Süddeutsche Zeitung

Serie "Aus erster Hand":Das Bio-Abenteuer

Mit dem Loth Hof Laden fingen die Kohns in Münsing nur an, weil sie sich einem Freund verpflichtet fühlten. Vor 20 Jahren wurden sie dafür noch belächelt

Von Susanne Hauck

"Am Anfang liefen Wetten im Dorf, wie lange es unseren Laden geben würde." Christian Kohn, ein silbergrauer Charakterkopf in schwarzer Hose und Hemd, die Brille an den Kragen gesteckt, nimmt an einem Cafétischchen im lauschigen Garten Platz. "Zuerst kamen nur die Ickinger zum Einkaufen, da gab's immer schon viel grüne Klientel." Mehr als 20 Jahre später kann er sich entspannt zurücklehnen: Den anfänglichen Unkenrufen zum Trotz ist der Loth Hof Laden in Münsing prächtig gediehen.

Dabei war alles eher Zufall als Masterplan. 1990 zogen er und Ehefrau Bettina mit ihren vier Kindern von der Gemeinde Dietramszell nach Münsing. Ziemlich bio waren sie damals schon drauf, und so entwickelte sich schnell eine Freundschaft mit Klaus Mair, dem Bauern des Loth Hofs. Gemeinsam fing man an, Pläne von einem kleinen Laden hinter dem Bauernhof zu spinnen. Kaum stand das Gebäude, fiel der dafür vorgesehene Betreiber aus. Die Kohns hatten ein schlechtes Gewissen. "Wir haben den Klaus in dieses Abenteuer getrieben, wir können ihn jetzt nicht im Stich lassen", erinnert sich Christian Kohn. "Also fragte ich Bettina, warum machst du das nicht?" Für seine Frau war es ein Sprung ins kalte Wasser, obwohl sie ein paar Jahre lang in einem Eglinger Naturkostladen gejobbt hatte und die Familie immer schon selbst Ziegen und Hühner hielt, Gemüse anbaute und Brot und Käse herstellte. 1997 eröffneten sie. Seitdem arbeitet Bettina Kohn im Verkauf und Christian kümmert sich um den Bürokram.

Zunächst schwebte ihnen vor, einen richtigen Hofladen mit frischer Milch direkt von Mairs Kühen aufzumachen. "Die Idee hat uns der Lebensmittelkontrolleur schnell zerschossen", sagt Kohn. Offene Milch zu verkaufen, das wäre mit den hygienischen Auflagen viel zu schwierig gewesen. "Und mit dem Verkauf von ein paar Äpfeln und Kartoffeln vom Hof konnten wir nicht existieren." Also entschloss sich das Ehepaar, als Vollsortimenter mit regionalen Bio-Produkten zu beginnen.

Salami nach eigenem Rezept

Trotzdem sind sie auch Direktvermarkter des Loth Hofs. Von dort stammen die Eier, die Rindersalami, die Kaminwurzn. An die 400 Hühner hält Klaus Mair, für die er zwei mobile Hühnerställe gebaut hat. Alle paar Wochen hängt er sie an den Bulldog und zieht sie 50 Meter weiter. Bis zu 3000 Eier gehen im Monat über die Ladentheke. Das Fleisch von Mairs Rindern verarbeitet ein befreundeter Metzger nach eigenen Rezepten zu Salami und Kaminwurzn, wie man sie zur Brotzeit isst. Damit die Würste auch als Spezialität erkannt werden, haben Mairs ein eigenes Logo entwickelt und auf jede Salami ein Wapperl vom Loth Hof geklebt.

Direkt vom Feld kommen auch die Salate, Kräuter und das Gemüse. Die Gärtnerei gäbe es vielleicht nicht, wenn sich vor ein paar Jahren nicht ein Landwirt von der spanischen Insel La Gomera in eine mit den Kohns befreundete Münchener Künstlerin verliebt hätte. "Wir wüssten da was für dich", sagte Christian Kohn damals zu Manuel Chinea, der einen beruflichen Anknüpfungspunkt suchte. "Mach doch eine Gärtnerei auf der Wiese hinter dem Laden auf und liefere uns den Salat."

Nicht bei jedem Produkt lohnt sich die Direktvermarktung. "Es wäre Unsinn, eine eigene Loth Hof-Butter zu verkaufen, das wäre viel zu teuer." Die Konkurrenz mit dem Bio-Sortiment von ökologisch orientierten Supermarktketten oder inzwischen auch den Discountmärkten macht sich bemerkbar. Die Kohns wollen ihr nicht über Kampfpreise, sondern über Alleinstellungsmerkmale wie die Produkte aus der Direktvermarktung, Rezepte der Woche und fundierte Beratung begegnen.

Den Erfolg der Zusammenarbeit führt Kohn darauf zurück, dass Laden, Hof und Gärtnerei voneinander unabhängig wirtschaftende Betriebe geblieben sind. "Bei Geld hört die Freundschaft ja oft auf", weiß der gelernte Bankkaufmann. Groß Werbung machen muss er nicht, dafür ist der Besitzer selbst mittlerweile zu bekannt. Es hat sich herumgesprochen, dass der Hobbykoch eine eigene Sendung auf Bayern 2 moderiert. Bei "Kochen mit Kohn" erklärt er Rezepte und gibt Anrufern Tipps, wie man Nudeln nicht verkocht. Auch in der Münsinger Gastronomie ist er umtriebig: Er beliefert das von Tochter Cäcilia betriebene Café Freiraum, davor führte er mit Sohn Corbinian und Schriftsteller Jan Weiler die Vinoteca Marcipane.

"Wir wollen mit dem Laden alt werden"

50 bis 60 Stunden wöchentlich stehen der 64-jährige Christian und seine 59-jährige Ehefrau Bettina Kohn im Laden, sagen die beiden. Erst seit ein paar Jahren leisten sie es sich, zwischendurch auch mal in den Urlaub zu gehen. "An den Ruhestand denken wir jedenfalls noch nicht", sagt das Ehepaar. "Wir wollen mit diesem Laden alt werden."

Zugute kommt dem Loth Hof Laden sicher seine Lage in Münsing. Viele Münchner unternehmen Tagesausflüge zum Starnberger See oder haben gar ein Wochenendhaus dort und finden es cool, im Dorfladen legefrische Eier mitzunehmen. Aber auf die Schicki-Micki-Klientel möchten sich die Kohns nicht reduzieren lassen. "Auch die alteingesessenen Münsinger kaufen bei uns ein", darauf bestehen sie. "Wir sind ein Teil des Dorfes geworden."

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Quelle:
SZ vom 27.08.2018
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