Veranstaltung für Ukrainer in Penzberg:"Hoffnungslos hoff' ich"

Veranstaltung für Ukrainer in Penzberg: Sie stehen zusammen: Kateryna Stadler (links) berät Geflüchtete, Carla Albers leitet die Arche Noah.

Sie stehen zusammen: Kateryna Stadler (links) berät Geflüchtete, Carla Albers leitet die Arche Noah.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Roche Diagnostics und die Arche Noah gestalten in Penzberg einen Abend unter dem Motto "Stand With Ukraine". Das Unternehmen finanziert für ein weiteres Jahr die Ukrainehilfe des Familienzentrums.

Von Jana Daur, Penzberg

Man könnte meinen, es herrsche Feierstimmung auf dem Gelände von Roche in Penzberg. Gelbe Luftballons an blauen Bändern hängen am Mittwochabend im Veranstaltungssaal, in dem sich die Menschen tummeln. Die Erwachsenen unterhalten sich angeregt miteinander, fallen sich zur Begrüßung lachend in die Arme. Zwischen ihnen huschen Kinder hindurch und spielen Fangen. Niemand würde auf den ersten Blick vermuten, dass die Anwesenden durch einen schrecklichen Anlass zusammengebracht wurden - den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.

#StandWithUkraine ist das Motto, unter dem Roche gemeinsam mit dem Familienzentrum Arche Noah eingeladen hat. Die Gäste sind Mitarbeitende des Unternehmens und ukrainische Geflüchtete, die in Penzberg leben. Bereits seit einem Jahr finanziert Roche die Ukrainehilfe der Arche Noah, nun wird die Förderung um weitere zwölf Monate verlängert. Gesprochen wird an diesem Abend deutsch und ukrainisch, mit Übersetzungen von Alexander Melenewski. Paul Wiggermann, Werksleiter in Penzberg, begrüßt die anwesenden Gäste. Er habe "gemischte Gefühle", sagt er, und fasst damit die Stimmung im Saal zusammen. "Auf der einen Seite freue ich mich auf den Abend. Auf der anderen Seite würde ich hier nicht stehen, wenn der Krieg nicht wäre."

Wiggermann betont, dass es nicht um Politik gehen soll. Stattdessen wolle man drei Dinge tun: Den Helfern danken, den Betroffenen zuhören und daran erinnern, dass der Krieg immer noch andauert. Spendengelder würden weiterhin benötigt. Roche hat das Familienzentrum ein Jahr lang finanziell unterstützt und somit eine Koordinationsstelle zur Ukrainehilfe ermöglicht. Dort arbeitet Kateryna Stadler. Die gelernte Grafikdesignerin spricht neben ukrainisch auch deutsch, englisch und russisch. Sie hat sich aus eigener Initiative beim Familienzentrum gemeldet und berät seitdem Geflüchtete in allen Lebensbereichen. Ihre wichtigste Aufgabe sei "zuhören, zuhören und nochmal zuhören", sagt sie. In Zukunft will sie ein Projekt organisieren, das Ukrainern beim Berufseinstieg helfen soll. Auch eine psychologische Sprechstunde möchte sie im Familienzentrum anbieten.

Veranstaltung für Ukrainer in Penzberg: Annelies Plep ist ebenfalls Leiterin des Familienzentrums.

Annelies Plep ist ebenfalls Leiterin des Familienzentrums.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Dabei will Roche weiter helfen, sagt Wiggermann. Dann übergibt er an die Leiterinnen des Familienzentrums, Carla Albers und Annelies Plep. Sie haben das Programm der Veranstaltung zusammengestellt. Den Kontakt zwischen Roche und der Arche Noah gibt es schon seit längerem, das Unternehmen unterstützte in der Vergangenheit Projekte. "Roche hat uns heute den Rahmen gegeben, wir haben uns um den Inhalt gekümmert", sagt Albers. Aus ihren Förderprogrammen kennt die Arche Noah Kinder und Erwachsene, die einen kulturellen Beitrag beisteuern.

