Süddeutsche Zeitung

Serie "Heimatwerkstatt":Handwerk mit Erfolgsrezept

In der Reichersbeurer Familienbäckerei Meier geben sich die Kunden die Klinke in die Hand. In dem Traditionsbetrieb kann jeder dem Meister und seinen Angestellten dabei zusehen, wie besondere Brote und Kuchenspezialitäten aus regionalen Zutaten entstehen.

Von Klaus Schieder

An diesem regnerischen Vormittag ist das kleine Café im Wintergarten, der gleich ums Eck neben der Eingangstür liegt, zur Hälfte gefüllt. Vor der Verkaufstheke stehen zwei Kunden, ein dritter kommt gerade herein. Damit wird es schon beinahe eng in der Familienbäckerei Meier in Reichersbeuern, wo es gemütlich nach Backstube riecht. Die liegt gleich hinter der Theke völlig offen da, ohne Zwischenwand. Florian Meier und seine Frau Jasmin füllen Backbleche mit Semmeln, vor den Augen der Kunden sozusagen, die ihnen dazu gerne eine Frage stellen dürfen. Das geschieht gar nicht so selten. "Viele fragen nach, und wir klären auf, was wir machen", sagt Florian Meier, der heuer einen Anerkennungspreis bei der Vergabe des Wirtschaftspreises vom Landkreis erhielt. "Wir sind transparent."

Nicht jeder lässt sich während der Arbeit gerne auf ein solches Gespräch ein, für den 31 Jahre alten Bäckermeister gehört das sogar zu den schönen Seiten seines Berufs und zur Philosophie seines Betriebs. "Es macht mir Spaß, vor den Kunden zu arbeiten", sagt er. Die einen wollen von ihm wissen, wie er einen Sauerteig macht, andere erkundigen sich, wie die Füllung in einen Krapfen kommt. Und wenn mal jemand etwas an Brot, Semmel oder Gebäck auszusetzen hat, dann ist Meier ihm nicht gram. Im Gegenteil: "Es ist ganz wichtig, auch mal ein negatives Feedback zu bekommen, wir machen genauso Fehler", sagt er. Daraus versuche man, das Beste zu machen.

Das Backen vor und der Dialog mit den Kunden ist nur eine der Besonderheiten in der Reichersbeurer Familienbäckerei Meier. Zu den ungewöhnlichen Facetten zählt auch, dass den ganzen Tag über immer frisch gebacken wird. Das könnte Meier auf Dauer wohl kaum durchhalten, wenn er jede Nacht um 1 Uhr mit seiner Arbeit begönne. Mit seinen fünf Angestellten in der Produktion werkelt Florian Meier in zwei Schichten: Die erste beginnt um 4 Uhr früh und arbeitet bis Mittag, die andere von Mittag bis 20 Uhr. "Es macht mir mehr Freude, vor den Kunden am Tag zu arbeiten, als sehr früh anzufangen und die Sachen für den Tag zu produzieren", erklärt der junge Bäcker.

In seine Produkte kommen nach seinen Angaben ausschließlich Zutaten aus der Region. Das Mehl stammt aus der Leitzachmühle bei Miesbach, die Frischeier vom Ringlerhof in Ellbach, das Obst von Früchte Kell aus Bad Tölz. "Das ist uns ganz wichtig, da weiß man, wo etwa die Eier her sind", sagt der 31-Jährige. Für das sogenannte Bierbrot, das er jeden Mittwoch anbietet und das "momentan ein Bestseller" ist, kooperiert er mit dem Hoppebräu Waakirchen. Außerdem achtet Meier darauf, bestimmte Backwaren nur dann anzubieten, wenn dafür Saison ist. Zum Beispiel für den Zwetschgendatschi. Den bäckt er erst, wenn die deutschen Zwetschgen reif sind, und nicht vorher. Die "Ausgezogenen" gibt es nur zur Kirchweih, das Weihnachtsgebäck von Mitte November an. Eine Spezialität ist die schwarze Ciabatta mit Cranberries, die mit einem zu hundert Prozent aus Dinkel bestehenden Teig gebacken wird. "Das ist der Renner bei uns", sagt Meier: "Um 8 Uhr stehen die Leute oft schon Schlange und warten, dass sie aus dem Ofen kommt." Gut die Hälfte seiner Kunden stammt aus Reichersbeuern, der Rest aus Bad Tölz, Waakirchen, Penzberg, Starnberg oder vom Tegernsee.

Die Bäckerei Meier gibt es bereits seit 1953, der erste Laden wurde damals in Dürnbach eröffnet. Peter Stumböck, der Großvater des heutigen Inhabers, und Franz Meier führten den Familienbetrieb fort, mit wechselnden Standorten, kurzen Pausen, Neugründungen. Der heutige Sitz in der Richtergasse sei mal eine Filiale seines Vater gewesen, sagt Florian Meier. Noch immer hilft in der Bäckerei die ganze Familie zusammen, der Vater, die Mutter, der Bruder, die Tante, selbst die Oma hilft noch aus. "Sie ist die gute Seele des Hauses." Insgesamt hat die Bäckerei in Reichersbeuern 19 Angestellte: zwölf im Verkauf, fünf in der Produktion, zwei in der Reinigung. Nicht genug, meint der 31-Jährige. "Wir brauchen dringend Leute."

Als Florian Meier den Betrieb vor zehn Jahren übernahm, sah es mit Fachkräften im Bäckerhandwerk zwar auch nicht rosig aus, aber immer noch besser als heutzutage. Damals, sagt er, sei es noch einfacher gewesen. Ein wenig. Denn schwierig war es immer. "Wir haben uns von Jahr zu Jahr geschleppt und es immer irgendwie hinbekommen." Aber einen Auszubildenden hat Meier in den zehn Jahren als Chef noch nicht gehabt, dafür etliche Praktikanten. Sie können bei ihm lernen, wie ein Teig mit der Hand geformt wird, maschinell geschieht dies in der Familienbäckerei selten. "Da lernt man noch, ein Gefühl für den Teig zu bekommen", sagt Meier. Und was die unattraktiven Arbeitszeiten angeht, sei es ja "bei uns nicht so, dass du nur in der Nacht arbeitest". Als großen Vorteil sieht er in seinem Betrieb vor allem auch den unmittelbaren Kontakt zu den Kunden, die sich an diesem Regentag in sanfter Regelmäßigkeit die Türklinke in die Hand geben. Trotz des Fachkräftemangels gibt er sich für die Zukunft vorsichtig optimistisch. "Es wird nicht leichter werden, aber ich glaube, dass wir gut aufgestellt sind."

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Quelle:
SZ vom 23.08.2019
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