Süddeutsche Zeitung

Schafreuter:So wird das neue Gipfelkreuz gezimmert

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Tölzer Berufsschüler haben den Ersatz für das umgehackte Symbol fast fertiggestellt. Die Eichenbalken können 100 Jahre überdauern.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz/Lenggries

Wuchtig knallt der Hammer auf das Eichenholz. Ein Knirschen hallt durch die Werkstatt der Tölzer Berufsschule, als sich Quer- und Hauptbalken langsam ineinanderscheiben. Erneut schwingt der 17-jährige Andreas Hagn den Hammer hoch über seinen Kopf und schlägt kräftig zu: Jetzt sitzen die beiden Kerben von Haupt- und Querbalken perfekt ineinander und damit ist das Kreuz auch schon fast fertig. "Jetzt passt's", ruft einer der sieben Berufsschüler und fährt mit der Hand über die plane Fläche. Er und die anderen wirken erst einmal sichtlich zufrieden.

Die Berufsschüler für Zimmerei aus dem dritten Lehrjahr fertigen das neue Gipfelkreuz für den 2102 Meter hohen Schafreuter an. Am Montagvormittag haben sie den wichtigsten Teil ihrer Arbeit geschafft. Denn es ist entscheidend, dass sich die beiden Balken möglichst exakt ineinander fügen. So lässt sich verhindern, dass Wasser in die Fugen eindringen und das Holz später schädigen kann, wie Simon Abeltshauser erklärt. Außerdem schaue das Kreuz einfach schöner aus, wenn es passgenau gezimmert ist. Für den Berufsschüler ist es etwas Besonderes, am Gipfelkreuz mitarbeiten zu dürfen. Gehe er später einmal auf den Schafreuter, könne er seinen Freunden erzählen, dass er das Kreuz angefertigt habe. "Da bin ich schon stolz drauf."

Die Aufregung war groß, als ein Unbekannter vor einem Monat das seit 13 Jahren auf dem Schafreuter stehende Gipfelkreuz mit einer Axt so stark beschädigte, dass es entfernt werden musste. Dann stellten auch noch Mitglieder einer rechtsextremen Gruppierung ein windigen Ersatz auf. Jetzt lässt die Tölzer Sektion des Deutschen Alpenvereins (DAV) ein Gipfelkreuz anfertigen. Noch vor dem 9. Oktober soll es am Berg stehen. Denn an diesem Tag ist an der Tölzer Hütte am Schafreuter an der Grenze zwischen Bayern und Tirol die Bergmesse zum Saisonabschluss geplant.

Der Tölzer Hans Dostthaler vom Holzbauhändler Dostthaler & Waldhauser aus Valley las vom Kreuzfrevel am Berg. Spontan kontaktierte er die Tölzer Alpenvereinssektion und stiftete die beiden Holzbalken. Die massive Eiche stammt aus der Region um das Sägewerk Josef Pauls in Au bei Bad Feilnbach. Am Mittwoch vor knapp zwei Wochen kamen die beiden Balken an der Tölzer Berufsschule an. Die Bildungseinrichtung kooperiert schon länger mit der Tölzer Alpenvereinssektion. Deren Vorsitzender, Paul Schenk, holte den Stumpf des alten Kreuzes gemeinsam mit Hüttenwart Max Nichtl ins Tal, um die exakten Maße für den Ersatz zu bekommen.

Die Berufsschüler haben die beiden Kreuzbalken mit der Maschine bereits glatt gehobelt, so dass die Kanten im 90-Grad-Winkel zueinander stehen. Außerdem haben sie die Balken auf das späteren Maße des Kreuzes zugeschnitten - 5,06 Meter auf 2,80 Meter.

Am Montag greift der 17-jährige Sebastian Exinger zunächst zur tragbaren Kreissäge. Damit schneidet er auf einer Länge von 16 Zentimetern in kurzen Abständen jeweils acht Zentimeter tief in Haupt- und Querbalken. Abeltshauser schlägt mit Hammer und Stemmeisen die Holzsplitter aus heraus. Anschließend entfernen andere mit der Stoßaxt, einer Mischung aus Stemmeisen und Beil, die späteren Vertiefungen, an denen die Balken ineinandergefügt werden, von letzten Unebenheiten. Jetzt müssen die Berufsschüler noch Löcher zum Verankern in der Halterung und für die Eisenplatte bohren, mit der die beiden Balken sicher zusammengehalten werden. Dann runden sie die Kanten der Seitenflächen ab und verzieren sie mit Fasen. Mittwoch oder Donnerstag wollen sie fertig sein. Weiter verstärkt wird das Kreuz nicht, kann jedoch auch so bis zu 100 Jahre am Berg überdauern. Wie das Kreuz auf den Berg kommt, ist derweil noch zu klären, womöglich mit dem Lastenhubschrauber, mit der Materialseilbahn oder zu Fuß.

Laut Berufsschulleiter Josef Bichler sind derzeit 49 angehende Zimmerer im dritten Ausbildungsjahr. Es sei unproblematisch gewesen, die sieben Freiwilligen zum Anfertigen des neuen Kreuzes zu finden. Bichler kann kaum nachvollziehen, dass ein Unbekannter das alte Symbol beseitigen wollte. Für ihn sei das ein Zeichen der Intoleranz. Kreuze auf Berggipfeln existierten seit Jahrhunderten. "Sie sind ein Zeichen der Kultur und Gemeinschaft." Für Fachlehrer Anton Höhenbleikner ist das Projekt eine besondere Ehre. "Ein Gipfelkreuz werde ich wahrscheinlich nicht noch einmal machen."

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SZ vom 27.09.2016
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