Runder Geburtstag:Für den Ruhestand noch zu jung

Runder Geburtstag: Wer wissen möchte, was wann genau in Schäftlarn passiert ist, kann Erich Rühmer fragen. Der Altbürgermeister hat in seinen Aktenordnern Bilder und andere Dokumente abgeheftet.

Wer wissen möchte, was wann genau in Schäftlarn passiert ist, kann Erich Rühmer fragen. Der Altbürgermeister hat in seinen Aktenordnern Bilder und andere Dokumente abgeheftet.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Erich Rühmer, der 30 Jahre Bürgermeister von Schäftlarn war, wird 80 Jahre alt. Aktiv ist er aber wie eh und je. Als Vorsitzender des Isartal-Vereins setzt er sich für den Erhalt des letzten Wildflusses Deutschlands ein

Von Benjamin Engel, Schäftlarn

Erich Rühmer ist ein geselliger Mensch. Seit Jahrzehnten pflegt der Schäftlarner Alt-Bürgermeister und Vorsitzende des Isartalvereins intensive Freundschaften und Kontakte. Und er feiert gerne. Deshalb feiert er seinen 80. Geburtstag am Freitag offiziell mit geladenen Gästen in der Schäftlarner Einkehr und zusätzlich mit fast 50 Gästen in einem Gasthof im Landkreis. "Das sind aber nur die engsten Freunde", sagt er. Nur den Ruhestand genießen will Rühmer keinesfalls, auch nach fast drei Jahrzehnten im Schäftlarner Rathaus und beinahe 15 Jahren an der Spitze des Isartalvereins nicht.

Was ihn auszeichnet, ist seine Fähigkeit, auf andere Menschen zuzugehen und den Kompromiss zu suchen. Wie zum Beweis erklärt Rühmer, dass er im Gemeinderat immer Mehrheiten habe suchen müssen. Seine Gruppierung - die von ihm mitgegründete Gemeindeunion - sei im Gremium immer nur Minderheit gewesen. "Und trotzdem waren mehr als 90 Prozent der Beschlüsse einstimmig", sagt er. Schon zum Abschied vom Bürgermeisteramt 2002 lobte ihn sein damaliger Stellvertreter Gerd Zattler (Grüne). Er bescheinigte Rühmer die Gabe, "Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen." Das war in der Gemeinde nach den verhärteten Fronten in den 1970er-Jahren besonders gefragt.

Spätestens mit dem 30. Juni 1972 setzten im Ort hitzige Diskussionen ein. An diesem Tag unterschrieb der stellvertretende Landrat des Landkreises Wolfratshausen - der war am nächsten Morgen im Zuge der Gebietsreform Geschichte - einen im Ort hoch umstrittenen Bebauungsplan. Auf dem Quisisana-Grundstück in Ebenhausen durften vier Blocks mit 95 Wohnungen gebaut werden. Die Dimensionen der neuen Wohnanlage Isartal spalteten den Gemeinderat. Zu groß, zu städtisch erschien vielen das neue Bauvorhaben. Bis hin zu zahlreichen Gerichtsverfahren sei der Streit gegangen, erinnert sich Rühmer. Wäre er damals schon Bürgermeister gewesen, hätte er gegen die Wohnanlage gestimmt. Heute sehe er wegen des starken Zuzugs die Notwendigkeit zum Nachverdichten im Ort - allerdings mit Augenmaß.

Die politische Karriere von Rühmer begann aber erst 1974. Damals trat sein Vorgänger Franz Ilsung aus gesundheitlichen Gründen zurück. Die Gemeindeunion gründete sich. Rühmer entschloss sich mit 36 Jahren zur Kandidatur um das Bürgermeisteramt - und gewann. Viermal wurde er bis zum Rückzug 2002 wiedergewählt.

