Ausstellung im Rathaus Icking:Minimalismus in Wort und Bild

Ausstellung im Rathaus Icking: Zwei Kunstformen und zwei Künstler, die sich wunderbar ergänzen: Haikus und Zeichnungen, Hans Schiefele und Erna Leiß.

Zwei Kunstformen und zwei Künstler, die sich wunderbar ergänzen: Haikus und Zeichnungen, Hans Schiefele und Erna Leiß.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Ickinger Hans Schiefele schreibt Haikus, die klassische japanische Lyrik in drei Zeilen. Die philosophischen Kurz-Gedichte hat die Malerin Erna Leiß in Zeichnungen umgesetzt.

Von Susanne Hauck, Icking

Die Schönheit liegt in der Schlichtheit: "Kennst hundert Frauen/oder eine, die du liebst?/Nur sie ist alle." Wenige Worte, aber umso mehr Tiefgang. "Gedankengänge. Hierhin, dorthin und zurück. Wege ohne Spur." Eine Momentaufnahme einer Stimmung oder eines Eindrucks: Haiku heißt die berühmte japanische Lyrikform mit den superkurzen, auf den Punkt gebrachten Gedichten, die ein Gegenentwurf zu all dem Geschwafel und Blabla in der Welt sind. Der Ickinger Hans Schiefele hat zwölf philosophische Haikus beigesteuert, die Münchner Künstlerin Erna Leiß hat sie in abstrakten Zeichnungen interpretiert. Im Ickinger Rathaus ist derzeit eine außergewöhnliche Ausstellung zu sehen.

Ausstellung im Rathaus Icking: "Dass der Weise stirbt/wie auch die Toren sterben./Dafür, Gott, kein Lob": Dieses Haiku hat Erna Leiß zu dieser Zeichnung (Ausschnitt) inspiriert.

"Dass der Weise stirbt/wie auch die Toren sterben./Dafür, Gott, kein Lob": Dieses Haiku hat Erna Leiß zu dieser Zeichnung (Ausschnitt) inspiriert.

(Foto: Hartmut Pöstges/Hartmut Pöstges)

Hans Schiefele, 98, hat sich schon sein Leben lang mit Haiku-Dichtung befasst, die im 14. Jahrhundert in Japan unter dem Einfluss des Zen-Buddhismus entstanden ist. Dem Ickinger dienen sie, wie er sagt, als Achtsamkeits- und Meditationsübung. Auf den ersten Blick scheinen Haikus simpel, nicht mal einen Reim gibt es. Doch hinter ihrer vermeintlichen Einfachheit steckt ein meisterliches Schema. Drei Zeilen mit 17 Silben in der strengen Reihung fünf-sieben-fünf, so muss ein Haiku aussehen. "Es sind Augenblickstexte: Erkenntnis, Erlebnis, Überraschung, Staunen", sagt Schiefele. "Und kein Wort zu viel." Für den emeritierten Psychologie-Professor ist es ein intellektuelles Spiel, Entspannung und Meditation. Es gehe darum, einen bedeutsamen Augenblick, Wahrnehmungen oder Gedanken festzuhalten. Schiefele beschreibt es als eine Art, eine Momentaufnahme zu machen. "Ähnlich wie ein Schnappschuss mit der Kamera, nur eben mit Worten."

In seinen Haikus macht sich Schiefele Gedanken zum Sinn des Lebens und zu Beziehungen. Und oft steht die Natur im Mittelpunkt. Zum Beispiel: "In der Dunkelheit. Steht Frost wie Stein vorm Fenster. Glas macht draus der Mond." Vom Gedicht wandert der Blick des Lesers zu Erna Leiß' abstrakter Interpretation. Kompakte Körper kontrastieren mit kalligrafisch wirkenden zarten Strichen. Reduzierte Farben, minimalistischer Stil. Es bleibt dem Betrachter überlassen, die Komposition aus Wort und Bild mit eigenen Reflexionen zu vervollständigen und sich auf die meditative Auseinandersetzung einzulassen.

Hans Schiefele wohnt seit zehn Jahren in Icking. Der bekannte Pädagoge und Psychologe wurde 1924 in Vöhringen bei Ulm geboren.1967 wurde er als Professor für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie an die LMU München berufen, später war er Dekan der neu gegründeten Fakultät für Psychologie und Pädagogik. Im Zentrum seiner wissenschaftlichen Arbeit standen die Lernmotivation und das Interesse als Schlüssel schulischen Lernens. 1996 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen. Erna Leiß hat an der Münchner Akademie Kunst studiert und an der LMU Germanistik und Romanistik und neben ihrem Beruf als Gymnasiallehrerin ihr Interesse an Lyrik vertieft.

Auf Wunsch der Künstler gehen die Erlöse der Ausstellung an die Stiftung Atlas-Kinder, die sozial benachteiligten Kindern in Marokko ein Zuhause gibt und die notwendige Schulbildung ermöglicht. Die Ausstellung "Dialoge - Zeichnungen und Haikus" ist noch bis 28. April im Ickinger Rathaus zu den üblichen Öffnungszeiten zu sehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: