Rinderzucht:Schuld ist der Torbogenreflex

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Und einen blöden Stier zu bändigen, ist nicht leicht, erzählt Ettner. Ein kleiner Rempler von einem 1000-Kilo-Bullen reicht schon: "Da musst nicht gleich kaputt sein, aber eine Woche spürst das doch." Sanddorn ist anders. "Der will einfach sein Ding durchziehen", sagt Ettner: "Rein, scharf machen, fertig", so einfach ist das. Normalerweise. Heute steht Sanddorn in der Sprunghalle und gafft einfach nur auf den Hintern von Engor: einem Bullen, der zwischen zwei Eisengeländern festgebunden ist.

Rinderzucht: Bernhard Wollgarten untersucht die Spermien der Bullen auf Krankheiten.

Bernhard Wollgarten untersucht die Spermien der Bullen auf Krankheiten.

(Foto: Frederik Obermaier)

Normalerweise reicht sein Anblick für eine Erektion. Nicht etwa, weil Sanddorn ein schwuler Bulle ist, "naaaaa", Ettner schüttelt den Kopf, "der will decken, seinen Samen loswerden, Erleichterung halt." Bernhard Wollgarten sagt das Gleiche, nur mit anderen Worten: Das Aufspringen und die Ejakulation sei auf den natürlichen Torbogenreflex zurückzuführen, erklärt der Greifenberger Stationstierarzt: "Alles, was aussieht wie ein Torbogen oder eine Kuh von hinten, bespringen die Bullen."

Wollgarten - grüner Kittel, gelbe Gummistiefel - doziert von Reizen, Reflexketten und den Tricks der Besamungstechniker: Oft reiche schon ein Bock, wie man ihn aus dem Schulsportunterricht kennt. Der Stier springt drauf, steckt seinen Penis in eine künstliche Scheide, fertig. "Manche Tiere wollen das aber nicht", sagt Wollgarten. Der Stier steht dann vor der Kuhattrappe und macht - nichts. "Da weiß man spätestens nach einer Viertelstunde, das ist nicht sein Ding."

Er braucht dann einen Unterstellbullen wie Engor. Selbst der bringt Sanddorn heute nicht auf Touren: Sanddorn schleckt Engor zwar über den Hintern, aber das war's. Vielleicht liegt es am FC Bayern - oder an Wollgarten. Denn auch die beiden anderen Stiere in der Sprunghalle schnauben schon. "Die Tiere sind nicht gut auf mich zu sprechen. Wenn ich komme, dann gibt es eine Blutprobe oder sonst eine Behandlung", sagt Wollgarten und geht ein paar Schritte zurück, hinter einen mannshohen Zaun aus armdicken Eisenstangen - "zur Sicherheit".

Sein Job ist die Gesundheit der Stiere. Der 57-Jährige achtet darauf, dass von draußen keine Krankheiten eingeschleppt werden. Desinfektion der Laufwege, Unterdruckställe in der Quarantäne und regelmäßige Penisspülungen, das sind seine Themen. "Die Besamungsstation ist auch ein Instrument der Seuchenbekämpfung", erklärt er: Wie die Kühe früher noch auf natürlichem Wege, "per Natursprung also", besamt wurden. Und wie jede Gemeinde verpflichtet war, einen eigenen Dorfbullen zu halten.

"Den ließ man zur Besamung auf die Kühe des Dorfes springen." War aber nur eine einzige Kuh krank, waren es bald alle. "Der Gemeindebulle hat dann die ganze örtliche Population angesteckt." Vor allem die Trichomonadenseuche, eine Geschlechtskrankheit, die es ähnlich auch beim Menschen gibt, habe in den vierziger Jahren ganze Bestände dahingerafft. Fortpflanzung ohne Sex, also künstliche Besamung, sollte das große Sterben stoppen.

Wenn der Stier gar nicht mit der Kuh in Berührung kommt, so die Überlegung, kann er mit seinem Penis auch keine Krankheiten verbreiten. Die Technik schauten sich die deutschen Veterinäre von den Sowjets ab. In Greifenberg wird seit 1948 nach deren Vorbild gearbeitet, "und es funktioniert", wie Wollgarten sagt. Was mit drei Stieren anfing, ist heute Samenspende im Akkord: Viermal pro Woche, zweimal hintereinander. Vor allem aber ist es ein gutes Geschäft.

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