Süddeutsche Zeitung

S-Bahn-Verlängerung:Mit der Drohne gegen die "Kuckucksbahn"

Heinz Wensauer lässt Luftaufnahmen der geplanten S 7-Trasse machen - um zu zeigen, dass Geretsried bei dem Projekt vor allem auf Bauland aus ist.

Von Konstantin Kaip

Heinz Wensauer gehört zweifellos zu den politisch aktivsten Bürgern im Landkreis. Der 78-jährige Rentner aus Wolfratshausen ist nicht nur unermüdlicher Leserbriefschreiber und seit 22 Jahren Dauergast im Stadtrat. Er lässt auch kaum ein Forum aus, um seine Ideen einzubringen. Der Pionier der Phantomgerüste wollte unter anderem eine interkommunale Hochschule in Wolfratshausen, ein Parkhaus mit Amphitheater vor der Loisachhalle und ein japanisches Teehaus hinter der Happ'schen Apotheke errichten lassen. Und er wird nicht müde, politische Entscheidungen zu kritisieren. "Ich lege den Finger in die Wunde", sagt er über sich. Sein neuestes Projekt, an dem er sich mit leidenschaftlicher Beharrlichkeit festgebissen hat, ist die geplante Verlängerung der S 7 nach Geretsried. "Ich bin mittlerweile an dem Punkt, dass ich verhindern möchte, dass die S-Bahn gebaut wird", sagt er.

Dazu beitragen sollen Luftaufnahmen, die Wensauer kürzlich von der Produktionsfirma "Air Bavarian" anfertigen ließ. Unter seiner Aufsicht ließ Marinus Vogl eine Drohne die geplante Trasse abfliegen. "Ich will darstellen, wer alles betroffen ist", sagt Wensauer: "Häuser, Gärten, Lagerplätze, die Natur und Landwirte, deren Flächen entwertet werden." Das Geld für die Produktion hat er bei den betroffenen Eigentümern gesammelt, mit denen er Anfang des Jahres Treffen organisiert hat. Den genauen Betrag will er nicht nennen. "Es ist schon eine teure Sache", sagt er nur.

Die Drohne ist vom Wolfratshauser Bahnhof über Gelting und die B 11 bis Geretsried Mitte geflogen und hat auch Bilder bis zum Endbahnhof gemacht. Die weitläufigen Luftaufnahmen sollen zeigen, worum es laut Wensauer bei der Trasse wirklich geht. "Geretsried will mit aller Gewalt Bauland gewinnen", sagt er. "Das kann man daran sehen, dass die Bahnhöfe dort gebaut werden, wo kaum Leute wohnen." Mit blinkenden Grafiken will er die Einzugsgebiete der geplanten Stationen Gelting, Geretsried-Mitte und Geretsried-Süd darstellen, um seine These zu beweisen. Dort solle erst mehr Verkehr geschaffen werden, damit dann um die Haltestellen gebaut werden könne. "Bahnhöfe", sagt er, "sind irgendwann mitten in der Stadt". In einer Zeit, in der versucht werde, Flächenversiegelung zu vermeiden, könne er nicht nachvollziehen, "dass man hemmungslos weiterbaut", sagt Wensauer. "Mir geht es darum, die Landwirtschaft zu erhalten statt unser Land zuzukleistern." Geretsried versuche, der Bahn und dem Staatlichen Bauamt Weilheim "den Schwarzen Peter zuzuschieben". Dabei werde zur geplanten B 11-Verlegung erklärt, dass diese auch eine "städtische Weiterentwicklung" ermöglichen solle. Wensauer will das auch im Titel des Films klar machen: "Die Kuckucksbahn" soll er heißen.

In zwei bis drei Wochen soll der Streifen fertig sein. Dann will ihn Wensauer ins Internet stellen und auch den Planern der Bahn schicken, mit denen er in regem Kontakt ist. Wo man ihn finden kann, wird er pressewirksam verkünden. Auf die Frage, was denn die Alternative zur S-Bahn sei, zitiert er ein Schreiben der Bundesbahndirektion von 1971: Die habe damals geurteilt, dass im weitläufigen Gebiet um Geretsried eine Erschließung durch Omnibusse vorzuziehen sei.

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SZ vom 29.07.2020/aip
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