Sachsenkam:Mit 100 Sachen den Berg hinunter

Schreiner Felix Keitlinghaus stellt selbst Hornschlitten her. Jedes Bauteil ist handgefertigt. Mittlerweile fährt er damit auch bei der Bayerischen Meisterschaft mit.

Suse Bucher-Pinell

Hornschlittenbau Sachsenkam Thomas Grube & Felix KeitlinghausFelix Keitlinghaus

Die Hebel, die Felix Keitlinghaus in der Hand hält, dienen zwar zum Bremsen. Sie heißen aber nicht einfach nur Bremse, sondern Tatze. Der Sachsenkamer Schreiner baut Hornschlitten aus formverleimtem Eschenholz, jeder einzelne ein Unikat und nur echt mit dem Brandstempel.

(Foto: Manfred Neubauer)

Es ist mitten im Winter, die Landschaft schneebedeckt - und die Hornschlitten von Felix Keitlinghaus stehen immer noch in der Scheune. Ein halbes Dutzend der handgefertigten Konstruktionen lehnt in Wartestellung an der Wand. Irgendwann im Sommer, als alles grün war und keiner ans Schlittenfahren dachte, hat er sie in seiner Schreinerei im alten Kuhstall von Kloster Reutberg in einer Serie von zehn Stück gebaut. Sie sind sein Vorrat für die nächste Saison oder darüber hinaus. Bis zum ersten Schnee interessiert sich üblicherweise kaum einer dafür, dann aber setzt das Interesse daran schlagartig ein. Beileibe nicht jeder, dem so ein Hornschlitten gefallen würde, kauft ihn allerdings gleich. 2400 Euro ist manchem zu teuer, auch wenn es sich um echte Handarbeit handelt und jedes Bauteil einzeln gefertigt ist. Die Plänen dafür hat Keitlinghaus mit seinem Schreinerkollegen Thomas Grube entwickelt.

Das Besondere an den Hornschlitten von Keitlinghaus und Grube: Was Größe und Maße betrifft, sind sie in Werdenfelser Bauart gestaltet. Die beiden Handwerker haben die traditionelle Bauweise aber weiter entwickelt zum, ihrer Meinung nach, optimalen Hornschlitten. Kufenneigung, Lauflänge, Gleitfähigkeit, Höhe und andere, all diese Parameter haben sie verbessert. Vor allem aber verwenden die zwei Schreiner formverleimtes Eschenholz, das besonders stabil ist und dennoch dem Schlitten die nötige Elastizität lässt, um ihn gut steuern und fahren zu können. Früher, als die Hornschlitten noch Arbeitsgeräte waren, um bei der Waldarbeit im Winter Baumstämme zu transportieren, kannte man diese Technik noch nicht. Die einzelnen Bauteile wurden als ganzes Stück herausgeschnitten. Ein Vorgehen, das nach heutiger Maßgabe viel zu viel Verschnitt bescheren würde. Bei der Formverleimung, bei der dünne Holzschichten mit Leim und unter hohem Druck verklebt werden, passiert das nicht.

Felix Keitlinghaus ist gebürtiger Ludwigshafener mit Wurzeln im Oberland und einer großen Liebe zu den Bergen und allem Sport, der dort möglich ist; je extremer desto lieber. Dennoch ist es eher Zufall, dass sich der 38-Jährige in seiner Schreinerei neben dem Hauptgeschäft - Möbel und Innenausbau - mit Hornschlitten beschäftigt. Während seiner Meisterausbildung an der Fachschule für Schreinerei in Garmisch-Partenkirchen sollte er ein formverleimtes Objekt gestalten. Da fiel ihm ein Hornschlitten-Flyer in die Hände, er bekam Kontakt zum Hornschlittenverein Partenkirchen und lernte einen Schreiner kennen, der mit beidem zu tun hatte. Die Meisterprüfung bestand Keitlinghaus mit Auszeichnung des Meisterpreises der bayerischen Staatsregierung - und eine Leidenschaft war zudem geboren.

Seitdem fährt er nicht nur im Vierer-Team bei den jährlichen Bayerischen Meisterschaft im Hornschlittenrennen in Garmisch-Partenkirchen mit. Wie andere zum Rodeln gehen, packt er seinen Hornschlitten aufs Autodach und fährt zum Üben. Sein Hauptproblem dabei ist: "Wir haben zu wenig Schnee." Denn auch wenn die Skipisten gut präpariert seien, für Hornschlittler sind sie tabu und auf den Rodelwegen fehlt es oft an der nötigen Unterlage. Wäre das anders, wäre vermutlich auch das Hornschlittenfahren als Wintersport bekannter.

Am häufigsten fährt Felix Keitlinghaus, der seine Schlitten auch verleiht, am Pürschling in Unterammergau. Dafür müssen er und das Team den 45 Kilogramm schweren Schlitten mehr als zwei Stunden hochziehen, um dann eine Viertelstunde lang den Fahrtwind auf dem Weg ins Tal genießen zu dürfen. "Man muss es können, wie bei jedem Extremsport", sagt Keitlinghaus. 100 Stundenkilometer könnten da locker erreicht werden. Frontmann und Steuermann bräuchten vor allem für Kurven das richtige Gespür.

Das Schnablerrennen in Gaißach an diesem Sonntag lässt Keitlinghaus jedoch aus. Als Zugereister darf er gar nicht starten. Und mit seinem Hornschlitten würde er es auch nie tun. Die Bahn am Gerstlandhang führt über eine Schanze, was etliche Schlitten nicht heil überstehen und auch immer wieder zu Verletzungen bei den Teams führt. Dafür hat Keitinghaus kein Verständnis. "Da ist viel Show dabei," sagt er, das sei seine Sache nicht. Er will am Wochenende lieber eine neue Strecke in Südtirol ausprobieren.

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