Schäftlarn:Blick durchs digitale Fenster

Armut, Menschenhandel, Prostitution: Schüler des Schäftlarner Gymnasiums lernen durch das Theater- und Wissensspiel "Missio for Life" die unerbittliche Realität kennen, die in fernen Ländern herrscht.

Von Benjamin Engel, Schäftlarn

Isabella und ihre Freundinnen stehen vor einer nachgebauten Küchenzeile. Mit Hilfe eines Tablets scannen sie die nachmodellierten Zutaten für ein indisches Lammcurry. Damit tauchen sie sofort in die Lebensgeschichte der Inderin Renu ein. Die junge Frau wurde, ohne davon zu wissen, verheiratet, weil ihre Familie eine hohe Mitgift kassieren wollte. In der Küche schleudert ihr die Schwiegermutter eine mit Kerosin gefüllte Flasche entgegen. Die Schüler der Klasse 8 c am Schäftlarner Gymnasium verfolgen diesen versuchten Mitgiftmord auf ihrem Tablet in einer animierten Spielszene mit.

Die Schüler spielen "Missio for Life". Am Freitag überraschte Monsignore Wolfgang Huber, Präsident des katholischen Hilfswerks Missio München, die Jugendlichen mit einem Gutschein für einen Theaterworkshop. Denn unter den Schäftlarner Achtklässlern fand sich der 10 000. Schüler, der das sogenannte Serious Game gespielt hatte. Darunter versteht man ein digitales Spiel, das Unterhaltung mit Bildung kombiniert. Der Schäftlarner Abt Petrus und Schulleiter Wolfgang Sagmeister waren auch zugegen. Das katholische Hilfswerk hat "Missio for Life" entwickelt, um in weiterführenden Schulen Themen wie arrangierte Ehen, Menschenhandel und Prostitution aus Armut näherzubringen. Dafür stehen die Schicksale des Filipino Paulo, der auf einer Müllkippe lebt, von Renu und der zur Zwangsprostitution gezwungenen Filipina Mercedes. Im Theaterworkshop können die Achtklässler diese Themen vertiefen und mit einer Psychologin ein Stück einstudieren, das auf Film aufgenommen wird.

Schäftlarn: Der 10 000. Spieler von "Missio for Life" geht aufs Gymnasium Schäftlarn. Das Hilfswerk schenkte den Schülern dafür einen Theaterworkshop-Gutschein.

Der 10 000. Spieler von "Missio for Life" geht aufs Gymnasium Schäftlarn. Das Hilfswerk schenkte den Schülern dafür einen Theaterworkshop-Gutschein.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Von der Ausstellungskonzeption mit Schautafeln, Gegenständen und Tablets waren die Mädchen begeistert. Sie wüssten ihr Leben nun mehr zu schätzen. "Wir haben es echt gut", sagte Isabella. Sie habe einiges dazugelernt. Das sei auch das Ziel, sagte Monsignore Huber. Das Spiel solle den Blick auf die Welt und das Miteinander verändern. Es zeige, wie wichtig es sei, sein Leben selbst gestalten zu können.

Die Schüler hätten sich über die gar nicht guten Lebensumstände in anderen Teilen der Welt informieren können, sagte Sagmeister. Dort passierten Dinge wie Menschenhandel, die in Deutschland nicht vorstellbar seien. Gleichzeitig erinnerte er an weitere Verbindungen zu Missio. Das Schäftlarner Gymnasium unterstütze die Bhardachalam Boarding School in Indien seit fünf Jahren mit Spendeneinnahmen aus dem jährlichen Adventsbasar. Im nahen Mondikunta entstehe eine weitere Schule. Beide Einrichtungen leite Missio, sagte Sagmeister.

Der Münchner Spielentwickler Reality Twist hat "Missio for Life" entwickelt. Seit März 2013 können weiterführende Schulen die multimediale Ausstellung in ihren Einrichtungen zeigen. Wie gut das ankommt, zeigten die Schäftlarner Gymnasiasten. Konzentriert übernahmen sie etwa die Aufgabe von Mercedes, im Haushalt zu helfen und ihren Vater - der sie schließlich verkaufte - zu bedienen, indem sie ihm mit Hilfe des Tablets eine Bierflasche brachten, das Gerät waagerecht haltend, damit die Flasche nicht auslief.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: