Süddeutsche Zeitung

Reden wir über:Energie im Wandel

Stefan Drexlmeier ist von der Zielsetzug bis 2035 überzeugt.

Interview von Veronica Bezold, Bad Tölz-Wolfratshausen

Erfolglose Geothermie-Bohrungen, 10-H-Debatten oder Speicherprobleme bremsen ihn nicht aus: Stefan Drexlmeier, Vorstandsvorsitzender der Bürgerstiftung Energiewende Oberland, ist trotz aller jüngsten Hürden zuversichtlich, dass die Region bis zum Jahr 2035 ganz aus regenerativen Quellen mit Strom und Wärme versorgt wird.

Herr Drexlmeier, der Klimawandel schreitet voran und es herrscht Krieg in Europa. Müssen wir Angst haben, bald im Dunkeln zu sitzen?

Das denke ich nicht, weil wir mit den erneuerbaren Energien alle Möglichkeiten haben, ein für das Klima und die Weltpolitik friedliches und zukunftsweisendes Energiesystem aufzubauen.

Was ist Ihrer Meinung nach der Königsweg zu einer zukunftsfähigen Energieversorgung?

Es ist ein Mix aus allen erneuerbaren Energien: Es gibt nicht die eine, die uns rettet, sondern alle miteinander werden das tun. Wir im Oberland haben das Glück, dass wir genug von allen haben - wir müssen sie nur auch nutzen. Solaranlagen auf Dächern werden allein nicht ausreichen. Wir müssen genauso die Wasserkraft, aber auch die Tiefengeothermie, die Bioenergie und die Windkraft nutzen.

Im Zuge des Projekts "INOLA" sollten Lösungen für eine vollständige Versorgung des Oberlands mit erneuerbaren Energien entwickelt werden. Das Projekt ist nun seit drei Jahren abgeschlossen. Was ist dabei herausgekommen?

Unsere Kernergebnisse lauten: Im Oberland weht genug Wind, es scheint genug Sonne und es gibt genug Potenzial für Tiefengeothermie. Kurzum: Die "Erneuerbaren" sind im Oberland ausreichend vorhanden, um das für 2035 angedachte Ziel der Energiewende zu erreichen. Entscheidend sind dabei die Akzeptanz und die politischen Rahmenbedingungen. Erneuerbare Energien müssen wieder attraktiv gestaltet werden.

Wie werden sich unsere Lebensgewohnheiten verändern, wenn wir zu 100 Prozent von erneuerbaren Energien versorgt werden?

Es wird besser. Stellen Sie sich nur einmal vor: In Zukunft ist Ihr Auto leise, Ihre Heizung trägt nicht mehr maßgeblich zum Klimawandel bei und Sie haben mehr Geld in der Tasche. Bei den "Fossilen" wandert ein enormer Anteil der Wertschöpfung nicht nur aus unserer Region, sondern auch aus Deutschlands und der EU ab. Durch die erneuerbaren Energien haben wir die Möglichkeit, regionale Wertschöpfung zu betreiben und zukunftssicher in Bezug auf Sicherheitspolitik, aber auch was unseren Beitrag zum globalen Klimaschutz angeht, zu planen.

Welche Rolle spielt dabei die Mobilität?

Sie spielt eine massive Rolle. Beim Strom haben wir einen großen Zuwachs an erneuerbaren Energien über die letzten Jahre verzeichnen können. Hierdurch verringert sich der Anteil an CO2-Emissionen. Im Bereich der Wärme haben wir immer noch einen sehr geringen Anteil an "Erneuerbaren", circa zwischen zehn bis 20 Prozent. Im Bereich der Mobilität stützen sich jedoch nach wie vor ungefähr 97 Prozent der verbrauchten Energie auf fossile Energieträger. Das, was im Bereich von Strom und Wärme also bereits angestoßen wurde, nimmt bei der Mobilität also zwar allmählich Fahrt auf, ist aber dennoch weit von dem entfernt, wo wir eigentlich sein müssten.

Was kann der Einzelne tun, um Energie einzusparen?

Beispielsweise auf wärmewende-oberland.de gehen. Hier lässt sich ausrechnen, welche Heizung zum eigenen Haus passt, damit man weg von Öl und Gas kommt. Zweitens gibt es im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen einen sogenannten Solarkataster: Jeder kann sein eigenes Haus überprüfen, ob es für Solarenergie geeignet ist. Ansonsten sollte man Stromfresser im Haushalt austauschen. Auch E-Mobilität ist natürlich eine Option. Hier hat man die Möglichkeit, den Strom entweder selbst vor Ort durch die Stadtwerke oder sogar über das eigene Dach zu beziehen.

Ihr persönliches Fazit: Wie steht es derzeit um die Energiewende im Oberland?

Das Traurige ist, dass das Thema vor allem durch den Ukraine-Krieg nun wieder im Vordergrund steht. Auch die neue Bundesregierung hat positive Signale gesendet: Ziel sei ein Anteil von 80 Prozent erneuerbaren Energien im Strombereich bis 2030. Deswegen gehe ich davon aus, dass eine Energiewende bis 2035 erreicht werden kann. Wir haben die Lösungen und Akteure schon vor Ort - sie wurden bisher nur ausgebremst.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5590255
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/cjk
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.