Jakub S. weiß heute schon, wie er es mit dem Konsum von alkoholischen Getränken halten will, wenn er eines Tages auf freien Fuß kommt. Höchstens „ein bis zwei Bier am Tag“, hat der Pflasterer aus Geretsried dem Leiter der sozialtherapeutischen Abteilung in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim versichert. Denn wenn er mehr trinke, wie in der Vergangenheit, mache er nur Dummheiten, sagte der 35-Jährige zu dem Arzt. So wie im Februar vergangenen Jahres etwa, als S. mit dem Pocket-Quad seines kleinen Sohnes auf der Ortsverbindungsstraße Geretsried–Schwaigwall unterwegs war. Ein Zeuge alarmierte die Polizei. Jakub S. war so betrunken, dass er nicht mehr laufen konnte. Er hatte eine Blutalkoholkonzentration von 2,11 Promille. Zudem wurde in seiner Blutprobe Amphetamin festgestellt.
Aber es ist nicht nur diese Trunkenheitsfahrt, wegen der der Geretsrieder seit Anfang November 2023 in der JVA München-Stadelheim in Untersuchungshaft sitzt. In der Nacht vom 4. auf den 5. November war S. wieder einmal völlig betrunken und beging eine seiner „Dummheiten“, die ihm aller Voraussicht nach viele Jahre seines Lebens in Freiheit kosten wird. Vor einer Bar an der Lausitzer Straße in Geretsried soll S. einen anderen Mann im Zuge seines Streits fast zu Tode getreten haben.
Bei dem mutmaßlichen Opfer handelt es sich um einen ehemaligen Arbeitskollegen des Pflasterers. Jakub S. räumte die Attacke zum Auftakt des Prozesses ein und sagte bei seiner Vernehmung zum Vorsitzenden der Schwurgerichtskammer, Richter Thomas Bott, dass er mit diesem Mann schon öfter einmal aneinandergeraten sei.
Der ehemalige Kollege des Pflasterers leidet bis heute unter den Folgen der Tat. Jakub S., der mehrere Jahre Kickboxen trainierte, soll den 41-Jährigen lau Anklage mit einer Reihe von heftigen Schlägen und Tritten traktiert und „zweimal kurz hintereinander, mit beiden Füßen von oben auf den Kopf getreten“ haben, als er bereits am Boden lag. Das mutmaßliche Opfer verlor das Bewusstsein. Zeugen hielten S. schließlich davon ab, seinen Angriff fortzusetzen.
Bleibende Nervenschädigung
Der ehemalige Arbeitskollege erlitt unter anderem eine Fraktur des Augenhöhlenbodens sowie eine Fraktur der rechten Kieferhöhle. Ärzten zufolge sei eine „bleibende Nervenschädigung in der rechten Gesichtshälfte zu erwarten“.
Jakub S. gab bei seiner Vernehmung vor Gericht an, er könne sich nur noch an den ersten Schlag, den er dem 41-Jährigen ins Gesicht versetzt habe, erinnern und an einen Tritt mit seinem rechten Fuß – „an den Rest nicht mehr“. Seine Stimmung am Abend der mutmaßlichen Tat sein „normal“ gewesen, sagte er einem Psychiater in der Untersuchungshaft.
An jenem 4. November 2023, so der 35-Jährige, habe er schon am Morgen begonnen, Alkohol zu trinken – gleich nach dem Frühstück. Zwei Flaschen Wein und mehrere Flaschen Bier sollen bis zum Abend zusammengekommen sein. In der Bar an der Lausitzer Straße habe er vor der mutmaßlichen Tat weitere „fünf bis sechs“ Wodka-Cola getrunken. Gegen 2.30 am Morgen des 5. November habe auch der ehemalige Arbeitskollege die Bar besuchen wollen. Da er jedoch zu betrunken war, wurde ihm der Zutritt verwehrt. Dabei soll es zu einer kurzen Diskussion am Eingang der Bar gekommen sein, an der auch Jakub S. sich angeblich beteiligte. Als sein ehemaliger Arbeitskollege schließlich wegging, soll dieser sich umgedreht und den 35-Jährigen zu sich gewinkt haben. Bei seiner Vernehmung am Dienstag sagte S., der 41-Jährige habe zum ihm gesagt, er wolle „die Sache eins zu eins erledigen“. Nur Sekunden später kam es daraufhin zu der mutmaßlichen Attacke.
Von zwei weiteren Punkten aus der Anklage der Staatsanwaltschaft, darunter eine Sachbeschädigung sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, hat das Gericht einen bereits vorläufig eingestellt. Nach der Trunkenheitsfahrt mit dem Quad seines Sohnes hatte Jakub S. die Toilette seiner Haftzelle in der Polizeiinspektion Geretsried verstopft und geflutet.