Sich der Hektik entziehen, einfach mal abhängen - oder wie es in Österreich heißt: ins Narrenkastl schauen. So lässt sich das Leben aushalten. Wenn dann noch ein fröhlicher Mix aus zusammengesuchten Möbeln, Deko und Büchern ein gemütliches Ambiente in einem ehemaligen Schafstall bestimmt, mag manch einer sich an die Villa Kunterbunt erinnert fühlen. So eine Insel inmitten des Alltagstrubels ist das Sommercafé auf dem Klostergut Schlehdorf. Die Genossenschaft bleibt ihrer Philosophie treu. Für die selbstgebackenen Kuchen werden Bio-Zutaten verwendet. Es gibt Kurkuma Latte - und wer keine Kuhmilch in seinen Kaffee möchte, kann zwischen Hafer- oder Sojamilch wählen.
Viele Monate ließ die Corona-Pandemie keinen Betrieb des kleinen Kaffeehauses zu. Obendrein waren Stühle und Tische wegen der Abstandsregelungen recht beengt im Hofladen untergestellt. Anfang Mai dieses Jahres schließlich wagte die Genossenschaft etwas Neues. Die Öffnungszeiten des Hofladens wurden nach Wegfall der Hygiene-Beschränkungen erweitert, damit einhergehend das Sortiment.
Und das Café sollte auch eine neue Heimstatt erhalten. Wie bei vielen ihrer Projekte lautete die Devise der Genossenschaft: Das soll wachsen, mal sehen, was daraus wird. "Wir wollten das Ganze entzerren", sagt Mark Rochlus, einer der Vorstände der Genossenschaft. So wurde der alte Schafstall kurzerhand zum Sommercafé. Etwa 40 Sitzplätze bietet es. Wer möchte, kann an einem der Tische auf der Wiese vor dem Stall Platz nehmen. Es ist also für Sonnenanbeter und Schattenliebhaber gleichermaßen gesorgt. Auch ein Regenschauer lässt sich unter dem alten Gebälk gut aushalten. Zumal in zwei Bücherschränken für Lesestoff zum Zeitvertreib gesorgt ist.
Das Mobiliar ist ein Sammelsurium unterschiedlicher Stile, was dem Hofcafé sein besonderes Flair verleiht. Manches war noch aus Zeiten der Missionsdominikanerinnen übrig, die das Gut - die ehemals zum Kloster Schlehdorf gehörige Landwirtschaft - der Genossenschaft verkauften, erzählt Sarah Hys. "Einen schönen alten Tisch haben wir einfach so geschenkt bekommen." Die Partnerin von Mark Rochlus ist sozusagen die Seele des Sommercafés. "Es sollte ein Raum für Menschen werden, in dem sie sich entspannen können", sagt die 31-Jährige, die in den nächsten Wochen Mutter wird. "Bei uns soll der Konsumdruck nicht so zu spüren sein wie in der Stadt." Hys hat Ernährungswissenschaften studiert. Dass Handwerk und Nahrung eine Verbindung eingingen, liege ihr am Herzen, sagt sie.
Die 31-Jährige aus Weiden in der Oberpfalz hat in diversen Gastrobetrieben und Cafés gearbeitet. Diese Erfahrung bringt sie nun beim Hofcafé ein. Die Kuchen werden auf dem Klostergut gebacken. Noch ist die Karte klein. Sie soll und kann nach Bedarf erweitert werden. Auch hier lautet die Devise: "Das muss wachsen", wie Rochlus wiederholt betont. Den Kaffee bezieht das Klostergut aus dem Nachbarlandkreis Weilheim-Schongau. In Weilheim röstet Martin Hülsmann die dunkelbraunen Bohnen und kreiert seine eigenen Spezialitäten- und Raritätenkaffees. Wer sich eine Tasse gönnt, bekommt nicht selten Besuch von den frei laufenden Hühnern am Hof.
Da Hys und Rochlus demnächst Eltern werden, übernehmen zwei Frauen für den Rest des Jahres das Café. Rahel von Hagenow wohnt auf dem Hof. Sie arbeitet mit Franziska Will zusammen, die in Benediktbeuern studiert und in Bad Heilbrunn lebt. "Franzi ist mal vorbeigekommen und hat sich bei uns auf dem Klostergut gleich wohlgefühlt", sagt Rochlus.
Noch bis Ende Oktober ist das Sommercafé im Schafstall geöffnet. Dann ziehen Tisch und Stühle wieder in den Hofladen um. Wobei so ein Wintercafé schon eine Überlegung wert wäre, meint Hys. Die Idee dazu schwirre schon in den Köpfen. "Das ist eine Zukunftsvision" ergänzt Rochlus. Konkret ist indes der Wunsch, eigens entworfene Tassen für das Café zu haben. Wie gut, dass es auf dem Klostergut Schlehdorf eine Töpferei gibt, wo die Idee umgesetzt wird.
An Projekten mangelt es im Übrigen nie an diesem Kreativort. Am 1. September ging der neue Wald- und Wiesenkindergarten in der Nähe des Karpfsees an den Start. Dort werden Mädchen und Buben im Alter von drei bis sechs Jahren betreut. Zwölf bis 15 Kinder seien es zunächst, später sollen es 18 sein, so Rochlus. Träger ist ein Verein, den die Genossenschaft zusammen mit Eltern gegründet hat.
Zudem hat das Klostergut etwa 46 Hektar rund um den Karpfsee von den Missionsdominikanerinnen erworben. Überwiegend handelt es sich um Grünland. Eine weitere, circa sieben Hektar große Fläche liegt östlich des Eichsees zwischen Schlehdorf und Großweil. Der Kaufpreis liegt bei knapp 3,3 Millionen Euro - teilweise finanziert durch Mitgliederbeiträge, die die Genossenschaft noch bis Ende Oktober einzuwerben plant.
Öffnungszeiten Sommercafé: Dienstag 14 bis 18 Uhr, Freitag 13 bis 18 Uhr, Samstag 10 bis 17 Uhr.
Öffnungszeiten Hofladen: Dienstag und Donnerstag 14 bis 18 Uhr, Freitag 8.30 bis 12.30 Uhr und 14 bis 18 Uhr, Samstag 10 bis 14 Uhr.