Süddeutsche Zeitung

Schultheater in Schäftlarn:Göttinnen in Wanderstiefeln

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Die Theatergruppe des Gymnasiums Schäftlarn bringt unter der Leitung von Ulrich Heiß den Brecht-Klassiker "Der gute Mensch von Sezuan" auf die Bühne. Das Ergebnis überzeugt.

Von Susanne Hauck, Schäftlarn

Am Gymnasium Schäftlarn gibt es eine herausragende Theaterarbeit. Das haben Schüler und Schülerinnen ein weiteres Mal unter Beweis gestellt: Mit Bertolt Brechts "Der gute Mensch von Sezuan" legten sie am Freitag eine mitreißende Premiere hin. Damit beginnt auch eine neue Ära. Zehn Jahre lang hatte Kunstlehrer Herbert Schmid die Theatergruppe der Ober- und Mittelstufe federführend begleitet, nun ist er in die zweite Reihe zurückgetreten und hat die Gesamtleitung an Ulrich Heiß weitergegeben.

Für den Deutschlehrer gibt es viele Gründe, die für die Stückauswahl sprechen. Die Zeit sei nach 20 Jahren überreif dafür gewesen, mal wieder Brecht zu spielen, sagt er. Für seine erste Regiearbeit habe er außerdem auf einen seiner Lieblingsautoren bauen wollen. Zudem biete "Der gute Mensch von Sezuan" im Gegensatz zu vielen anderen Dramen genügend starke Frauenrollen für die vielen Mädchen in der Theatergruppe.

Das Stück ist mittlerweile achtzig Jahre alt. "Aber die Thematik ist immer noch von drängender Aktualität", sagt Heiß im Hinblick auf die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich. Er musste die Mammutaufgabe der Inszenierung nicht allein stemmen. In Schäftlarn gibt es die schöne Tradition, dass für die jährliche Aufführung viele Ehemalige an die Schule zurückkehren, um das Ensemble zu unterstützen. Der Teamspirit ist sicher ein Grund dafür, warum die Theaterarbeit so kontinuierlich funktioniert.

Das epische Theater ist Pflichtstoff in der Oberstufe, und so ist die Erfahrung auf der Bühne eine reizvolle Ergänzung, zumal die Schüleraufführung Brechts Intention besser rüberbringt als so manch eine verrätselte Darbietung in den großen Theatern. Die Grundfrage des Stücks lautet: Kann man ein guter Mensch sein und gleichzeitig ein menschenwürdiges Dasein führen?

Exerziert wird das an der Prostituierten Shen Te, die für ihre Barmherzigkeit von den Göttern mit Geld belohnt wird. Sie kauft sich davon einen Tabakladen und sieht sich im Nu konfrontiert mit Nassauern und Raffzähnen, die sie schamlos ausbeuten wollen. Um sich zu wehren, erfindet sie in ihrer Not ein Alter Ego in Form eines gnadenlos durchgreifenden Vetters.

Ihren früheren Beruf als Prostituierte merkt man der kreuzbraven Shen Te freilich nicht an, viele Freier hätte sie mit ihren pastelligen Omarüschenfummeln und ausgetretenen Gesundheitsstiefeln wohl nicht an Land gezogen. Als bewusst naiver Engel der Armen meistert die blond gelockte Pauline Lehmann die Titelrolle sehr überzeugend. Als reizvolle Gegenfigur angelegt ist der kaltschnäuzige Vetter Shui Ta, der in weißem Anzug mit Ballonmütze auftritt. Emma Bunge spielt ihn mit kaum zu überbietendem Charisma und entledigt sich mit souveränem Selbstbewusstsein all der Schmarotzer um Shen Te.

Die Lichtregie ist bei diesen beiden Figuren besonders geglückt. Befindet sich die gutherzige Shen Te auf der Bühne, ist sie in warmen Schein gehüllt, der rücksichtslose Shui Ta hingegen wird von gleißend kalten Leuchten angestrahlt. Viele weitere begabte junge Leute gibt es unter den 20 Schauspielern. Exemplarisch seien aufgezählt: Elias Lorenzl als Wasserverkäufer Wang, Daniel Sloboshanin mit - dank reichlich Kajal - umflortem Blick als treuloser Hallodri Yang Sun oder Lara Riedel als Witwe Shin.

Effektvoll kostümiert und in Szene gesetzt sind die drei Götter (Fine Schenk, Lina Kandziora, Anna-Maria Schywalski) mit ihren schweren Wanderstiefeln und übermannshohem Wanderstab - passende Begleiter für ihre rastlose Odyssee auf der Erde, um den guten Menschen zu suchen. Das Ende des Dramas ist offen, Brecht lässt es mit einem Nachwort ausklingen. Diesen Part übernimmt - mit Papptafel "Epilog" auf den Rücken geschnallt - unter großem Jubel der Lehrer Alwin Sauer.

Auch die Kulisse gefällt. Brecht-getreu gibt es ein sparsames Bühnenbild, um das "Theater im Theater" sichtbar zu machen, da knallen bei der Hochzeitsszene die roten Lampions wie im China-Restaurant umso mehr rein. Um langwierige Umbauten zu ersparen, fertigten die Bühnenbauer ein Podest an, das schnell wandelbar ist und aus dessen Unterboden zudem bei Bedarf Nebelschwaden herauswabern dürfen. Im Hintergrund unterstreicht schwarze Malerfolie das Provisorische des Bühnenbaus. Viele Szenenwechsel machen das Stück dynamisch. Der enthusiastische Schlussapplaus feiert zu Recht das Gemeinschaftswerk der Schäftlarner Theatergruppe.

Weitere Aufführungen am 13., 15. und 17. März, Beginn 19 Uhr, Eintritt frei.

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