Unterricht mit neuen Medien:Tablets für alle nur mit Gönnern

Unterricht mit neuen Medien: Mit Tablets wie hier an einer Berliner Schule arbeiten Kinder und Jugendliche im Unterricht. Leihgeräte stehen aber im Landkreis in unterschiedlicher Anzahl bereit.

Mit Tablets wie hier an einer Berliner Schule arbeiten Kinder und Jugendliche im Unterricht. Leihgeräte stehen aber im Landkreis in unterschiedlicher Anzahl bereit.

(Foto: Soeren Stache/dpa)

Die Schulen im Landkreis sind unterschiedlich gut mit mobilen Endgeräten ausgestattet. Oft springen Stiftungen, Fördervereine und Unternehmen ein, um zusätzliche Anschaffungen zu ermöglichen.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Von der Digitalisierung der Schulen in Bayern wird viel gesprochen. Bislang ist der Freistaat aber von seinem mittelfristigen Ziel, jede Schülerin und jeden Schüler mit einem Tablet auszustatten, noch weit entfernt: Für die 1,6 Millionen Kinder und Jugendliche, die in Bayern derzeit zur Schule gehen, stehen nach den Angaben des Kultusministeriums 561 886 mobile Endgeräte bereit, 316 100 davon als Schülerleihgeräte. Daher dürfte die Kochler Franz-Marc-Grundschule zu den digitalen Vorzeige-Bildungseinrichtungen zählen. Sämtliche 59 Dritt- und Viertklässler können dort auf gestellte Tablets zurückgreifen. Knapp 70 davon gibt es für alle 105 Grundschülerinnen und -schüler insgesamt. Sechs davon hat die Institution mithilfe des von Bund und Freistaat finanzierten Sonderbudgets Leihgeräte angeschafft.

Somit müssen auch Kinder aus finanzschwächeren Familien an der Kochler Grundschule nicht fürchten, in irgendeiner Form sozial stigmatisiert zu werden, wenn sich ihre Eltern keinen eigenen mobilen Computer leisten können. Allerdings ist die Franz-Marc-Schule nur deshalb so gut ausgestattet, weil sich die Kochler Dorst-Löcherer-Stiftung finanziell für die Schüler engagiert. Die Stiftung gehört der Kochler Dorst Technologies GmbH, die für die Viertklässler jährlich Betriebsbesichtigungen organisiert. Rektor Jakob Dondl spricht von einem "persönlichen Kontakt" mit dem Stiftungs-Vorsitzenden: "Hubert Löcherer ist in engem Austausch mit uns", so Dondl. "Im Gespräch haben wir beide festgestellt, dass es eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit gibt, um die Kinder optimal auf die digitale Zukunft vorzubereiten."

In Kochel nutzen Grundschüler Tablets für Referate

Die einheitlichen Geräte stellen in Kochel sicher, dass Lehrer und Schüler für Klassenprojekte optimal vernetzt sind und alle auf die gleichen Apps zugreifen können. So nehmen die Viertklässler laut Schulleiter die Geräte auch nach Hause mit, um Referate mit digitalen Inhalten wie kleinen Videos oder Grafiken zu erstellen. In einem aktuellen Projekt entwerfen Schüler ein Haus. Das kreativste soll mit einem 3D-Drucker als Modell erstellt und in der Schule ausgestellt werden.

Nach Dondls Erfahrung spielt die Digitalisierung bei den Schülern der dritten und vierten Klassen ohnehin schon eine große Rolle im privaten Umfeld. Insofern sei es sinnvoll und wichtig, die Kinder dabei auch schulisch zu begleiten, ihnen die zielgerichtete Verwendung der Geräte im Internet nahezubringen und sie auf Gefahren hinzuweisen. "Es geht um digitale Grundkompetenzen, die unsere Welt mit sich bringt", sagt er.

Die Nutzungszeit während des Unterrichts bleibt daher auch begrenzt. "Mit dem iPad wird höchstens eine Schulstunde am Tag bestritten", schildert Dondl. Um zu lernen, sei es eben auch wichtig, dass die Kinder viel Zeit draußen in der Natur verbrächten oder das Schreiben mit der Hand einübten. "Ich sehe ganz grundsätzlich, dass die Bildschirmzeit in der Gesellschaft deutlich zu hoch ist." So würden in Kochel die Schüler der ersten und zweiten Jahrgangsstufe erst langsam an die digitalisierte Welt herangeführt. "Mich würde es sehr freuen, wenn es uns gelingt, dass die Kinder den Computer ein wenig sinnvoller und zielgerichteter nutzten statt Medien nur zu konsumieren und sich spaßeshalber berieseln zu lassen", sagt Dondl.

