Süddeutsche Zeitung

Rettungsaktion:Die Schnüffelnase ist besser als eine Drohne

Die BRK-Hundestaffel aus dem Landkreis war im Böhmerwald an der Suche nach der vermissten Julia beteiligt. Vanessa Schallmoser erklärt, warum die Hundenase bei solchen Einsätzen effektiver ist als Luftbilder

Von Dorothea Gottschall

Als vor wenigen Tagen im Böhmerwald nach der achtjährigen Julia gesucht worden ist, war auch die Hundestaffel des Tölzer Kreisverbands des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) mit dabei. Vanessa Schallmoser ist seit etwa zwei Jahren Leiterin der Rettungshunde-Abteilung, wo die Vierbeiner und ihre jeweiligen Hundeführer für die Flächensuche und für Trümmereinsätze ausgebildet werden. Aktuell besteht die lokale Hundestaffel aus sieben geprüften Hundeteams. Drei weitere stehen gerade vor der ersten Prüfung, fünf befinden sich aktuell in Erstausbildung. Schallmoser selbst besitzt zwei Labradore - Woody und Ida.

SZ: Frau Schallmoser, Ihre Fachdienststelle war bei der Suche nach dem vermissten Mädchens im Böhmerwald beteiligt. Wie kam es eigentlich dazu?

Vanessa Schallmoser: Nachdem das Kind bereits seit mehreren Stunden gesucht wurde, waren die Rettungshundestaffeln ziemlich erschöpft und mussten sich ausruhen. Um die Suche langfristig durchführen zu können, wurde der Alarmierungsradius von der lokalen Einsatzleitung erweitert. Insgesamt waren über 100 ehrenamtliche Hundeführer im Einsatz. Auch wir waren mit fünf Teams und einem Helfer vertreten.

Dass es schließlich ein tschechischer Förster war, der die Achtjährige gefunden hat, ist mittlerweile bekannt. Konnten Ihre Hunde dennoch eine Spur wittern?

Um das zu beantworten, muss ich kurz erklären, wie unsere Hunde eigentlich arbeiten. Generell bekommt man als Team bei der Flächensuche ein bestimmtes Gebiet zugewiesen. Dort suchen die Tiere nach menschlicher Witterung, also kein Individualgeruch, wie es bei Personenspürhunden üblich ist. Letztendlich war es so, dass keiner der von uns eingesetzten Hunde in dem Areal unterwegs war, wo das Mädchen gefunden wurde.

Wie gelingt die Suche in anderen Fällen?

Hätten unsere Hunde Witterung gehabt, hätten sie es angezeigt. Sie laufen frei im Wald herum und arbeiten so lange, bis sie am stärksten Pool der Witterung sind - mit anderen Worten: beim Menschen.

Und dann?

Unsere Einsatzhunde sind sogenannte Verbeller, das heißt sie bleiben solange bei der gefundenen Person und machen durch Bellen auf sich aufmerksam, bis der Hundeführer zum Fundort dazustößt.

Wie gestaltet sich ansonsten Ihr Einsatzalltag in der Region?

Wir haben etwa 20 bis 50 Einsätze pro Jahr und bilden gemeinsam mit den BRK-Rettungshundestaffeln Garmisch-Partenkirchen und Weilheim-Schongau eine sogenannte Schnelleinsatzgruppe. Wenn es zu einer Vermisstensuche in diesen Landkreisen kommt, werden unter anderem diese Rettungshundestaffeln alarmiert. Unser Einsatzspektrum ist vielfältig - vermisste Wanderer, Senioren und manchmal auch Kinder. Das ist zum Glück eher selten. Aber es gibt noch weitere Einsatzbilder, die zu einer Vermisstensuche mit Rettungshunden führen.

Ist denn die polizeiliche Anforderung von Rettungshunden gang und gäbe oder eher eine Maßnahme in besonderen Notfällen?

Es gibt ein paar Punkte, die erfüllt sein müssen. Letztendlich entscheidet immer die Polizei, wann auf die sensible Hundenase gesetzt wird. Wichtig ist für uns vor allem, dass man das Gebiet, in dem sich die Person aufhält, geografisch eingrenzen kann. Die Tiere können relativ große Gebiete in kurzer Zeit absuchen. Auch die neueste Drohnentechnik kommt nicht an das Können der Hunde heran, wenn der Wald beispielsweise sehr dicht bewachsen und Körperwärme schwer sichtbar ist.

Gibt es eigentlich bestimmte Hunderassen, die für diese Aufgabe besonders geeignet sind?

Der Hund sollte mindestens kniehoch gewachsen sein. Ein klassischer Chihuahua tut sich schwer mit dem teils unwegsamen Gelände und den Wäldern, die von Brombeersträuchern durchzogen sind. Aber solange die Tiere körperlich belastbar sind und einen tollen Spieltrieb vorweisen, ist die Aufgabe auf keine spezielle Rasse beschränkt.

Aber auf die zeitlichen Kapazitäten der Hundebesitzer?

Genau. Man darf nicht vergessen, dass das ehrenamtliche Hobby unglaublich zeitintensiv ist. Wir trainieren ein- bis zweimal die Woche, an jedem Wochenende sollte ein Tag für das Training eingeplant werden. Außerdem absolviert der Hundeführer im BRK einige Lehrgänge, unter anderem die Ausbildung zum Sanitäter.

Die BRK-Hundestaffel Bad Tölz-Wolfratshausen sucht derzeit nach einem neuen Übungsgelände. Gefragt sind Waldgebiete, Abrissgebäude oder Kiesgruben, in denen die Hunde üben können. Kontakt per E-Mail an rhs@brk-toel-wor.bayern

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Quelle:
SZ vom 22.10.2021
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