Seniorinnen im Einkaufsbus:Auf Shopping-Tour im Dorf

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In Icking gibt es kaum Läden, die Wege sind weit, die Straßen steil. Seit fünf Jahren fährt Brigitte Weber die Menschen ehrenamtlich zum Wocheneinkauf. Doch am Donnerstag bleibt ein Platz frei.

Von Konstantin Kaip, Icking

Als Brigitte Weber den blauen Bus am Donnerstagmorgen den Ickinger Eichendorffweg hinunter steuert, stehen ihre ersten drei Fahrgäste schon bereit: Ingrid Dirscherl, Resi Zellner und Paula Hain lächeln ihr an der Kreuzung entgegen, mit gefalteten Einkaufstaschen unterm Arm. Die drei Frauen waren pünktlich am Treffpunkt. Schließlich haben sie heute Wocheneinkauf, und den erledigen sie gemeinsam mit dem Ickinger Einkaufsbus.

Seit fünf Jahren fährt Brigitte Weber einmal in der Woche Senioren mit dem Bus des Wintersportvereins Icking (WSVI) zum Einkaufen. Ein Service, den die Damen zu schätzen wissen. "Es ist für uns ein Geschenk", sagt Dirscherl. "In Icking musst Du ja alles den Berg rauftragen." Ohne Auto in ihrem Alter - Dirscherl ist 79, Hain 84 und Zellner 89 Jahre alt - ein Ding der Unmöglichkeit. Die Begrüßung ist freundlich, Weber klappt eine kleine zweistufige Aluminiumleiter aus, um den Damen den Einstieg zu erleichtern.

Als alle sitzen, geht es zum nächsten Halt: In der Walchstädter Höhe steigen Ilse Merker und Ingeborg Mielke zu. Mielke ist 82 und Merker mit 69 Jahren "unser Jungspund" wie die Damen betonen. Die beiden kennen sich gut. Seit Jahren gehen sie gemeinsam zum Taekwondo-Training nach Geretsried, wie sie erzählen. Oft sind alle neun Plätze des Busses gefüllt, aber heute bleibt es bei fünf Frauen: Eine Mitfahrerin hat sich das Knie verdreht, erklärt Weber, ein Mann, der den Bus gelegentlich nutzt, ist auf Reha und eine Dame, die oft dabei war, ist vor zwei Tagen gestorben. Das Thema bestimmt die Fahrt bis zum Rathaus, wo die Einkaufstour entspannt losgeht. Die Frauen schwärmen aus, kaufen Gemüse und Obst beim "Früchtchen" oder Brot und Wurst beim Baumgartner. Hain gibt auch immer ihren Lottoschein ab, wie sie sagt. Und dann setzen sich alle erst einmal auf einen Kaffee zum Bäcker.

Brigitte Weber (2.v.li.) fährt den Einkaufsbus und hilft den Seniorinnen beim Einsteigen. (Foto: Hartmut Pöstges)

An diesem Morgen haben die Damen prominenten Besuch: Bürgermeisterin Margit Menrad ist gekommen, um Weber für ihre fünf ehrenamtlichen Jahre als Busfahrerin einen Blumenstrauß zu überreichen. Der Einkaufsbus war ihr ein echtes Anliegen, sagt Menrad. Zuvor hatte die Tour ein privater Schulbus erledigt, aber das hat die Kommune 1500 Euro im Jahr gekostet, was der Gemeinderat nicht tragen wollte. Also dachte Menrad an den Bus des WSVI. Und dann rief Weber sie an, die gerade in Pension gegangen war, beim Sportverein war und in der Nachbarschaftshilfe. "Zwei Frauen, ein Gedanke", sagt Menrad. Seitdem übernimmt die Gemeinde das Benzin, wer mitfährt, zahlt 2,50 Euro. Dirscherl organisiert die Termine.

Am Cafétisch fragt Paula Hain nach dem Supermarkt, der gerade in Icking an der B11 gebaut wird. Der soll laut Bauherren noch vor Weihnachten in Betrieb gehen, sagt Menrad. Und der Einkaufsbus? Der bleibt, versichert die Bürgermeisterin. Schließlich sei es dabei immer um den beschwerlichen Weg den Hang hinauf gegangen, und nie um die Einkaufsmöglichkeiten im Ort. Die Initiative habe sie gestartet, als es in Icking noch einen Discounter gab. In der fröhlichen Runde wird klar, dass es den Frauen um mehr geht als nur den Transport. "Es ist auch das Miteinander", sagt Dirscherl. "Man freut sich, dass man sich sieht, wir sind ja alle miteinander älter geworden." Dirscherl und Hain stammen beide aus demselben Dorf im Sudetenland und sind vor 71 Jahren nach Icking gekommen, wie sei erzählen. Mielke kam etwas später aus München. "Aber ich habe in 40 Jahren nicht so viele kennengelernt wie jetzt im Bus." Brigitte Weber kennen die meisten noch als Kind. Ihre Mutter Anna hatte ein Mietauto-Geschäft und viele Ickinger chauffiert, erzählt die 69-Jährige. "Sie hat die Hochzeit von Frau Dirscherl gefahren, viele Taufen und Beerdigungen."

Ingrid Dirscherl, Paula Hain, Ingeborg Mielke sowie Therese Zellner und Ilse Merker (v. li.) genießen die gemeinsame Fahrt zum Supermarkt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Auf der Fahrt nach Wolfratshausen geht es im Bus geschwätzig zu. Die Stimmung wirkt fast wie auf einer Klassenfahrt, nur dass sich die Damen untereinander siezen. In den Wortfetzen, die man aus den angeregten Gesprächen heraushört, geht es um das heftige Gewitter neulich, um Essen, Arztbesuche, Enkelkinder und Taxis in München. Dann hält Weber auf dem Parkplatz vor dem Discounter in Weidach, den der Bus immer anfährt. Und die Frauen machen sich mit ihren Listen auf den Weg. "Sie schätzen es, dass sie selber einkaufen können, und ich ihnen so viel Zeit lasse, wie sie brauchen", weiß Weber.

Nach einer halben Stunde kommen die Damen nacheinander mit ihren Einkaufswägen zum Bus. Weber lädt die Taschen ein, die mit Lebensmitteln, Waschmittel, Haarspray und anderen Dingen gefüllt sind. Blumen haben alle gekauft. Auf der Rückfahrt führen die Damen im Fond wieder lebhafte Gespräche, bis sie Weber der Reihe nach zu Hause absetzt und ihre Taschen zur Tür trägt. Mit ihren Einkäufen müssen sie nun eine Woche auskommen. Länger wollen sie ohnehin auf den nächsten Bus nicht warten.

© SZ vom 11.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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