Für eine so lange politische Karriere hatte bis dahin kaum etwas gesprochen. 1937 wurde Rühmer in Icking-Dorfen geboren. Der Natur- und Umweltfreund, wie er sich selbst bezeichnet, hatte viele Optionen. Nach dem Schulabschluss zählte er zum ersten in der neue gegründeten Bundeswehr eingezogenen Jahrgang. Er verpflichtete sich bei den Gebirgsjägern, hatte die Möglichkeit, als Berufssoldat im französische Fontainebleau oder in den Vereinigten Staaten Karriere zu machen. Doch Rühmer entschied sich, im Fischerei-Lehrmittelverlag des Vaters mitzuarbeiten. Sie vertrieben Wandtafeln für Bildungseinrichtungen bis ins Ausland. Wie sein Vater machte er die Ausbildung zum Fischereisachverständigen, arbeitete an Gutachten in ganz Bayern mit. "Das hat sehr viel Spaß gemacht", sagt Rühmer.

Im Ort war er zudem als Sporttalent bekannt. Zwischen 1961 bis kurz nach der Jahrtausendwende betreute und trainierte der er Jugendmannschaften des TSV Schäftlarn. In den 1960er- und 1970er-Jahren war er in der mittlerweile aufgelösten Schäftlarner Faschingsgesellschaft Sporthalla aktiv. Wie Rühmer erzählt, sei er gewohnt gewesen, laufend vor vielen Menschen zu reden. Das habe ihm im Bürgermeisteramt geholfen.

Ganz genau aufgeschrieben hat Rühmer, was er in dieser Zeit erreicht hat. Aus einem Aktenordner zieht der schlanke, aktive Mann mit dem silbergrauen Haar in seinem Haus in Schäftlarn seine Unterlagen. Allein 36 Straßen seien zu Beginn seiner Amtszeit noch reine Staubpisten gewesen, sagt er. "31 habe ich in 28 Jahren ausgebaut." Vor allem betont er seinen Einsatz für Umwelt- und Naturschutz. 1980 habe er in Schäftlarn ein Umweltamt und den dazu gehörigen Referenten eingeführt. 1983 sei die erste kommunale Kompostieranlage entstanden. Unter Rühmer wurde die Kläranlage gebaut und die Gemeinde investierte in die Trinkwasserversorgung. Entscheidend war für ihn der Bau des neuen Tiefbrunnens im Schorner Buchet Ende der 1970er-Jahre. Damit sei die Trinkwasserversorgung gesichert gewesen. Zuvor sei die Kommune nur durch eine Hangquelle und zwei Flachbrunnen im Isarhochwasserbett versorgt worden. Das Wasser musste chloriert werden. Im Deutschen Städtetag ließ sich Rühmer in den Umweltausschuss wählen.

Nach dem Ausscheiden aus dem Bürgermeisteramt hielt es Rühmer kaum ein Jahr ohne Posten aus. Schon 2003 wurde er zum Vorsitzenden des Isartalvereins gewählt. In dieser Funktion kämpft er seither für den Erhalt der Natur des Flusstals. Als Erfolg wertet er das neu vereinbarte Konzept zum Schutz des Isartals zwischen dem Münchner Tierpark Hellabrunn und Schäftlarn. Darin wurde etwa vereinbart, dass Mountainbiker künftig neun Ruhezonen mit seltenen Tier- und Pflanzenarten meiden. Dafür wird eine eigene Mountainbike-Strecke ausgewiesen.

Ein solches Konzept würde sich Rühmer auch für das Isartal im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen wünschen. Denn es ziehe immer mehr Ausflügler nach Süden bis in die Berge zu beiden Seiten der Isar hinein. Die Natur müsse dringend geschützt werden, denn die Isar sei etwas Besonderes: "Sie ist der letzte Wildfluss Deutschlands." Gegen den Flächenfraß will sich Rühmer weiterhin im Isartalverein einsetzen. Ein Leben ohne dieses Engagement ist für ihn auch mit 80 kein Thema.

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