Süddeutsche Zeitung

Sehenswert:Ein Schloss für lau

Das Buchheim Museum hat das Lebenswerk des deutsch-amerikanischen Bühnenbildners Herbert Scherreiks als Schenkung erhalten: das phantastische Schloss "Zwerkapfelkern"

Von Katja Sebald, Bernried

Portale, Giebel, Erker und Türmchen, ein veritabler Schlosshof und eine prächtige Renaissance-Fassade. Im Inneren Säulenhallen, Prunksäle, Gewölbe, Stuckdecken und Kristalllüster, eine künstliche Grotte, eine Kapelle und ein eigenes Theater. Eine Kunstsammlung, die von der Antike bis zu Beuys' "Ende des 20. Jahrhunderts" reicht. Im Boudoir eine freistehende Badewanne mit Löwenfüßen, im Chinesischen Zimmer Seidenstickereien und andere wertvolle Asiatika, im Intarsienzimmer getäfelte Wände und eine mächtige Kassettendecke. In der Schlossküche kupfernes Kochgeschirr, Vorräte in Fässern und Körben. In der Alchemistenstube Fläschchen, Phiolen und geheimnisvolle Gerätschaften, die Dachböden voller Gerümpel und vergessener Kunstschätze: Das "Schloss Zwerkapfelkern" ist eine zwar überbordende, aber dennoch winzige Fantasterei, es ist ein Modellbau im Maßstab 1:25 und das Lebenswerk des deutsch-amerikanischen Bühnenbildners Herbert Scherreiks. Jetzt ging das "Puppenschloss" als Schenkung aus seinem Nachlass an das Buchheim Museum in Bernried.

Das "Schloss Zwerkapfelkern" dürfte wohl den Wunschträumen von Lothar-Günther Buchheim sehr nahe kommen, der - so die selbst erzählte Legende - sich als Junge die Nase an den Schaufenstern der Konditoreien platt drückte, wenn dort zur Weihnachtszeit kunstvolle Zuckerbäckerschlösser ausgestellt wurden. Ein solches verwinkelt-verwunschenes Gebäude voller Wunderkammern, in denen die Besucher immer wieder aufs Neue überrascht würden, hatte er zunächst im Kopf, als er sich an die Pläne für sein "Museum der Phantasie" machte.

Jetzt, zehn Jahre nach dem Tod des Stifters, ist das Buchheim-Museum ein moderner und nach allen Seiten offener Museumsbetrieb. Das bezaubernde Modellschloss, der Fantasie eines anderen "Kunstbesessenen" entsprungen und voller kunsthistorischer Preziosen en miniature, hat hier trotzdem eine geradezu ideale Heimat gefunden.

Zwei Monate lang war der Ausstellungstechniker Thomas Flakus mit nichts anderem als dem Umzug des Puppenschlosses beschäftigt. Zuerst hat er mit der Kamera in der Münchner Dachgeschosswohnung von Herbert Scherreiks jedes der unzähligen Zimmerchen in der dreiflügeligen Schlossanlage dokumentiert, dann jedes Möbelchen und jedes noch so kleine Ausstattungsstück sorgfältig verpackt und nach Bernried gebracht, um es dort detailgenau wieder aufzubauen. Vom kommenden Samstag an werden es die Museumsbesucher in einem eigens eingerichteten Raum bewundern können - dann allerdings von Glasscheiben geschützt.

Herbert Scherreiks wurde 1930 in New York geboren. Schon als Kind reiste er mit seiner deutschstämmigen Mutter erstmals nach Deutschland. Burgen und Schlösser, die er bis dahin nur aus Märchen kannte, hinterließen einen tiefen Eindruck. Nach einer Ausbildung zum Grafiker in seiner Heimatstadt New York kam er 1951 als Soldat nach Bayern. Danach blieb er in München und absolvierte ein Kunststudium an der Akademie der Bildenden Künste mit Schwerpunkt Bühnenbild und Kostümdesign. Anschließend arbeitete er für viele deutsche und schweizerische Theater und Opernhäuser. Von 1956 bis zu seinem Tod 2016 lebte er im Künstlerhof in München-Neuhausen. Sechzig Jahre lang baute er dort in seiner Freizeit am "Schloss Zwerkapfelkern", dessen altertümlich-romantisch anmutender Name wohl als Hommage an die deutsche Märchenwelt zu verstehen ist. Herbert Rosendorfer, mit dem er freundschaftlich verbunden war, setzte dem Schloss in seinem Debütroman "Der Ruinenbaumeister" bereits 1970 ein literarisches Denkmal. Umgekehrt gibt es im Zentrum des Schlosshofs ein "Rosendorfer Memorial".

Die Eröffnung der kleinen Ausstellung rund um das "Schloss Zwerkapfelkern", in der auch Bildkästen und andere Arbeiten von Scherreiks zu sehen sind, ist am 29. April um 18 Uhr, anschließend gibt es ein Miniaturbankett zu Ehren Herbert Scherreiks

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Quelle:
SZ vom 25.04.2017
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