Süddeutsche Zeitung

Taxi mit Pedalen:Mit der Rikscha durch die Stadt

Die Zwillinge Sarah und Leonie Brand bieten einen neuen Service in Wolfratshausen an. Für Senioren gibt es noch bis 26. Juni Freifahrten zum Ausprobieren.

Von Paulina Porer

Seit mehr als einer Woche düsen sie flink durch Wolfratshausens Straßen und Gässchen: Sarah und Leonie Brand sind mit ihrer knallgelben "Spatzen Rikscha" unterwegs. Ende Mai hatten die Zwillinge ihr soziales Projekt "Raus an die Luft" gestartet. Damit möchten die beiden "etwas Gutes tun und ein bisschen Freiheit zurückgeben", nachdem die Menschen wegen der Corona-Pandemie monatelang hätten daheimbleiben müssen, sagt Leonie Brand. Besonders ältere Bürger wollten sie und ihre Schwester mit dem Service unterstützen, denn die hätten wegen der Ansteckungsgefahr Angst rauszukommen. "Ich hatte letztens eine Seniorin, die sagte, dass ihr das mit dem Busfahren zu viele Leute sind und sie lieber mit unserer Rikscha fährt", sagt Brand, "weil das individueller ist, man alleine drin sitzt und auch noch an der frischen Luft ist."

Im Rahmen des Projekts bieten die 29-Jährigen Zwillinge für Senioren noch bis zum 26. Juni Freifahrten an, bei denen sie die Rikscha kostenlos ausprobieren können. Sarah und Leonie Brand holen sie zu Hause ab und fahren sie für Besorgungen in die Stadt oder zu ihren Lieblingsplätzen. "So können sie wieder rausgehen, das Leben und die Natur genießen", sagt Sarah Brand. "Und sie können auch wieder ein bisschen in die Stadt kommen und auf der Fahrt den Wind genießen."

Außer sonntags sind die beiden täglich unterwegs, auch bei Regen - ganz nach dem Motto: "Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung." Ihre Rikscha habe schließlich auch ein Regenverdeck. "Da werden nur wir nass, unsere Gäste nicht", sagen die Zwillinge. Drei Personen können mitfahren. Das sei teilweise schon anstrengend, besonders wenn es bergauf gehe. In solchen Fällen helfe ein kleiner Elektromotor, denn die Rikscha habe mit Anhänger sowieso ein relativ hohes Gewicht, erklärt Leonie. Dennoch stellen die beiden klar: "Man muss auf jeden Fall trotzdem noch was tun, aber dafür bleiben wir ja dann auch schön fit." Da ist es von Vorteil, dass die Zwillinge nebenher als Fitnesstrainerinnen arbeiten. "Auch zwei etwas opulentere Männer sind für uns auf jeden Fall machbar", betonen die Rikscha-Schwestern. "Die brauchen kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie bei uns einsteigen."

Schon 2020 sind Leonie und Sarah brand für eine Aktion der Stadt drei Wochen lang mit einer Rikscha durch Wolfratshausen gefahren. "Das kam super gut an", erinnert sich Leonie. So hätten sie schließlich beschlossen, selbst ein solches Radl-Taxi zu kaufen und die Stadt "um ein nachhaltiges Mobilitätsangebot zu erweitern". Der Umweltaspekt sei ihnen dabei besonders wichtig. "Man braucht jetzt andere Alternativen, um irgendwie vorwärts zu kommen", sagt Leonie Brand. Eine Rikscha sei perfekt, denn: "Man spart Kohlendioxid, es ist gut für die Umwelt, die Leute sind an der frischen Luft, es macht Spaß und man kann auch Touren machen."

Neben alltäglichen Taxifahrten bieten die Wolfratshauserinnen auch noch einen Lieferservice an, außerdem Event- und Hochzeitsfahrten sowie Touren ins Grüne. "Dann kommen die Leute raus und auch die, die nicht gut zu Fuß sind, können Ausflüge machen, mal weg vom Alltag und was Neues erleben", so Leonie Brand. Des Öfteren seien sie in der Pupplinger Au unterwegs gewesen - auch mit Familien und Kindern, die Rikschafahrten besonders zu schätzen wüssten. Es sei "irgendwie ein Erlebnis für alle".

Momentan befinden sich Leonie und Sarah Brand noch in den letzten Zügen ihres Masterstudiums für Tourismus, Kultur und Umwelt und möchten sehen, ob ihre Idee bei den Menschen in Wolfratshausen weiterhin so gut ankommt. Für die Zukunft könnten sich die Zwillinge auch vorstellen, ihren Rikscha-Service hauptberuflich zu betreiben - und noch weiter auszubauen.

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SZ vom 09.06.2021/aip
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