772, vor zwei Jahren - so die derzeit jüngste Erhebung des Bayerischen Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung - gab es noch 713 Milchbauern. Im Durchschnitt hatte jeder der Viehhalter allerdings mehr Kühe im Stall um sein Auskommen zu sichern. Während ein Milchbauer 2007 noch mit 23 Kühen überleben konnte, hatte er im Jahr 2010 durchschnittlich 27 Kühe.

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Quelle:
SZ vom 31.05.2012
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