Schindelmoos am Blomberg:Wo sich der Wald verjüngt

Seit es weniger Wild gibt, wachsen im Schindelmoos mehr Laubbäume nach. Die Jäger sahen die erhöhte Abschussquote anfangs skeptisch.

Suse Bucher-Pinell

Die eisige Schneedecke kracht und ächzt unter dem schweren Schuhwerk. Josef Gut von der Jagdpachtgemeinschaft Oberfischbach und Jagdvorstand Franz Floßmann, der Vertreter der Waldbesitzer, haben vorsichtshalber Stöcke mitgenommen, um sicher durch das unwegsame Gelände am Blomberg gehen zu können. Hasen haben hier ihre Haken geschlagen und Spuren im Schnee hinterlassen, auch Rehwild war unterwegs.

Waldserie Blomberg

Josef Gut (von links), Franz Floßmann und Max Leutenbauer begutachten einen jungen Laubbaum, der nicht von Menschen gepflanzt wurde, sondern sich selbst ausgesamt hat.

(Foto: Manfred Neubauer)

Was die beiden Männer und Max Leutenbauer, den Blomberg-Förster, in den Bereich des Schindelmooses zieht, ist weniger das Wild. Sie steuern auf ein Grüppchen junger Fichten zu, zwischen denen zarte Zweige von Eschen, Erlen und Ahorn emporragen. Einen Schritt weiter wachsen Tannen, ein Stück bergab steht eine kleine Buche.

Es ist ein Paradebeispiel für einen gesunden Wald - eine Mischung verschiedener, für den Standort typischer Arten, hervorgegangen aus Sämlingen vorhandener Bäume und nicht von Menschenhand gepflanzt. Naturverjüngung nennt sich das, was am Blomberg vorbildlich gelingt und im Laufe von 20 Jahren zu einem willkommenen Waldumbau geführt hat. So beispielgebend, dass die Veränderung als Erfolgsprojekt für den "Alpinen Schutzwaldpreis 2010" nominiert wurde und damit international Beachtung fand.

Der Waldumbau am Blomberg ist ein Gemeinschaftsprojekt, das im Miteinander von Waldbesitzern, Jägern und Förster gelungen ist. Interessengruppen, die nicht selbstverständlich an einem Strang ziehen. Denn Waldbesitzer und Förster klagen oft über Schäden, die Wild anrichtet, wenn es an jungen Trieben knabbert. Jäger wollen andererseits ihren Wildbestand oft allzu sehr schützen. "Es war alles andere als einfach, sie zusammenzubringen", erinnert sich Förster Leutenbauer. Er hat es geschafft, den Prozess anzustoßen, bald nachdem er 1990 die Forstdienststelle Bad Tölz übernommen hatte. Jetzt spricht er von einer vorbildlichen Zusammenarbeit.

Damals sah es im Wald am Tölzer Hausberg, einem der beliebtesten Ausflugsberge im bayerischen Voralpenraum überhaupt, anders aus als heute: Sowohl auf Stadt- als auch auf Privatflächen standen zu viele alte Bäume und zu wenig junge. Dominierend war die Fichte, der "Brotbaum" der Holzwirtschaft, weil sie schnell wächst und Ertrag liefert. Ihr Holz lässt sich leicht verarbeiten. Als Flachwurzler aber fällt sie schnell einem Sturm zum Opfer, bei Trockenheit leidet sie und ist ein leichtes Opfer für den Borkenkäfer.

Diese Risiken können einen Fichtenforsts in Windeseile wertlos machen. "Fichten sind langfristig am teuersten, der wirtschaftlich interessantere Wald ist immer der Mischwald", sagt deshalb Förster Leutenbauer. Laubhölzer wie Eschen, Erlen oder Bergahorn gab es vor 20 Jahren am Blomberg nur vereinzelt. Zu allem Überfluss lebte auch noch zu viel Reh- und Rotwild im Revier, was am Verbiss festzumachen war. Damit nachwachsende Jungpflanzen überhaupt eine Chance hatten zu überleben, mussten die Areale vielfach eingezäunt oder die Stämmchen mit Teer geschützt werden.

Es lag auf der Hand: Die Jäger mussten mehr Tiere schießen. Davon waren sie zunächst nicht begeistert. "Sie wollten ihr Revier nicht leerschießen", zeigt Leutenbauer Verständnis. Stattdessen suchten sie in der zunehmenden Beunruhigung des Wilds durch immer mehr Erholungsuchende und Sportler die Schuld am hohen Verbiss.

Dennoch ließen sie sich überzeugen und erhöhten den Abschuss von damals 75 auf heute 106 Rehe pro Jahr, was umgerechnet auf 100 Hektar einer Quote von 7,2 entspricht. "Das ist ein Spitzenabschuss im ganzen Isarwinkel", sagt Jäger Gut mit Stolz in der Stimme. Seit Jahren können ihn die Jäger aufrecht erhalten.

Damit bleibt Verbiss zwar nicht gänzlich aus. Leutenbauer und seine Begleiter sind bei einer jungen Fichte angelangt. Der Förster bückt sich, kratzt mit der Hand den harten Schnee um das Stämmchen weg und nimmt einen der unteren Zweige zwischen die Finger. Der sieht aus, als sei ihm die Spitze abgeschnitten worden. "Das ist deutlich Verbiss." Und doch bereitet ihm der in diesem Fall wenig Sorge: Das Bäumchen hat die kritische Wachstumsphase überstanden, Leutenbauer schätzt es auf zwölf Jahre, die Verletzung sei jetzt nicht mehr existenzbedrohend.

Für die Jäger bedeutet der höhere Abschuss zusätzlichen Aufwand. "So ein hoher Abschuss artet in Arbeit aus", sagt Josef Gut. Um ein Reh zu erlegen, brauche man im Schnitt 25 Stunden. Dennoch ist er davon überzeugt, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist: "Die Jägerschaft akzeptiert den hohen Abschuss, weil er Erfolg zeigt", sagt er. Der Waldumbau am Blomberg ist gelungen. Was auch die Waldbesitzer zufriedenstellt. "Naturverjüngung ist die preiswerteste und beste Nachwuchsarbeit im Wald", sagt Franz Floßmann und blickt über das Schindelmoos: "Da ist nichts gepflanzt worden."

Wenn sich Bäume selbst ausäen, seien mühsame und teure Pflanzaktionen nicht mehr notwendig. Um sich ein Bild über den aktuellen Stand zu machen, treffen sich jedes Jahr Jäger, Waldbesitzer und Förster zum Rundgang. Denn zu tun gib es trotzdem genug. Damit die Sämlinge genug Licht haben um sich entfalten zu können, müssen die Bestände regelmäßig ausgedünnt werden. Zu Ende ist der Waldumbau deshalb nie. "Das bleibt eine Daueraufgabe", sagt Max Leutenbauer.

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