Beneidenswertes Island! Der Inselstaat mit der Hauptbesiedelung in und um Reykjavík gilt als der geschlechtergerechteste der Welt, mit dem international niedrigsten „Gender Pay Gap“ (der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen) und mit einem Frauenanteil von 48 Prozent im Parlament. All das haben sich die Frauen auf beeindruckende, solidarische und Mut machende Weise erkämpft. Es fing vor 50 Jahren mit einer spektakulären Aktion an.
Was damals, am 24. Oktober 1975, geschah, zeigt der Film „Ein Tag ohne Frauen“, der am Donnerstag offiziell Premiere in deutschen Kinos hatte, den der Kulturverein Isar-Loisach (KIL) aber schon am Mittwoch im Kino Wolfratshausen präsentieren konnte. Vor vollem Haus mit einer Menge begeisterter, mitfiebernder und sich köstlich amüsierender Frauen. Plus ein paar verstreuten Männern. Kurz gesagt haben an jenem Herbsttag vor 50 Jahren 90 Prozent der Frauen gestreikt. Sie sind nicht in die Arbeit gegangen, sie haben ihre Kinder nicht betreut, nicht gekocht und geputzt oder was immer sonst ihre vermeintlich selbstverständlichen Pflichten waren.
Tausende Frauen versammelten sich auf dem Lækjartorg-Platz in der Hauptstadt Reykjavík. Sie prangerten an, dass ihre Arbeit im Beruf und in den Familien nicht angemessen wahrgenommen wurde, dass sie ungleich bezahlt wurden und keinen Zugang zu bestimmten Vertretungen hatten. So wie eine Bäuerin, die als Frau nicht im Bauernverband aufgenommen wurde, weil sie einen Ehemann hatte, der die Vertretung übernahm. Sie fragte sarkastisch, ob sie erst Witwe werden müsse, um beitreten zu können.
Wie es zu dem Streik kam, der offiziell als „freier Tag“ deklariert wurde (nur unter dieser Bedingung machten auch die konservativen Frauen mit), wie es gelang, so überwältigend viele Frauen mitzuziehen, davon erzählt der Film in oft unerwartet humorvollen Interview-Szenen mit Protagonistinnen von damals, mit Zeitzeugnissen in Wort und Bild und untermalt mit witzig-geistreichen zeichnerischen Animationen.
Entstanden ist, was man heutzutage einen „Wohlfühlfilm“ nennt - allerdings keine fiktionale romantische Komödie, sondern eine Dokumentation, die Frauen - und womöglich sogar ein paar Männer - inspirieren kann, selbst aktiv zu werden. KIL-Sprecherin Assunta Tammelleo jedenfalls nahm gleich eine Idee aus dem Film auf: Eine Kuh müsste her, mit der man „Germany‘s next Topmodel“ aufsuchen könnte, sagte sie im Anschluss an die Vorführung. Die Anregung dazu lieferten Erzählungen und Szenen aus dem Film, wie isländische Frauen mit einer Kuh einen Schönheitswettbewerb sprengen, den sie als erniedrigend für Frauen brandmarken wollen. Mit einer besonders schönen weißen Kuh. Humor muss frau eben haben, auch das macht dieser wunderbare Film deutlich.
Nota bene: Im neu gewählten 21. Deutschen Bundestag beträgt der Frauenanteil 32,4 Prozent. Das sind 2,4 Prozentpunkte weniger als zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode, als der Frauenanteil bei 34,8 Prozent lag. Zur Einordnung: Von der erwachsenen Bevölkerung mit deutscher Staatsbürgerschaft waren zuletzt 51,6 Prozent Frauen. (Quelle: Statistisches Bundesamt)