Unter ihnen ist Lesia Valiaieva. Die Juristin kommt aus Tscherkassy in der Zentralukraine. Vor Beginn des Krieges besuchte sie die Ukrainische Freie Universität in München. Als die russische Invasion begann, fuhr Valiaieva zu ihrer Familie in der Heimat. Gemeinsam mit ihrer Tochter kehrte sie in die bayerische Landeshauptstadt zurück. "Diese Reise war sehr schrecklich", berichtet sie. Ihr Mann und Sohn bleiben in Tscherkassy zurück, durch Stromausfälle hat die Familie nur alle zwei Tage Kontakt. Deshalb verfolgt Valiaieva rund um die Uhr die Nachrichten. Über ihr Handy kann sie auf dem Raketen-Radar die Angriffe Russlands sehen. Auch an diesem Abend wird die Zentralukraine beschossen. Gleichzeitig rezitiert Valiaieva in Penzberg ein Gedicht der Autorin Lesja Ukraijnka. "Mein Lied soll im Unglück ertönen, auch hoffnungslos hoff' ich im Leben", lautet es im Text.

Veranstaltung für Ukrainer in Penzberg: Mit Blumenschmuck und ukrainischer Trachtenkleidung singt ein Kinderchor bei Roche in Penzberg Volkslieder über Freiheit und Stärke.

Mit Blumenschmuck und ukrainischer Trachtenkleidung singt ein Kinderchor bei Roche in Penzberg Volkslieder über Freiheit und Stärke.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Hoffnung und Stärke sind die Leitmotive im Programm. So singt die 18-Jährige Studentin Irina Forostovets: "Der Krieg wird uns niemals unsere Erinnerungen nehmen." Ein Kinderchor in traditionellen Trachten gibt gleich zwei Lieder zum Besten. Inbrünstig präsentieren die elf Jungen und Mädchen Volksmusik über Freiheit und Stolz. Der Saal applaudiert, die Zuschauer sind begeistert. Zwischendurch wird es ernster, wenn zum Beispiel über fehlenden Wohnraum für die 160 geflüchteten Ukrainer gesprochen wird.

Lesia Valiaieva kennt dieses Problem. Mit ihrer Tochter fand sie in München zunächst keine Unterkunft, bis eine Familie beide für acht Monate aufnahm. Im Oktober bekam sie dann eine Wohnung in Penzberg, seitdem arbeitet sie im örtlichen Montessori-Kindergarten. Aktuell geht Valiaieva davon aus, noch mindestens ein Jahr in Deutschland zu bleiben. Was danach kommt, wisse sie nicht - in die Ukraine zurückkehren möchte sie aber.

Auch die weitere Unterstützung der Arche Noah ist unklar. Zwar finanziert Roche die Stelle von Kateryna Stadler noch ein Jahr lang, woher das Geld danach kommt, ist allerdings offen. Von der Stadt Penzberg habe es kaum Unterstützung gegeben, so Albers und Plep. Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) sagt, der Bund lasse die Kommunen allein. Beim Familienzentrum freut man sich daher über Spenden und ehrenamtliche Unterstützung.

Leid und Hoffnung liegen an diesem Abend bei Roche eng beieinander. Den Ukrainerinnen und Ukrainern ist es wichtig, allen Helfenden ihre Dankbarkeit auszudrücken. "Wir haben die maximale Hilfe bekommen", sagt Lesia Valiaieva. Die Menschen, bei denen sie und ihre Tochter unterkamen, bezeichnet sie heute als ihre deutsche Familie. Der Zusammenhalt ist groß in Penzberg, die Menschen wünschen sich alle den Frieden in der Ukraine zurück. Das merken auch die Jüngsten. Als der Kinderchor zum Abschluss noch einmal die Bühne betritt, hält einer der jungen Sänger seine Hand als Peace-Zeichen nach oben.

Wer helfen möchte, kann sich per E-Mail an stadler@familienzentrum-arche-noah.de oder telefonisch unter 0162/6411493 melden.

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