Süddeutsche Zeitung

Dritte-Welt-Projekt:Grüne Dörfer in einem geschundenen Land

Die Wasserstiftung Ebenhausen organisiert zusammen mit der katholischen Kirche ein Projekt in Eritrea, das Frauen helfen soll, Bäume und Gemüse im eigenen Garten zu pflanzen. Damit können sie ihre Familien ernähren und einen Beitrag zur Wiederaufforstung leisten

Von Ingrid Hügenell, Schäftlarn

Wenn man in den Nachrichten etwas von Eritrea hört, ist es meist etwas Schlechtes. Viele junge Leute flüchten aus dem Land am Horn von Afrika, das zu den ärmsten der Welt zählt und unter einer Militärdiktatur leidet. Die Wasserstiftung, die ihren Sitz in Ebenhausen hat, lud kürzlich zu einem Pressegespräch ein, um Positives aus Eritrea zu berichten. Zu Gast war Abba Uqbagaber, Generalsekretär der katholischen Diözese Keren, die im Nordwesten Eritreas in der Region Anseba auf einer Höhe zwischen 1200 bis 1600 Metern über dem Meer liegt.

Als eine von ganz wenigen ausländischen Hilfsorganisationen engagiert sich die Wasserstiftung noch in dem Land. Sie arbeitet dabei eng mit der katholischen Kirche zusammen. "Wir haben sie als sehr zuverlässigen Partner kennengelernt", sagt Ernst Frost, Vorstandsvorsitzender der Wasserstiftung. Gemeinsam entwickeln sie Projekte für die Bevölkerung auf dem Land, von denen alle Menschen der Region profitieren sollen, Christen der verschiedenen Konfessionen ebenso wie Muslime.

Für ein neues Projekt hatte Frost vor etwa einem Jahr die Idee, und Abba Uqbagaber hat es ausgearbeitet. Das Generalsekretariat der Diözese Keren organisiert das Vorhaben, das sich an die Frauen richtet: Sie sollen in ihren Gärten Bäume und Gemüse pflanzen. Es gibt in Eritrea viele weibliche Haushaltsvorstände, weil die Männer zum Militär eingezogen wurden, im Krieg gestorben sind oder ihre Familien verlassen haben. Das neue Projekt modifiziert ein früheres der Wasserstiftung, die mit Eseln half, das Leben der Frauen zu verbessern. Sie bekamen die Tiere, um leichter Wasser aus oft weit entfernten Flüssen oder von anderen Wasserstellen holen zu können - traditionell eine Aufgabe der Frauen und Mädchen. Zunächst bekamen sie die Esel geschenkt, die auch Brennholz transportieren können. Nun müssen sie für die Hälfte des Werts ein zinsloses Darlehen aufnehmen und dieses binnen drei Jahren zurückzahlen. Für die andere Hälfte verpflichten sie sich, sechs Jahre lang eine festgelegte Anzahl von Bäumen zu pflanzen und einen Gemüsegarten anlegen.

Die Frauen können dann ihre Familien ernähren und überschüssige Früchte und Gemüse verkaufen. Die Setzlinge, Gartengeräte und Gießkannen bekommen sie von der Diözese Keren gestellt, die Wasserstiftung hilft bei der Finanzierung. Einheimische Freiwillige erklären den Frauen, wie man die Bäume pflanzt und pflegt. Dass die Esel nun etwas kosten, erhöhe zudem ihre Wertschätzung, sagt Frost. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung habe für das Projekt, das heuer im April begonnen hat, 300 000 Euro in Aussicht gestellt.

Häufig pflanzen die Menschen zum Beispiel Moringa-Bäume, die sehr schnell wachsen: Bis zu fünf Meter pro Jahr, wenn sie genug Wasser bekommen, wie Abba Uqbergaber weiß. Ihre Blätter gelten als äußerst gesund und nahrhaft. Auch Mango- und Papayabäume, Guaven, Bananenstauden, Salat und Gemüse werden angebaut. Wie Uqbagaber erklärt, haben die Menschen oft nicht nur zu wenig zu essen, sie sind zudem häufig mangelernährt, es fehlen Ballaststoffe, Mineralstoffe und Vitamine. Die Menschen sollen auch wieder lernen, welche Pflanzen gegen Krankheiten wie Malaria und Durchfall helfen - traditionelles Wissen, das in der Kolonialzeit verloren ging.

Das Projekt mit den Frauen ist Teil einer größeren Idee der Wasserstiftung, die der "Green Villages", der Grünen Dörfer. Nicht nur die privaten Gärten, auch die öffentlichen Bereiche der Dörfer sollen erblühen. So sollen grüne Inseln in dem trockenen und heißen Land entstehen. Frost schwebt vor, die Grünen Dörfer zudem durch grüne Wege zu vernetzen. Dann hätten die Kinder auf dem Weg zur Schule und auch die Erwachsenen etwas Schatten, sagt Frost. "Das merken Sie sofort, wenn Bäume wachsen, das Klima ist angenehmer, kühler, feuchter." Nicht nur die Menschen profitierten, davon sondern beispielsweise auch Insekten und Vögel.

