Rathauscafé:Sahnestück im Herzen der Stadt

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Für das Rathauscafé in Wolfratshausen sucht Rita Streicher einen Nachfolger. Am liebsten wäre ihr ein Konditor, der ihr Konzept weiterführt. Die Stadt kann sich auch etwas anderes vorstellen - mit längeren Öffnungszeiten.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Im Rathauscafé in Wolfratshausen herrscht reger Betrieb. Hinter der Glastheke schneiden die Mitarbeiterinnen Stücke von saftigen Kuchen und cremigen Torten, die sie für die Kunden am Tresen einpacken oder den Gästen an den Tischen im Café und im Rathausinnenhof bringen. Betreiberin Rita Streicher ist froh, dass sie sich in diesen Tagen um ihr Geschäft kümmern kann: die Backstube im Keller, in der die Konditorin mit ihren Mitarbeitern die Kuchen backt, und das Café. Denn eigentlich wäre ihr Mietvertrag mit der Stadt zum 30. Juni ausgelaufen. "Dann müssten wir jetzt ausräumen", sagt sie.

Die 59-Jährige will ihren Betrieb abgeben, aus Altersgründen, wie sie sagt, und am liebsten an einen Konditormeister, der ihn so weiterführt, wie er ist. Den Plan hat sie schon im vergangenen Jahr gefasst - eine Mitarbeiterin habe Konditorei und Café übernehmen wollen, sagt sie. Als diese es sich aber anders überlegte und absprang, suchte Streicher nach einem Nachfolger, per Annonce in der Zeitung. Im Dezember habe die Stadt dann den Mietvertrag gekündigt. Schriftlich zum 30. Juni, wie Streicher erzählt. "Weil er sich sonst automatisch verlängert hätte."

Viele Stammkunden genießen die ruhige Atmosphäre

Die Konditorin suchte das Gespräch mit Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) und konnte schließlich erreichen, dass der Vertrag um weitere zwei Jahre verlängert wurde - bis Ende 2019. So kann sie auch die Ausbildung des Konditorlehrlings, der gerade bei ihr ist, noch abschließen. Heilinglechner will sich im Detail nicht zu der Sache äußern, erklärt aber, dass der Mietvertrag ausgelaufen sei. "Wir wollten ihn nicht unbefristet verlängern." Gespräche über die geplante Geschäftsaufgabe habe Streicher vorher nicht mit der Stadt geführt. "Wir haben durch die Annonce erfahren, dass sie einen Nachmieter sucht", sagt der Bürgermeister.

Vor drei Jahren hat Rita Streicher das Café Högl am Loisachufer übernommen und in Rathauscafé Streicher umbenannt. In die Einrichtung von Café und Backstube hat sie nach eigenen Angaben viel investiert. Damals betrieb sie noch hauptsächlich ihre Bäckerei in der Beuerberger Straße, die sie im Oktober 2016 schließen musste. Das Haus wich einem Neubau für Wohnungen. Im Rathauscafé backte sie fortan nicht nur Torten, Kuchen und andere Confiserie-Ware, sondern auch Semmeln und Brezen in geringerer Menge - und Brot auf Bestellung. Den anderen Bäckern aber konnte sie damit keine richtige Konkurrenz machen, schließlich öffnet das Café erst um 9 Uhr, freitags und samstags eine halbe Stunde früher und sonntags um 8 Uhr. Geschlossen wird täglich um 18 Uhr.

Das Rathauscafé hat viele Stammkunden, die gerne auch mal länger an den runden Tischen Rathausinnenhof oder vor dem Lokal am Loisachufer sitzen bleiben, um zu ratschen, zu lesen oder einfach nur die Atmosphäre zu genießen. Vormittags und nachmittags sitzen sie bei Kaffee und Kuchen, um die Mittagszeit auch mal bei einem Salatteller, einer Gulaschsuppe oder dem "bayerischen Burger", den Streicher anbietet. Die meisten von ihnen sind bereits in fortgeschrittenem Alter, schätzen die Ruhe, die sie dort umgibt, und das Flair des klassischen Konditorei-Cafés - mit Spiegeln hinter der Kuchentheke, Blumenvasen auf den Tischen und Zeitungsständern, an denen sich die Gäste bedienen können. Was für die einen vielleicht ein wenig altbacken wirken mag, ist für die anderen ein wohltuender Kontrast zur gängigen Gastronomie, die immer öfter auf ausgefallene Konzepte und moderne, minimalistische Einrichtung setzt. Cafés wie das am Wolfratshauser Rathaus gibt es jedenfalls auch im Oberland immer weniger.

"Es liegt mir sehr am Herzen, dass das hier eine Konditorei bleibt", sagt Rita Streicher. Die würde der Stadt sonst abgehen. Deshalb sei sie auf der Suche nach einem geeigneten Kandidaten, mit zwei Interessenten sei sie bereits im Gespräch. Am liebsten, sagt Streicher, wäre ihr eine fließende Übergabe des Betriebs, bei der ihr Nachfolger nicht nur die Ausstattung ablösen, sondern auch das Personal übernehmen würde - mit den drei Angestellten in der Backstube und den Aushilfen insgesamt immerhin 15 Leute.

Fände sie niemanden, "wären sie alle arbeitslos", sagt Streicher. Sie befürchtet, die Stadt könnte den Mietvertrag auslaufen lassen. Dann müsste sie den Laden ausräumen, was nicht nur einen finanziellen Verlust für sie bedeuten würde. Aufgrund der Auflagen der Gewerbeaufsicht hält sie es für unwahrscheinlich, dass das Café mit Konditorei dann noch in ähnlicher Form erhalten bleibt.

Die Stadt hat erst im vergangenen Jahr 60 000 Euro in einen Lastenaufzug investiert, mit dem der geräumige Keller der Immobilie nun bequem erreicht werden kann. Gerüchte, es gäbe bereits neue Pläne für das Café - etwa, dort eine Cocktailbar einzurichten -, weist Heilinglechner aber von sich. "Wir sind nach allen Seiten offen", sagt der Bürgermeister. Betonen müsse man jedoch die "Super-Lage" des Cafés mitten in der Innenstadt zwischen Loisachufer und Rathausinnenhof. Im Zuge der geplanten Umgestaltung des Westufers wird sie langfristig noch interessanter.

"Eine Konditorei ist schon wichtig für Wolfratshausen", sagt Heilinglechner diplomatisch. "Aber man könnte sie vielleicht kombinieren mit einem Abend-Bistro. Da spricht von meiner Seite nichts dagegen. Im Gegenteil." Schließlich verfüge das Café über einen wunderschönen Innenhof inmitten von Amts- und Geschäftsgebäuden, in denen es keine Nachbarn gebe, die sich wegen der Lautstärke beschweren könnten. "Ein bisschen mehr Leben am Abend", sagt Heilinglechner, "würde der Stadt hier schon guttun."

© SZ vom 12.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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