Süddeutsche Zeitung

Schulen in Bad Tölz-Wolfratshausen:Das nächste Schuljahr hängt an der Luft

Lesezeit: 3 min

Ob geschützt durch Filteranlagen, durch Lüften oder doch wieder über die Distanz: Noch immer ist unklar, wie der Unterricht von September an aussehen wird. Im Landkreis gibt es eigene Wege und Vorstöße - doch auch die sind an die Regierungsentscheidungen gebunden

Von Moritz Hackl, Bad Tölz-Wolfratshausen

Auf irgendeine Form der Routine konnten Schüler, Eltern und Lehrer in den vergangenen Monaten nun wirklich nicht mehr setzen: Erst die Umstellung auf digitale Unterrichtsformen, dann Versuche, mit Masken, Desinfektionsmittel und ständigem Lüften das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Und als dieses Hygienekonzept nicht standhielt, folgte der Wechsel von Distanz- und Präsenzunterricht. Auch wenn nun die wohlverdienten Sommerferien eine Verschnaufpause von all dem Hin und Her bieten, so bleibt die Frage, wie es im kommenden Schuljahr weitergehen soll.

Das Max-Rill-Gymnasium auf Schloss Reichersbeuern hat im ablaufenden Schuljahr sein Attribut als besondere Schule untermauert und hat einen eigenen Weg eingeschlagen, Pandemie und Unterricht in Einklang zu bringen: Die Verantwortlichen nutzten den großzügigen Außenbereich, um Klassenzimmer im Freien einzurichten. So konnten sie den möglicherweise virenbeladenen Aerosolen ausweichen. Das einfach von kommendem September an fortzusetzen, wird allerdings schwierig: "Wenn's kalt wird, kann ich mir nicht vorstellen, draußen bibbernd zu sitzen", sagt Schulleiterin Carmen Mendez. Das Konzept sei gut gewesen, solang es warm genug war und auch zum Anfang des nächsten Schuljahres könne sie sich noch vorstellen, daran festzuhalten. Doch es wird nicht das ganze Jahr über die nötigen Temperaturen für Freiluft-Unterricht haben. "Wir haben im vergangenen Dezember schon einen Antrag beim Kultusministerium für Luftfilteranlagen gestellt", sagt Mendez. Doch bisher habe sich nichts getan und sie gehe auch davon aus, dass das so bleibt. "Die Regierung kriegt nichts gebacken", kritisiert sie. Und überhaupt: Es sei nicht einmal geklärt, ob der Unterricht in Klassenräumen mit den Luftfilteranlagen weitergeführt werden könne. Solang das nicht geregelt sei, werde sie keine Ausgaben veranlassen, die sich später als Verschwendung herausstellen. Mendez ist sauer: "Unsere Schüler verfallen hier langsam in ein Phlegma, und dass die Politik immer noch nicht auf den Herbst und Winter vorbereitet ist, das ist ein Desaster", sagt sie.

Der Frage, wie sinnvoll es ist, Luftfilteranlagen in Klassenzimmern zu verbauen, geht ein Forscherteam der Hochschule München unter anderem an der Grundschule Icking nach. "Die Universität ist auf uns zugekommen mit der Anfrage", sagt der Rektor der Schule, Peter Lang. Er habe sofort eingewilligt. Über das kommende Schuljahr messen die Wissenschaftler nun die Luftqualität: einmal bei normaler Fensterlüftung, dann unter Einsatz von mobilen Raumluftreinigern und schließlich unter Verwendung von nachrüstbaren Lüftungssystemen. Die gesammelten Daten werden ausgewertet und sollen klären, welches der drei Lüftungskonzepte am wirksamsten ist, um die Virenlast der Aerosole zu minimieren und somit einen sicheren Unterricht zu gewährleisten. Erste Ergebnisse erwartet das Forscherteam rund um Christian Schwarzbauer Anfang November dieses Jahres.

So lange will der Landkreis nicht warten. Die Sprecherin des Landratsamts, Marlis Peischer, sagt, dass die Ausstattung der Schulen mit stationären raumlufttechnischen Anlagen zur Belüftung aller Klassenzimmer "mit besonderer Dringlichkeit" vorangetrieben werde. Und das, obwohl sämtliche Klassenzimmer aller Schulen, die in der Sachaufwandträgerschaft des Landkreises stehen, wegen ihrer großen Fenster gute Lüftungsmöglichkeiten hätten. Sie entsprächen somit der Kategorie 1 der Definition des Umweltbundesamts. Grundsätzlich, so Peischer, sei der Einsatz mobiler Luftreinigungsgeräte deshalb nicht nötig. Trotzdem sei der Landkreis bereit, solche anzuschaffen, sofern der Freistaat ausdrücklich bestätigt, dass bei einem Einsatz der Lüftungsgeräte nicht mehr in den Distanzunterricht gewechselt werden muss.

Heute schon sind laut Peischer 40 Prozent der Klassenräume an den Schulen, die vom Landkreis getragen werden, mit Luftfilteranlagen ausgestattet. Für die übrigen 60 Prozent gelte nun jene besondere Dringlichkeit der Anschaffung. Diese hängt allerdings an der Bestätigung des Freistaates, dass sie den Distanzunterricht ersetzen - und diese Zusicherung steht noch aus.

"Auch wenn die Geräte angeschafft werden, ich frage mich, wann die kommen sollen", sagt Carmen Mendez von dem privaten Gymnasium in Reichersbeuern. Sie fürchtet, dass es Lieferengpässe geben wird, wenn alle Schulen gleichzeitig ausgestattet werden müssen. "Wo sollen die Anlagen für die 40 000 Schulen, die es in Deutschland gibt, denn herkommen?", fragt sie. "Ich habe gar keine Hoffnung, dass das noch was wird." Doch eine Idee für den Winter habe auch sie noch nicht.

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SZ vom 30.07.2021
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