Süddeutsche Zeitung

Nachtgastronomie:"Auf das Nachtleben habe ich keine Lust mehr"

Am Wolfratshauser Turm ist Sepp Schwarzenbach in die Fußstapfen seines Vaters getreten. Wo der Senior einst seine legendäre Disco führte, eröffnete der Sohn vor vier Jahren die Zeppelin-Bar und erst im Frühjahr den Tingeltangel Club. Warum im Nachtleben jetzt Schluss sein soll, beantwortet Sepp Schwarzenbach im Interview.

Von Benjamin Engel

Für junge Leute war die Zeppelin-Bar am Hans-Urmiller-Ring eine der wenigen Anlaufstellen im Nachtleben von Wolfratshausen. Erst vor vier Jahren hat Sepp Schwarzenbach sie zum damaligen Wirtefest in der Flößerstadt eröffnet. Wenn die Gastronomen heuer Mitte September wieder groß feiern wollen, wird der 31-Jährige die Bar zum letzten Mal öffnen und danach aufhören. Die Gründe für diesen Entschluss und was dieser für den ebenfalls von ihm geführten, erst im Frühjahr eröffneten Tingeltangel Club bedeutet, verrät Sepp Schwarzenbach im Gespräch.

SZ: Herr Schwarzenbach, in den sozialen Medien haben Sie erst kürzlich angekündigt, die Zeppelin-Bar nach nur vier Jahren schließen zu wollen. Sie sind erst 31 Jahre. Das ist doch kein Alter, um das Nachtleben sein zu lassen. Wie kommt das?

Schwarzenbach: Ich habe keine Lust mehr im tiefsten Inneren. Ich bin der Lautstärke und des Stresses des Nachtlebens überdrüssig, am Wochenende und abends bis fünf Uhr früh hinter der Bar zu stehen.

Vor kurzem haben Sie aber noch ganz anders geklungen, haben den Tingeltangel Club eröffnet und angekündigt, den Sound-Club im Wolfratshauser Turm wieder aufzumachen, wo schon ihr Vater einst eine preisgekrönte Disco betrieben hat.

Das Tingeltangel hat sich nie zu dem Anlaufpunkt entwickelt. Wenn jemand die Räume punktuell für Veranstaltungen nutzen möchte, wird das weiter möglich sein. Ich werde aber kein Personal stellen oder den Einkauf übernehmen. Beim Sound-Club habe ich schon einiges auf den Weg gebracht. Aber irgendwann hat sich nur noch die Frage gestellt, aufzuhören oder alles größer, weiter und lauter zu machen. Es ist natürlich blöd, so in der Öffentlichkeit aufzugeben. Aber ich habe die bessere Entscheidung getroffen.

Aber warum ausgerechnet jetzt? Gerade die jungen Leute wollen doch nach mehr als zwei Jahren Corona Versäumtes nachholen, erst recht wieder feiern, nachts ausgehen.

Das Kommunikative, auf die Leute einzugehen - natürlich ist das etwas Schönes. Das werde ich am meisten vermissen. Ich werde es aber auch genießen, am Wochenende endlich wieder für Anderes Zeit zu haben. Die Corona-Pandemie war eine Achterbahnfahrt. Die Politik hat keine klaren Linien vorgegeben. Einmal durften wir öffnen, dann nur unter Auflagen, dann mussten wir ganz zusperren. Ich habe mir nur noch gedacht, was soll der Schmarrn. Das hat keinen Spaß mehr gemacht. Ich habe täglich ins Internet geschaut, was das alles genau heißen soll. Jetzt muss ich auch einmal sagen, dass der Wirtschaftsförderer im Landratsamt, Andreas Ross, uns wirklich toll unterstützt hat. Als kürzlich der Gesundheitsminister Karl Lauterbach die möglichen Auflagen für die Gastronomie im Herbst vorgestellt hat, war mir das diesmal komplett egal. Das war großartig.

Dann hat Sie die Pandemie so zermürbt?

Das war sicher ein ausschlaggebender Punkt. Aber ich habe auch schon vor Pandemie-Beginn nach einem Betriebsleiter für meine Nachtgastronomie gesucht. Der Richtige war nie dabei. Langfristig habe ich mich aber sowieso nicht in der Nachtgastronomie gesehen.

Würden Sie davon dann also abraten?

Es ist schön, Erfahrungen zu sammeln, Leute kennenzulernen, zu lernen, wie man in Stress-Situationen funktionieren kann. Wenn sich jemand mit der Nachtgastronomie stark identifiziert und die nötige Disziplin aufbringt - der Barbetrieb verleitet ja durchaus zum Alkoholtrinken -, würde ich das schon empfehlen. Aber seine langfristige Existenz sollte niemand darauf bauen. Das für ein paar Jahre zu machen ist schön. Man sieht, dass ja in München viele Clubs auch nach wenigen Jahren wieder schließen.

Ist die Ära von jahrzehntelangen Institutionen wie dem P 1 oder auch der Nachtgalerie an der Landsberger Straße in München aus Ihrer Sicht also vorbei?

Das Freizeitverhalten ist anders geworden. Mir kommt das jedenfalls so vor. Die Leute gehen nur noch ein-, zweimal am Wochenende aus. Früher sind die Leute öfter etwas trinken gegangen. Früher ist das Geld lockerer gesessen, und in den 1980er-Jahren war auch der Alkoholkonsum sozial akzeptierter. Das Stammpublikum ist kleiner geworden. Zudem ist das Nachtleben durch die neuen Online-Kontaktmöglichkeiten als Flirt-Börse nicht mehr so wichtig.

Spielt auch der latente Personalmangel in der Gastronomie eine Rolle?

In der Zeppelin-Bar arbeite ich ja mit 450-Euro-Kräften. Von der Personalstärke ging das gerade so. Als Chef möchte man ja, dass die Mitarbeiter einen möglichst entspannten Arbeitsalltag haben, jeder auch regelmäßig frei hat. Während der Pandemie ging das punktuell nicht. Für den ganzen Betrieb war das schon ein Stressfaktor.

Aber zum Abschluss wird es im September doch sicher noch einmal hoch hergehen?

Das Wirtefest ist ja immer eine große Sause. Es ist umso schöner, daran teilzunehmen. Wir werden den Abend mit zwei Bands und DJs durchfeiern. Am Ende geht es von der Zeppelin-Bar dann in den Tingeltangel.

Wie geht es dann anschließend für Sie beruflich weiter?

In die Gastronomie werde ich nicht mehr gehen. Ich genieße es erst einmal, mehr Zeit mit Freunden und Bekannten zu haben, werde in Urlaub fahren. Dann heißt es, sich umzuorientieren. Aber was ich mache, muss ich mir genau überlegen.

Aber als Kulturreferent sind Sie schon noch weiter tätig?

Die Rolle macht mir Spaß. Und ich kann mein Netzwerk aus dem Nachtleben einbringen.

Das wird in Wolfratshausen ohne die Zeppelin-Bar wieder ein Stück ärmer sein.

Das bedauern viele. Aber jeder versteht meine Position. Für die Jugend ist das natürlich schade. Das trägt dazu bei, dass sich das Wolfratshauser Nachtleben noch mehr entschleunigt.

Das ist also kein Grund für ein Comeback?

Nein. Mit Freunden für einen gemeinnützigen Kulturverein womöglich eine Veranstaltung zu organisieren, könnte ich mir durchaus vorstellen, aber nur "ganz vielleicht".

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