Trends:Die etwas anderen Braumeister

Trends: Auf dem Weg zum Endprodukt haben Sophia und Andreas Reiser auch einige Geschmackskatastrophen erlebt. Heute besteht ihr Kombucha nicht nur die Geruchsprobe, er steht sogar schon in mehr als 100 Bio-Läden.

Auf dem Weg zum Endprodukt haben Sophia und Andreas Reiser auch einige Geschmackskatastrophen erlebt. Heute besteht ihr Kombucha nicht nur die Geruchsprobe, er steht sogar schon in mehr als 100 Bio-Läden.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Sophia und Andreas Reiser stellen in einer alten Metzgerei in Hohenschäftlarn das asiatische Teegetränk Kombucha her. Dabei experimentieren sie mit besonderen Geschmacksnoten. Das hat sich in Bayern vorher noch keiner getraut

Von Marie Heßlinger

Andreas Reiser erinnert sich noch genau an den Moment, als er klatschnass im weißen Hemd in der Garage stand: "Was machst du hier für einen Schwachsinn?", fragte er sich selbst. 30 Liter fermentierter Tee waren beim Aufschrauben des Fasses an die Decke geschossen. Das Ziel, eigenen bayerischen und biologischen Kombucha zu verkaufen, schien weit entfernt. Keine drei Jahre später allerdings hat es doch geklappt: Der 41-Jährige hat zusammen mit seiner Frau Sophia eine Kombucha-Brauerei in Schäftlarn aufgemacht.

Wo vor einigen Monaten noch Landschinken und Leberkäs über den Tresen der Metzgerei im Unterdorf in Hohenschäftlarn gingen, wird nach Jahrhunderte alter, asiatischer Tradition nun also ein veganes Getränk hergestellt. In einer unscheinbaren Hofeinfahrt versteckt sich das Start-Up Kombuco Fizz. "Es roch hier drin nach Wurst", sagt Andreas Reiser, der aussieht wie Hugh Grant in Lederhosen, als er im Eingang des Betriebs steht. Die erste Herausforderung in Hohenschäftlarn habe somit darin bestanden, den Laden so lange zu putzen, bis er nicht mehr roch. Denn: "Fermentation ist etwas echt Komplexes."

Kombucha ist ein Getränk aus fermentiertem Tee. Im Produktionsraum der Manufaktur in Schäftlarn riecht es deshalb leicht säuerlich, wie Essig. Zwischen Kachelwänden, Getränkekisten und einer Abfüllmaschine steht ein großer Tank, mit einem Tuch bedeckt. 500 Liter Grüntee, Schwarztee und Jasmintee gären für zwei Wochen darin, eine Hefe- und Bakterienkultur zersetzt den beigefügten Zucker. Anschließend wird das Gebräu mit einem Deckel fest verschlossen. Kohlensäure entsteht auf diesem Weg. "Kombucha ist von Natur aus ein bisschen sprudelig", sagt Sophia Reiser, eine blonde Frau in einem blauen Punktekleid und mit einem Apfel in der Hand. Die 42-Jährige ist gerade aus dem Kühlraum getreten - dort, wo dem Kombucha seine Geschmacksessenzen beigemischt werden.

Ingwer-Zitrone ist das beliebteste Kombuco-Fizz-Getränk. Dabei gibt es auch Geschmackssorten wie Minze oder Hanf, wie Orange-Zimt für den Winter oder Grapefruit-Basilikum für den Sommer. Es gibt Kombucha pur - der ein wenig nach Apfelmost mit Essig, Honig und Traubenzucker schmeckt - oder Kombucha ohne Zucker. In einer Münchner Szenebar gibt es Kombuco-Fizz-Minze bereits mit Beerensorbet, Tee und Pomelo. Außerhalb Berlins ist Kombuco Fizz das erste Unternehmen, das Kombucha mit Lebendkulturen verkauft. Bis das Paar aus München an diesem Punkt angekommen war, musste es sich in den vergangenen drei Jahren allerdings einigen Tee-Explosionen und Geschmackskatastrophen stellen.

Trends: Ihren Kombuco-Fizz stellen die Reisers in einer ehemaligen Metzgerei in Hohenschäftlarn her.

Ihren Kombuco-Fizz stellen die Reisers in einer ehemaligen Metzgerei in Hohenschäftlarn her.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Im Sommer 2017, Andreas und Sophia Reiser waren gerade im Urlaub in Portugal und ihr erster Sohn ein Jahr alt, beschlossen sie: "Lass uns zusammen etwas Eigenes machen", erinnert Andreas Reiser sich, "dann können wir unsere Werte umsetzen." Ihr eigenes Produkt sollte etwas Regionales, Biologisches und Gesundes werden. Er, Ingenieur, und sie, Wirtschafts- und Ernährungswissenschaftlerin, arbeiteten zu diesem Zeitpunkt in einem Lebensmittelgroßhandel.

