Süddeutsche Zeitung

Selbst pflücken, selbst verarbeiten:Durchwachsene Apfelernte

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Während der Deutsche Bauernverband massive Einbußen befürchtet, bleibt der Beuerberger Gartenverein zuversichtlich

Von Erik Häußler, Beuerberg

Der Duft von Äpfeln liegt in der Luft, dutzende Bienen und Wespen sind ihm gefolgt. Im Hinterhof eines ehemaligen Gasthauses im südlichen Beuerberg surrt am Dienstag der Motor der Saftpresse des örtlichen Gartenvereins zum ersten Mal in diesem Jahr. Die Erntezeit hat nun begonnen. Bis Mitte Oktober werden die Mitglieder des Vereins zweimal wöchentlich das Obst von kleinen und großen Bäumen zu frischem Saft verarbeiten. Seit rund 25 Jahren pressen sie ehrenamtlich - durchschnittlich 20 000 bis 25 000 Liter jedes Jahr.

Der Deutsche Bauernverband befürchtet durch die extreme Hitze und die Trockenheit eine schwache Apfelernte, heuer rund 885 000 Tonnen. Das wären gut acht Prozent unter dem Durchschnitt der letzten drei Jahre. Othmar Winterling, der Betreuer der Anlage in Beuerberg, und seine Vereinskollegen teilen diese Sorge nicht. Viele Tonnen Äpfel werden ihnen auch in diesem Jahr wieder geliefert. Auswirkungen hatte das Wetter trotzdem, sagt Winterling: "Die Blüte hat etwas später eingesetzt, die Reife hingegen früher. Viele haben schon jetzt eine gewisse Notreife erreicht", sagt der 70-Jährige. Das wirke sich aber nicht unbedingt negativ auf die Menge und Qualität des Saftes aus.

Rund 60 bis 80 Leute aus Beuerberg und der Umgebung werden an den voraussichtlich 20 Presstagen ihre Ernte zu Winterling und seinem achtköpfigen Team bringen. Familie Reichert-Marthaler aus Schalkhofen gehört zu den ersten Anlieferern. 90 Kilogramm umfasst die erste Ernte ihrer fünf Bäume. Wie auch in den letzten Jahren werden sie mehrmals zur Presse kommen, bis zu 200 Liter bringt ihnen ein gutes Jahr. Beim Aufsammeln helfen alle mit: Mutter Silke, Vater Mike und die Zwillinge Nicola und Toni. Ganz begeistert schauen die beiden zu, wie aus ihren Äpfeln der Saft entsteht. Zu ihrem fünften Geburtstag am Wochenende stehen dann bereits die ersten Liter auf dem Tisch.

Aus 100 Kilogramm Äpfeln lassen sich rund 60 bis 70 Liter Saft gewinnen, schätzt Winterling. Am ersten Presstag kamen noch wenige Leute, die Zahl wird aber in den nächsten Wochen steigen, vermutet er. Viele kämen mehrmals, je nachdem, wie viel Obst gerade anfalle. Die angelieferten Äpfel werden zunächst gewaschen und gehäckselt. Die so entstandene Maische wird in mehrere Holzrahmen gedrückt, mit Stofftüchern bedeckt und die Rahmen dann zu einem sechsstöckigen Turm gestapelt. Dieser Turm wird anschließend mit rund 300 Bar von der Packpresse zusammengedrückt, der frische Saft fließt direkt in die Eimer daneben und verströmt den unverkennbaren Duft. Jeder, der Äpfel bringt, bekommt den Saft aus genau diesen. Das heißt: "Wer uns verfaulte Äpfel bringt, kriegt auch den Saft aus verfaulten Äpfeln", sagt Winterling und lacht.

Stündlich können so 250 bis 300 Liter Saft gepresst werden, wenn die Arbeitsschritte reibungslos laufen: waschen und häckseln, pressen, filtern und, wer will, pasteurisieren. Wer nämlich Apfelsaft lagern möchte, muss die Keime durch Erhitzen abtöten lassen. Werden die Äpfel zu Most oder, wie Winterling es teilweise macht, zu Met weiterverarbeitet, kann der Saft nach dem Pressen kalt mitgenommen werden. Er gärt anschließend in Fässern mehrere Wochen.

Übrig bleibt nach der Pressung zwischen 30 und 40 Prozent des ursprünglichen Apfels, die sogenannte Trester. Die holen Jäger, um daraus Futter für die Rehe im Winter zu machen.

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Quelle:
SZ vom 19.08.2015
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