Schulprojekt:Prävention mit Rauschbrille

Lesezeit: 2 min

Beim Aktionstag "Partyspaß" werden Achtklässler der Tölzer Realschule auf die Gefahren von Alkohol und anderen Suchtmitteln aufmerksam gemacht. Das Projektteam "Hart am Limit" informiert auch über Hilfsangebote

Von Melanie Kraus, Bad Tölz

Mit weit aushohlenden Schritten und wackligen Beinen versucht eine Schülerin der Realschule Bad Tölz ihren Weg entlang einer Linie am Boden zu finden. Dabei trägt sie eine Skibrille mit abgedunkelten Gläsern und muss Pylonen ausweichen, die als Hindernisse auf der Linie stehen. Während ihre Klassenkameraden in einer Ecke des Raumes leise kichernd zusehen, folgt Christine Böhm von der Abteilung Suchtprävention des Tölzer Landratsamtes dem Mädchen und passt auf, dass nichts passiert. "Es ist schon witzig zum Zuschauen, aber würdet ihr wollen, dass euch jemand so sieht?", fragt Böhm in die Runde. Der Rauschbrillenparkour, den die Schüler hier durchlaufen, ist eine von insgesamt vier Stationen, in denen die achten Klassen der Realschule Bad Tölz über die Wirkung von Alkohol und anderen Suchtmitteln aufgeklärt werden sollen.

Besoffene Blicke: Spezialbrillen, die die Wahrnehmung im Rausch simulieren, setzt die Projektgruppe HaLT bei Präventionsveranstaltungen ein, etwa vor zwei Jahren in der Geretsrieder Realschule. (Foto: Hartmut Pöstges)

Wie Schulleiterin Barbara Lottner sagt, nehmen 105 Schüler am Aktionstag "Partyspaß" des Projektteams "Hart am Limit" (HaLT) teil. Dieser findet im Vorfeld der bundesweiten Aktionswoche Alkohol statt. Vom 13. bis 21. Mai geht es darum, junge Menschen über Alkohol und andere Suchtmittel oder Suchterkrankungen zu informieren und dadurch Prävention zu betreiben. Prävention sei aber nur eine der zwei Säulen, auf denen das Projekt HaLT aufgebaut sei, erklärt Koordinatorin Bernadette Sappl. Auch ein Teil, in dem aktiv auf Jugendliche zugegangen werden kann, sei Teil des Konzepts. Denn die Arbeit der Projektgruppe reicht über den Besuch von Schulen hinaus. "Wir erreichen circa 20 Prozent der ins Krankenhaus eingelieferten Jugendlichen" sagt Sappl und meint damit das Angebot der Brückengespräche. Wenn ein Jugendlicher wegen eines übermäßigen Alkoholrausches ins Krankenhaus eingeliefert werde, stehe ihm die Möglichkeit offen, nach der Akutbehandlung eine Kurzintervention in Anspruch zu nehmen. "Dazu muss der Patient eine Schweigepflichtentbindung unterschreiben, damit ein Jugendarbeiter ins Krankenhaus kommen kann", erklärt Sappl. Der führe mit dem jungen Patienten ein reflektierendes Gespräch.

Im Erdgeschoss der Realschule befindet sich, direkt im Zimmer neben dem Rauschbrillenparkour, noch die Station Glücksrad. Dort steht Kerstin Barth, die Geschäftsführerin des Kreisjugendrings, und stellt den Schülern, die alle Stationen in Kleingruppen von rund sechs Leuten durchlaufen, Fragen zu dem Themenfeld, auf dem der Zeiger des Glücksrads stehen bleibt. Außer dem Schwerpunktthema Alkohol werden dort auch die Themen Essstörungen, Cannabis und Rauchen besprochen. "An dieser Station geht es hauptsächlich darum, das Vorwissen der Schüler durch den Austausch zu ergänzen" erklärt Sappl. Nur zwei Stockwerke höher befinden sich Stationen drei und vier. Besonders letztere, die Mocktailbar, kommt bei den Schülern gut an. Der Münsinger Gartenbauverein organisiert diese unter der Leitung von Christa Settele und Ingrid Hohenadl. "Man muss einfach Alternativen zu alkoholischen Getränken aufzeigen" sagt Regina Reitenhardt, die den Vorsitz inne hat. Sie erklärt, dass sich der Begriff "Mocktails" vom englischen Wort "to mock" ableite, was "jemanden täuschen" bedeutet. Dadurch könne man den Jugendlichen zeigen, dass auch Cocktails ohne Alkohol nicht weniger gut schmecken und aussehen, als jene, die Spirituosen enthalten.

Florian Baindl, der Jugendsuchtbeauftragte der Caritas, stellt den Jugendlichen in seiner Station nicht nur ihre möglichen Anlaufstellen vor, sondern erfragt in einem lockeren Gesprächsrahmen auch deren Haltung gegenüber Suchtmitteln, dabei besonders Alkohol. "Es geht hauptsächlich darum, Brücken zu schlagen, damit die Jugendlichen wissen, wohin sie sich im Ernstfall wenden können", erklärt er. Die Hoffnung der Jugendarbeiter sei es immer, Türen zu öffnen und damit Hemmschwellen herabzusetzen. Stimmen aus den achten Klassen zeigen positive Resonanz: Der Aktionstag "ist schon ganz gut" und "bringt schon was", sagen die Schüler.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: