Womöglich streift in der Region ein Wolf umher. In der Nacht auf Samstag hat jedenfalls ein Tier vier Schafe eines Hobby-Halters aus Sankt Heinrich (Gemeinde Münsing) gerissen. Der Besitzer entdeckte an den Kadavern Bisswunden. "Die Verletzungen könnten den Tieren von einem Wolf zugefügt worden sein", sagt der Raubtierexperte Ulrich Wotschikowsky, der die toten Tiere begutachtet hat. "Sie könnten aber auch von einem herumstreunenden Hund stammen." Dem Landesamts für Umwelt (LfU) zufolge wurden genetische Proben genommen, um den Verdacht abzuklären. Ergebnisse werden in rund zwei Wochen vorliegen.
Anzeichen für einen in der Region herumstreifenden Wolf mehren sich: Zu Jahresbeginn meldeten zwei junge Männer nachts zwischen Mooseurach und Beuerberg, nahe St. Heinrich ein Exemplar. Wiederholt hatten Wanderer südlich des Starnberger Sees angegeben, einen Wolf gesehen zu haben. Im Februar war ein Jäger an einem nahen Vorberg auf eine Spur gestoßen - nach Ansicht von Wotschikowsky stammt sie eindeutig von einem Wolf. Im März vor einem Jahr war ein Exemplar bei Starnberg in eine Fotofalle getappt.
Wotschikowsky, einer der renommiertesten Wolfsexperten Deutschlands, mahnt die Schafhalter in der Region zur Vorsicht. "Es ist sicher am besten, wenn sie ihre Tiere nachts in den Stall holen", sagt er. Sollten die Schafe trotzdem nachts auf der Weide bleiben müssen, sollten die Halter unbedingt Vorsorge treffen. "Am besten ist ein mindestens 120 Zentimeter hoher Zaun rund um die Weide", sagt Wotschikowsky. Sei der Zaun nur ein Meter hoch, könne oben ein Strom führendes Band aufgesetzt werden. Auch sogenannte Euronetze hätten sich bewährt. Die leichten, doch stabilen Maschenzäune aus Kunststoff und Edelstahldrähten seien ebenfalls elektrifizierbar.
Nach dem Vorfall in St. Heinrich ist die Schafhalterin Brigitte Huber aus Ammerland (Gemeinde Münsing) alarmiert. "Ich werde mir einen neuen elektrischen Zaun für meine Weide kaufen", sagt sie. Denn Wölfe könnten sich unter einem einfachen Drahtzaun durchgraben, der im unteren Bereich keinen Strom führe. Um ihre 18 Mutterschafe und 16 Lämmer ist sie besorgt. "Ich schaue derzeit zweimal täglich nach meinen Tieren", sagt sie. Mit dem Auftauchen eines Wolfs rechne sie seit mehreren Jahren. Denn immer wieder sei von Sichtungen zu hören.
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Ein Tier soll bei Beuerberg gesichtet worden sein. Jäger und Naturschützer wundert das nicht: Auch sie haben bereits Exemplare und Spuren entdeckt, wollten die Bevölkerung aber nicht verunsichern.
Ludwig Bauer, Vorsitzender der Schafhaltervereinigung im Landkreis zeigt sich ebenfalls beunruhigt. Hier gebe es zwar noch keinen konkreten Nachweis für einen Wolf. Doch auf Versammlungen der Tierhalter etwa im Nachbarlandkreis Miesbach würden regelmäßig Fotos von Wölfen herumgereicht. "Das Problem wird totgeschwiegen und unter den Tisch gekehrt", sagt Bauer. Er sieht die Wölfe als Gefahr für die Schafhalter in der dicht besiedelten Region, wenn noch nicht jetzt, dann später. Die Tiere stünden unter Naturschutz, ihre Ausbreitung sei nicht aufzuhalten. Seiner Kenntnis nach gebe es in Bayern zwei Wolfs-Pärchen, daraus würden sich schnell Rudel entwickeln.
Als René Gomringer, Geschäftsführer vom bayerischen Schafhalterverband, von der Attacke in St. Heinrich erfuhr, verschickte er sofort eine Warn-Mail an alle seine Kollegen. "Wenn auch noch nicht klar ist, ob es wirklich ein Wolf ist, so ist doch offensichtlich ein Tier unterwegs, das Schafe reißt", sagt er. Mit dem Auftauchen von Wölfen rechne er seit zehn Jahren. Das wichtigste Element zum Schutz sei ein Zaun. Zusätzlich biete sich ein Hütehund an. Doch das sei teuer. Ein erfahrenes und ein junges Tier kosteten zusammen um die 5000 Euro. Wenn wirklich ein Wolf die Schafe in St. Heinrich attackiert habe, könne der aber auch aus einem großen Umkreis stammen, sagt Gomringer: "Ein Tier läuft 50 bis 70 Kilometer in einer Nacht."