Radfahrer, Forscher, Isarranger:Mit dem Urzel durch die Stadt

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Fragen, Antworten und Aufgaben: Urzel weist jungen Lesern des Buchs den Weg. (Foto: Aus "Stadtgeschichte von Geretsried für Kinder"/oh)

Geretsried bringt ein Geschichtskinderbuch heraus

Von Benjamin Engel, Geretsried

Urzeln gibt es in der Region nur in Geretsried. Einmal im Jahr sind die lärmenden Gesellen mit Flickenhemd und pelzumrandeter Maske zu erleben - am Faschingsdienstag. Mit ihren Kuhglocken vertreiben die Mitglieder der Urzelzunft symbolisch den Winter. 1986 hat Horst Wagner den Brauch aus seiner Heimatstadt Agnetheln im rumänischen Siebenbürgen in Geretsried eingeführt. Für die älteren Grundschulkinder wird die Figur nun ständiger Begleiter. Im neuen Kinderbuch von Architekturhistorikerin Kaija Voss sowie Kinderbuchautorin und Verlegerin Petra Breuer führt ein Urzel durch Geschichte und Natur der Stadt.

Breuer hatte vor zwei Jahren die Historie ihres Wohnorts im Kinderbuch "Aschheimer Geschichte(n)" nachgezeichnet. Davon erzählte sie Voss. "So ein Buch braucht Geretsried, habe ich damals gesagt", erzählt die Architekturhistorikerin. Mit Breuer suchte sie den Kontakt zur Stadt. Gemeinsam fuhren beide durch Geretsried. Sie gingen an die Isar, sprachen mit dem Isarranger über die Arbeit und die Vegetation am Fluss. Sie beschäftigten sich mit der Kalkherstellung, der Flößerei und der Historie der Stadt. Durch das Buch begleitet die Kinder ein Urzel in fünf Varianten, etwa als Fahrradfahrer, Forscher oder Isarranger. Fragen sind zu beantworten oder Lückentexte auszufüllen. "Ich wollte es spielerisch halten", sagt Breuer. "So lässt sich den Kindern Geschichte am besten vermitteln."

Geretsried ist jung. Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelten sich Flüchtlinge und Heimatvertriebene an. Erst damit wuchs die kleine Ansammlung von Bauernhöfen um die Nikolauskapelle. Erst 1970 wurde Geretsried zur Stadt erhoben. Aus Sicht von Bürgermeister Michael Müller (CSU) kann aber eine Stadt gar nicht jung genug sein, um Geschichte und Geschichten zu schreiben. In den Urzeln spiegle sich, was die Kommune ausmache. Landsmannschaften mit unterschiedlichen Verbreitungsgebieten seien prägend. "Dass Heimatvertriebene auf den Resten von Rüstungswerken eine Stadt gründen, ist etwas Besonderes", sagt Müller. "Das hebt uns ab von anderen Städten." Oft werde vergessen, dass die Kommune eine "Stadt im Grünen" ist. Im Buch gehe es deshalb auch um die Natur. "Die Isarauen sind ein Pfund vor unseren Toren, das wir nicht ausreichend nutzen", sagt er.

Wichtige Wegmarken der Stadtgeschichte sind in dem Kinderbuch angerissen. Das umfasst etwa die Zeit des Nationalsozialismus. Auf dem Gebiet des heutigen Geretsried ließ das Nazi-Regime Rüstungsbetriebe errichten, in denen Zwangsarbeiter schuften mussten. Um die Bevölkerung zu beschwichtigen, wurde von einer "Schokoladenfabrik" im Wolfratshauser Forst gesprochen. Im Stadtmuseum können diese Themen vertieft werde. Daher versteht Anita Zwicknagl vom Kulturamt das Buch auch als Handreichung für Lehrer vor einem Museumsbesuch.

Für die fruchtbare Zusammenarbeit mit den Autorinnen bedankte sich Ilka Dietrich-Neumann vom Geretsrieder Tourismus- und Stadtmarketing. Im vergangenen Herbst und Winter sei mit dem Projekt begonnen worden, berichtete sie. "Jetzt haben wir das fertige Baby."

Das Kinderbuch zur Stadtgeschichte erscheint in einer Auflage von 1000 Stück. Es soll an die Dritt- und Viertklässler der Grundschulen in der Stadt verteilt werden. Für 7,50 Euro ist die Publikation im Rathaus und im Stadtmuseum erhältlich

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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