Süddeutsche Zeitung

Schäftlarn:Luise und der Teufelspakt

Die Theatergruppe des Schäftlarner Gymnasiums zeigt Ödön von Horváths "Himmelwärts" - ein Stück mit durchaus zeitgenössischen Parallelen.

Von Sabine Näher, Schäftlarn

Oben ist der Himmel, unten die Hölle, dazwischen die Erde. Nach oben, wo Petrus am Eingang der Himmelstür auf einer Art umlaufenden Balkon Zeitung lesend Wache hält, gelangt man über die bekannte Himmelsleiter. Nach unten steigt man über Falltüren hinab, die Höllenbewohner klettern daraus empor. Die Lichtregie tut das ihre dazu: Blau leuchtet der Himmel, feuerrot flackert die Hölle; die Erde hat neutrales Licht.

Faust trifft auf "Germany's Next Topmodel"

In diesem klar strukturierten Bühnenbild hat die Theatergruppe des Schäftlarner Gymnasiums, die aus Schülern der Oberstufe besteht, ihre diesjährige Produktion, Ödön von Horváths Stück "Himmelwärts", angesiedelt. Der 1901 in Österreich-Ungarn geborene Diplomatensohn verbrachte Kindheit und Jugend in Belgrad, Budapest, Pressburg, München und Wien, ehe er 1919 ein Studium in München begann. Zeitgleich erschienen die ersten Arbeiten des jungen Schriftstellers, der seine freie Zeit gerne bei den Eltern in Murnau verbrachte. In seinen viel aufgeführten Theaterstücken zeigt Horváth am Beispiel von bewegenden Einzelschicksalen, woran die Zeit krankt. Er ist ein beredter Anwalt des oft in ärmlichen Verhältnissen lebenden Kleinbürgertums. Und er wählt immer wieder junge Frauen als Protagonistinnen, die darum kämpfen, die Fesseln ihrer trostlosen Existenz abzustreifen.

So auch in "Himmelwärts": Luise ist Sängerin mit Leib und Seele. Letztere verkauft sie an den Teufel, um ihre Karriere zu sichern, nachdem sie 17 Wochen lang vergeblich vor der Bühnentüre des Theaters ausgeharrt hatte, um einen Vorsingtermin beim Intendanten zu bekommen.

Dieser verdankt seine Position ebenfalls einem unterirdischen Kontrakt - und rettet seine Haut, indem er nun Luise dem Teufel ausliefert. Das Stück wurde 1937 uraufgeführt, also ein Jahr vor Horváths frühem, tragischen Tod in Paris, aber die Themen sind erstaunlich aktuell. Man denkt unwillkürlich an "Germany's Next Topmodel". Zugleich natürlich an den Faustischen Teufelspakt, doch anders als Goethe stellt Horváth eben die Verzweiflungstat einer Frau in den Mittelpunkt. Und er lässt es gut ausgehen: Der Teufel zerreißt den Kontrakt, Luise verliert ihre Stimme, doch sie findet ein privates Glück mit dem früheren Hilfsregisseur Lauterbach, der seine Jahre im Fegefeuer bereits abgebüßt hat und sich nun vor dem Einzug in den Himmel erneut auf der Erde bewähren muss.

Pralle farbige Bilder und ein herrlich durchgeknallter Teufel

Das alles setzt die Schäftlarner Truppe in pralle, farbige Theaterbilder um. Eindeutiger Liebling des Publikums in der voll besetzen Schulaula ist Elias Emmert als Teufel: herrlich schräg und durchgeknallt. Lara Lorenzl gelingen als Luise sehr intensive Momente. Ruven Bircks vollzieht als Lauterbach eine beeindruckende Verwandlung. Leopold Barth gibt den Intendanten als arroganten, karrieregeilen Schnösel. Lea Schmid-Burgk ist die leicht nervige Übermama, die auch vom Himmel herab um das Wohl und Wehe der Tochter Luise besorgt ist. Johann Erhardt stattet den Bühnenportier mit stoischer Gelassenheit und blindem Gehorsam gegenüber der Obrigkeit aus. Und Jakob Teterycz ist als Vizeteufel das wichtige komische Element, das verlässliche Lacher produziert.

Insgesamt sind 24 Rollen besetzt. Hinter den Kulissen kümmern sich weitere 22 Beteiligte um den reibungslosen Ablauf (Regie: Herbert Schmid, Daniel Ahrndsen). Für das leibliche Wohl der Besucher ist der mit zehn Leuten besetzte und bestens aufgelegte Ausschank zuständig. Mit Plakat- und Programmgestaltung sowie Website und Social Media waren weitere acht Gymnasiasten beschäftigt. Eine echte Gemeinschaftsleistung also. Erwähnenswert noch die hervorragende Maske, die aus den jungen Gesichtern vom Leben gezeichnete macht, so dass Victoria Fladner und Marie-Luise März als unermüdliche Autogrammjägerinnen locker als 91-Jährige durchgehen, die Petrus (über den Dingen schwebend: Simon Ahrndsen) mit einem betonten "Endlich!" empfängt. Zum Schluss gibt es jubelnden Beifall: vom Publikum für die Theatergruppe und von dieser für Herbert Schmid, dem die Gesamtleitung obliegt. Aber ein Rätsel bleibt: Warum sieht Petrus aus wie Joschka Fischer?

Weitere Aufführungen: Montag, 7. März, Mittwoch, 9. März, Freitag, 11. März, jeweils um 19.30 Uhr in der Aula des Schäftlarner Gymnasiums. Der Eintritt ist frei.

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SZ vom 07.03.2016/aip
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