Bergwälder:Natürliches Schutzsystem

Der Wald am Berg bewahrt die Menschen im Tal vor Lawinen, Muren und Hochwasser. Um ihn zu erhalten, tun die Förster eine Menge.

Ingrid Hügenell

Vom Feuer ist kaum etwas zu sehen. Das Waldstück über dem Sylvensteinspeicher brennt nicht lichterloh, nur einzelne Äste stehen in Flammen. Doch im Boden frisst sich die Glut weiter, verbrennt das Gras, greift die Bäume an. Wie stark das 15 Hektar große Waldstück am Sylvensteinspeicher, in dem es im November gebrannt hat, tatsächlich geschädigt ist, wird man im kommenden Frühsommer sehen.

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Das Gebiet der Falkenberge am Sylvensteinsee ist eines von acht Sanierungsgebieten im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Erst im kommenden Frühsommer wird man sehen, wie stark der Wald wirklich geschädigt ist.

(Foto: Manfred Neubauer)

Dann nämlich, wenn sich die Nadeln toter Fichten rot färben, sagt Förster Markus Hildebrandt. Auf aktuellen Bildern ist deutlich das schwarze Gras zwischen den licht stehenden Bäumen zu erkennen; den Bäumen selbst sieht man keine Schädigung an. Sie waren aber großer Hitze ausgesetzt, und womöglich sind Rinde und Wurzeln stark geschädigt. Gut wäre es, wenn es im Frühjahr reichlich regnen würde, dann könnten sich teilweise geschädigte Bäume eventuell wieder erholen, erklärt der Tölzer Forstbetriebsleiter Rudolf Plochmann.

Der Verlust der Bäume an dem steilen Hang oberhalb des Sylvensteinspeichers würde ein Schutzwaldprojekt zurückwerfen, das Forstoberrat Markus Hildebrandt dort geplant hat und das der Forstbetrieb unter Plochmanns Leitung ausführt. Hildebrandt ist beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Weilheim für die Planung der Schutzwaldsanierung in den drei Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Miesbach und Garmisch-Partenkirchen zuständig. Das Gebiet der Falkenberge am Sylvensteinsee ist eines von acht Sanierungsgebieten im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen und dient dem Schutz vor Lawinen.

In allen Gebieten wird Schutzwald wieder aufgebaut, indem junge Bäume gepflanzt werden, komplett mit Ballen. Auf einen Hektar reine Pflanzfläche kommen, je nach Standort, 3000 bis 5000 Tannen, Buchen, Kiefern, Lärchen oder auch Latschen und Mehlbeeren. Zu etwa zwei Dritteln werden Nadelhölzer gepflanzt, zu einem Drittel Laubhölzer.

Und dann hoffen die Förster, dass alle gut anwachsen. Doch das klappt nicht immer. Die jungen Bäume etwa, die 2011 gepflanzt wurden, mussten eine lange Trockenperiode aushalten, weil es bis in den Dezember hinein viel zu wenig Niederschlag gab. Wenn sie nun nicht überleben, müssen die Arbeiter nachpflanzen. "Man muss frustrationsresistent sein, und geduldig", sagt Plochmann über die Arbeit in der Schutzwaldsanierung.

Auch Wildverbiss macht den Förstern zu schaffen, an steilen Hängen vor allem durch Gämsen. Rehe knabbern gerne an zarten Trieben, Mäuse nagen an der Rinde. Das Rotwild dagegen kommt meist zu den Wildfütterungen und lässt dafür junge Bäume in Ruhe. In Zusammenarbeit mit den Jägern versuchen die Förster das Wild kurz und die Verbissschäden gering zu halten.

Das sei oft gar nicht so einfach, sagt Plochmann, etwa an den steilen Südhängen am Isarberg und am Grammersberg zwischen Vorderriss und Wallgau. Weil es dort wärmer ist und der Schnee schneller taut als an Nordhängen, sind diese Hänge für Wild im Winter sehr attraktiv, für Jäger wegen ihrer Steilheit aber nahezu unzugänglich.

Priorität Hochwasserschutz

Schlimme Schäden verursachen häufig Menschen, die im Wald Erholung suchen. Am Wank bei Garmisch-Partenkirchen zum Beispiel gibt es ein großes Sanierungsgebiet. Der Berg ist weitgehend baumlos. Die Hänge, auf denen junge Bäume gepflanzt wurden, um das zu ändern, seien gut gekennzeichnet, sagt Hildebrandt. Trotzdem komme es im Winter gar nicht selten vor, dass Variantenskifahrer mitten hindurch fahren und mit den scharfen Kanten ihrer Ski die Pflänzchen regelrecht abrasieren.

Trotz aller Mühsal arbeiten die Förster beharrlich an Aufbau und Erhalt des Schutzwalds. Denn unterhalb vieler Berghänge liegen menschliche Siedlungen oder Straßen. Sie, und vor allem die Menschen selbst sollen vor Schaden bewahrt werden. Erste Priorität hat nicht der Schutz vor Lawinen, sondern der Hochwasserschutz. An vielen Stellen arbeiten die Forstleute deshalb eng mit den Wasserwirtschaftlern zusammen. "Der Landkreis hat einen hohen Anteil gefährdeter Stellen", sagt Hildebrandt. Viele Ortschaften liegen unterhalb von Wildbächen. Und einige wichtige Verkehrswege sind im Winter durch Lawinen gefährdet, unterhalb von Isar- und Grammersberg die Bundesstraße 307 und die Mautstraße des Forstes, die an der Isar entlang führt.

Eines der größten Sanierungsgebiete ist der Fahrenberg im Herzogstandgebiet. Er liegt direkt über der Bundesstraße 11, die hier am Walchensee entlang führt. Teilweise ist sie mit Galerien aus Beton überbaut. Freiwillige, etwa des Alpenvereins, arbeiten jeden Sommer auf dem Berg mit.

Dass ein bewaldeter Hang große Schneemassen halten und dadurch verhindern kann, dass diese als Lawine mit gewaltiger Zerstörungskraft zu Tal rasen, ist unmittelbar einleuchtend. Wie viel ein intakter Wald zum Schutz vor Hochwasser beiträgt, ist weniger bekannt. "Der Wald verhindert den großflächigen Ablauf von Wasser", erläutert Plochmann. Denn der Regen werde vom Waldboden aufgesogen wie von einem Schwamm. Nur zehn Prozent eines Regengusses flössen ab, wobei ein reiner Fichtenbestand sicher schlechter Wasser speichere als ein vielfältiger Mischwald, sagt Hildebrandt.

Wo der Waldboden fehlt oder extrem verdichtet ist wie bei einer Skipiste, könne kaum Wasser versickern. Dann strömen Sturzbäche die Hänge hinab und reißen im schlimmsten Fall den Mutterboden mit. Verheerende Muren können abgehen; auch davor schützt der Wald. Auf nacktem Fels wächst gar nichts mehr. Der Schutz vor Erosion ist daher eine weitere wichtige Funktion des Waldes

Für die Förster ist die Stabilität ihres Schutzwalds besonders wichtig. Deshalb halten sie die Bewirtschaftung des Walds für notwendig. Ein Urwald habe auch instabile Phasen, sagt Plochmann. "Wenn man nicht eingreift, ist die Schutzfunktion nicht optimal." Gleichzeitig gilt aber auch, dass ein Wald umso stabiler ist, je vielfältiger er ist, wie Hildebrandt sagt. Naturnah - so soll der Schutzwald sein.

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