Einige Wochen später stieß Sophia Reiser auf ein Buch über lebendigen Tee. Und ihr Mann erinnerte sich an den Kombucha seiner Großmutter. "Das war dieser greisliche Pilz, der da oben stand, der immer etwas zu sauer war oder zu süß, und den wir Kinder trinken mussten, weil es so gesund ist", sagt er und lacht.

Ein Blick nach Amerika aber zeigte: Der greislich-gesunde Pilz, der eigentlich gar keiner ist, sondern nur Pilz heißt, weil die aufschwimmende Zellulose aussieht wie einer, war in Amerika schwer im Kommen. Andreas und Sophia Reiser setzten darauf, dass der Trend bald nach Europa schwappen würde. In England gab es erste Anzeichen dafür.

In den darauffolgenden Monaten war sich das Paar für kein Experiment zu schade. "Uns sind ein paar Flachen hochgegangen", sagt Sophia Reiser. "Quer durchs Wohnzimmer", ergänzt ihr Mann Andreas. "Wir haben viel geputzt", sagt sie. "Und viel gestrichen", sagt er. Die beiden erinnern sich an einen Moment, als eine Ladung Kombucha, die sie an einen ihrer ersten Kunden verkaufen wollten, plötzlich zu einer "milchigen Plörre" wurde. 200 Liter. "Das war alles, was wir damals hatten", sagt Sophia Reiser, "wir mussten alles wegkippen."

Aufgeben war für das Paar dennoch keine Option. "Jeder Fehler ist eine Chance", sagt Andreas Reiser. Außerdem bekamen seine Frau und er Unterstützung durch mehrere Start-up-Förderprogramme - unter anderem drei Studierende der Hochschule Weihenstephan befassten sich in ihren Abschlussarbeiten mit Kombucha und dessen Vermarktung. Das Paar stand derweil im Keller der Hochschule und erprobte Geschmacksrichtungen. "Gurke", sagt Sophie Reiser, "hat wie saures Gurkenwasser geschmeckt." Auch Kaffee-Kombucha hielt sie für eine Marktlücke. "Wir wissen jetzt, warum es eine Marktlücke ist." Erst im Herbst 2019 kam schließlich der Schlüsselmoment.

Andreas Reiser stand im Keller. Vor sich drei Fässer Kombucha: Ingwer-Zitrone, Minze und pur. Er probierte aus jedem einzelnen. Und: Alles schmeckte. "Das war ein wahnsinnig schöner Augenblick", sagt Reiser. "Da war ich direkt gerührt."

Ein halbes Jahr später packte das Paar seine Wohnzimmereinrichtung zusammen und fuhr auf die Bio-Fachmesse in Nürnberg. "Wir haben jeden Cent zusammengekratzt, um diesen Stand zu bezahlen", sagt Sophia Reiser. Einer der beiden kümmert sich um die nunmehr zwei Kinder, der andere versuchte, Kunden anzusprechen. Ein hilfsbereiter Start-up-Unternehmer vom Nachbarstand griff ihnen unter die Arme und schleppte Einkäufer an. Danach passierte: nichts. "Wir waren kurz davor zu sagen: Wir schmeißen alles hin", sag Sophia Reiser. Zwei Wochen später kam endlich der Anruf einer Münchner Biomarktkette. Heute gibt es Reisers Kombucha in mehr als 100 Bio-Läden in Bayern. Im Web-Shop verkauft das Paar Kombucha-Flatrates.

Ihr Ziel, ein gesundes Produkt herzustellen, haben Sophia und Andreas Reiser damit erreicht: Weil sie den Kombucha nicht erhitzen, enthält er Vitamine und präbiotische Bakterien. Seine Zutaten sind biologisch und kommen zu großen Teilen aus Bayern: So verwendet das Start-Up etwa keinen Rohrohrzucker, sondern regionale Zuckerrüben. Bloß ein Ziel haben Sophia und Andreas Reiser noch nicht erreicht: Zwar trage ihr Start-up sich finanziell mittlerweile selbst, und zu Kombuco Fizz zählen bereits zwei weitere Mitarbeiter und ein Azubi, doch sich selbst kann das Paar noch kein Gehalt auszahlen.

Die beiden hält das nicht davon ab, ihren Weg weiterzugehen. Erst vergangene Woche hätten sie spontan vor Freude in der Küche getanzt, sagt Andreas Reiser. "Die Kinder haben gedacht: Jetzt sind sie wieder total bekloppt." Ein Online-Versandhändler hatte Kombuco Fizz in sein Angebot aufgenommen.

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