Im Landkreis standen 318 000 Euro für Leihgeräte bereit

Nur mit Hilfe des Sonderbudgets Leihgeräte (SoLe) wäre die hohe Ausstattungsquote an der Kochler Grundschule aber nicht möglich gewesen, betont Dondl. Dies umfasst im Freistaat laut Kultusministerium 107 Millionen Euro. Davon übernimmt das Land 29,5 Millionen, der Bund 77,8 Millionen Euro. Die Gelder seien fast vollständig bewilligt und nahezu ausbezahlt, so ein Ministeriumssprecher. Etwa 318 000 Euro davon entfallen auf den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Damit sollten die Schulaufwandsträger primär für solche Schüler mobile Endgeräte anschaffen, die zuhause kein geeignetes haben. Auch ihnen sollte somit ermöglicht werden, während der pandemiebedingten Schulschließungen von Zuhause aus lernen zu können. Die Höhe der den Schulaufwandsträgern bereitgestellten Budgets wurde laut Kultusministerium im Wesentlichen nach den Schülerzahlen errechnet. Aber auch die Quote an Empfängern von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld wurde einbezogen.

Unterricht mit neuen Medien: Laut Direktor Christoph Strödecke bringen am Gymnasium Geretsried viele Schüler eigene Geräte in den Unterricht mit.

Laut Direktor Christoph Strödecke bringen am Gymnasium Geretsried viele Schüler eigene Geräte in den Unterricht mit.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Damit der digitale Unterricht funktioniert, hat sich am Geretsrieder Gymnasium das Prinzip "bring your own device", also das eigene Gerät mitzubringen, offensichtlich bewährt. Ab der achten Jahrgangsstufe ist die Schule digital 1:1 ausgestattet. Schulleiter Christoph Strödecke spricht von vielen, die lieber ihr eigenes, selbst gekauftes Gerät in den Unterricht mitbrächten. Damit sich niemand finanziell überfordert fühle, existiere ein Leihpool von 120 Geräten. 100 davon nutzten Schüler aktuell. "Wir fragen aber nicht nach dem sozialen oder finanziellen Hintergrund", so Strödecke. Wer eines der Geräte haben wolle, könne sich dies bei einer für den Verleih zuständigen Lehrkraft abholen. Die Geräte hätten lediglich einen kleinen, nach außen nicht erkennbaren Aufkleber, der zeige, es sich um Eigentum des Gymnasiums handle. So sei die Anonymisierung in der Klasse gewahrt.

Zusätzlich gibt es Spenden vom Förderverein und örtlichen Unternehmen, mit denen der Pool an Leihgeräten auch abseits des staatlichen Sonderbudgets aufsgestockt werden kann. Dank einer gemeinsamen Initiative konnte das Geretsrieder Gymnasium so kürzlich zehn weitere Tablets anschaffen.

Unterricht mit neuen Medien: Seit 2022 ist Roman Haehl Schulleiter in der Erzbischöflichen Mädchenrealschule Hohenburg.

Seit 2022 ist Roman Haehl Schulleiter in der Erzbischöflichen Mädchenrealschule Hohenburg.

(Foto: Manfred Neubauer)

Doch wie funktioniert die digitale Ausstattung in privaten Bildungseinrichtungen? An der St.-Ursula-Mädchenrealschule in Hohenburg stehen laut Leiter Roman Haehl 40 Leihgeräte für insgesamt 360 Schülerinnen bereit. "Aktuell werden nicht alle Leihgeräte abgerufen." Der Großteil stamme von der Erzdiözese München und Freising als Schulträger. "Der Förderverein der Schule hat die Anschaffung zusätzlich bezuschusst", so Haehl. Die Bildungseinrichtung gehe großzügig vor, wenn Schüler ein Gerät leihen wollten. Per Antrag müssten die Eltern glaubhaft versichern, dass sie aus finanziellen Gründen Schwierigkeiten hätten, eines anzuschaffen. "Einkommensnachweise et cetera müssen bisher nicht vorgelegt werden." Eltern könnten die Tablets über das Sekretariat ausleihen, ohne dass Mitschülerinnen davon erfahren.

An der Tölzer Realschule läuft ein Pilotversuch

Wie die Digitalisierung in einzelnen Schulen vorankommt, bleibt im Landkreis also Stückwerk. So wird laut Schulamt etwa gar nicht zentral erfasst, wie viel Leihgeräte insgesamt an den Schulen bereit stehen. Das Kultusministerium verweist noch auf den aktuellen Pilotversuch "Digitale Schule der Zukunft": Bayernweit seien daran seit Schuljahresbeginn 2022/2023 um die 250 staatliche Förder-, Mittel-, Real- und Wirtschaftsschulen sowie Gymnasien beteiligt - im Landkreis allein die Realschule Bad Tölz. "Hierfür wurden die Schülerinnen und Schüler ausgewählter Jahrgangsstufen der Pilotschulen mit staatlich geförderten Tablets, Notebooks oder Convertibles ausgestattet, die fortan im Unterricht, bei den Hausaufgaben, aber auch privat genutzt werden", erklärt ein Ministeriumssprecher. 16,5 Millionen Euro stünden für die staatliche Förderung bereit. Jede teilnehmende Klasse erhalte zusätzlich ein Medienbudget in Höhe von 400 Euro.

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