Nachhaltig

Die Wasserstiftung existiert seit 2000. "Die Gründung der Stiftung ist eine Antwort auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Wir wissen, dass Wasser immer knapper wird", heißt es auf der Homepage der Wasserstiftung. Die Stiftung mit Sitz im Schäftlarner Ortsteil Ebenhausen arbeitet daran, Nachhaltigkeit mit einfachen Mitteln möglich zu machen, und setzt auf Hilfe zur Selbsthilfe. Im Durchschnitt gibt die Stiftung 200 000 Euro pro Jahr aus, vor allem aus Spendengeldern und Mitteln des Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Schon seit 2002 engagiert sich die Stiftung auch in Eritrea, und tut das immer noch, trotz der schwierigen politischen Lage. "Wir blenden das Politische bewusst aus. Uns interessieren nur die Menschen", sagt Ernst Frost, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung. Beispielsweise die Dorf Dekitsunay. Dort wurde im Mai 2012 Wasserversorgungsanlagen an die Bevölkerung übergeben. Wasser aus einem Brunnen im Tal wird in die zwei Kilometer entfernte Ortschaft gepumpt. Die Energie liefert eine Solar-Pumpstation mit 120 Paneelen - es ist die größte Anlage dieser Art in Eritrea. Die Projekte werden mit eritreischen Partnern realisiert, etwa mit der katholischen Diözese Keren, die auch Schulen, Kindergärten und Kliniken betreibt. Aber auch mit Ordensschwestern kooperiert die Stiftung. Frost hält es für ausschlaggebend, dass nicht fremde Weiße ins Land kommen, um den Einheimischen zu erklären, wie man "es richtig macht", sondern dass einheimische Fachleute die Projekte vor Ort über lange Zeit begleiten. Das garantiere die Nachhaltigkeit, und die Hilfe wirke nicht wie ein Almosen.

In Deutschland unterstützt die in Königsdorf lebende Eritreerin Senait Michiel die Wasserstiftung, und sie ist es auch, die meist dort hin fährt, wenn es gilt, ein neues Projekt zu eröffnen. "Ohne sie würde gar nichts laufen", sagt Frost. Das Nachbarland Äthiopien bildet den zweiten Schwerpunkt der Arbeit der Wasserstiftung. Auch dort werden zum Beispiel Esel gesponsert. In Ghana will die Stiftung das Projekt "Wasserschule" zum Laufen bringen. In Marokko arbeitet die Stiftung an der Weiterentwicklung von Fog-Harvester. Das sind große Netze, mit denen man aus Nebel Trinkwasser gewinnen kann.ihr

Spendenkonto der Wasserstiftung: Raiffeisenbank Isar-Loisachtal, IBAN: DE 58 701 695 430 000 453 838; BIC: GENOD EF 1H HS

Zudem entstehen in Eritrea immer mehr sogenannte "Green Clubs", in denen Schulkinder lernen, nachhaltig mit Wasser umzugehen. Sie legen Gärten an und bewirtschaften sie, lernen, wie Kompost entsteht, wie man Setzlinge aufzieht und pflegt. Diese Setzlinge wiederum können die Frauen erhalten, um sie in ihre Gärten zu pflanzen.

Die Green Clubs wurden vom eritreischen Landwirtschaftsministerium ins Leben gerufen, die Stiftung unterstützt sie mit Gartengeräten, Fahrrädern und Solarlampen, die auch mit Spenden aus Deutschland finanziert werden. Die Lehrer und die freiwilligen Helfer erhalten die Lampen als Motivation, wie Frost erklärt. Sie erleichtern das Leben in den Dörfern, in denen es keinen Strom gibt. So können die Kinder am Abend noch Hausaufgaben machen. Denn in Eritrea wird es schon um 19 Uhr dunkel.

Auch für die Begrünung des öffentlichen Raums braucht die Wasserstiftung die Unterstützung der staatlichen Stellen. Die Kirche dürfe nur in den privaten Gärten tätig werden, erklärt Frost. Die Zusammenarbeit klappe aber gut. Er kennt den Landwirtschaftsminister persönlich, hält ihn für glaubwürdig und sehr interessiert an der Aufforstung des Landes. Denn jeder Baum, der gepflanzt wird und wächst, hilft mit, Wasser zu speichern, hält die kostbare Erde fest und kühlt zugleich die Luft. Einst waren 30 Prozent Eritreas bewaldet. Heute sind es nur noch unter fünf Prozent. Die italienischen Kolonialherren fällten viele Bäume, der lange Krieg und Bürgerkrieg taten ein Übriges. Das Holz aber benötigt die Bevölkerung auch zum Kochen.

In der Region Anseba regnet es häufiger als im sehr heißen Tiefland. Doch der Regen fällt meist überraschend und als Starkregen, der kurzfristig alles überschwemmt und dann versickert. "Das Wasser gilt es aufzuhalten", erklärt Frost. Das gelingt durch den Bau sogenannter Mikrodämme, gut mannshoher Steinwälle, die das kostbare Wasser stauen. Dann kann es ins Grundwasser sickern oder zur Bewässerung genutzt werden.

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Quelle:
SZ vom 08.12.2014
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