Open Air in Benediktbeuern:Besser als jede Medizin

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PUR - Zwischen den Welten: Sänger Hartmut Engler beim Konzert im Meierhof des Klosters Benediktbeuern. (Foto: Manfred_Neubauer)

Die Band "Pur" singt im Maierhof von der Liebe - und warnt vor rechten Strömungen.

Von Arnold Zimprich, Benediktbeuern

Ein Storch fliegt nur wenige Meter über den Giebel des Maierhofs, so als wolle er die Lage inspizieren und nachsehen, was sich bei den Menschen da unten so tut. So viel Unruhe herrscht rund um das Benediktbeurer Kloster selten. Security, Polizei, Eingangskontrolle - die Band Pur, die heute mit dem Komiker Klaus Birk und der A-capella-Vorband Füenf im Vorprogramm auftritt, hat hunderte Fans aus der ganzen Umgebung ins Kloster gelockt. Und so reihen sich neben Autos mit Tölzer, Weilheimer und Garmischer Kennzeichen auch Münchner und Salzburger in die langen Fahrzeugreihen ein, für die eigens noch eine Wiesenfläche westlich des eigentlichen Kloster-Parkplatzes abgesteckt wurde.

"Habt ihr es schön hier!", begrüßt Pur-Sänger Hartmut Engler seine Fans, darunter Familien, junge Pärchen und alte Pur-Recken mit Band-T-Shirts. Ganze Pur-Familien geben sich ein Stelldichein, die Band zu mögen, scheint mitunter generationenübergreifend Verpflichtung zu sein.

Gleich zu Beginn gibt es zwei Lieder von der neuen Platte "Zwischen den Welten", dazu rotiert ein gewaltiger Globus auf einer beeindruckend großen Leinwand. Die sieben Bandmitglieder inszenieren sich hochprofessionell, es bleibt wenig Raum zur Interpretation. "Wir haben uns versöhnt, verkracht, so manchen derben Witz belacht, uns gegenseitig Mut gemacht. Ich brauch dich und du mich, oder?" singt der 57-jährige Engler im Titel "Freunde". Viele der Lieder sind Oden, die vom Zusammensein, von Harmonie, vom Glück erzählen.

"Wir sind die dienstälteste Schülerband Deutschlands", sagt Englert, "aber sehen immer noch knackig aus." An Englers Musik mögen sich die Geister scheiden - Schmachtfetzen sagen die einen, deutsche Popmusik in Vollendung die anderen. Doch wie man es auch dreht und wendet, Pur haben eben seit Jahrzehnten Erfolg mit ihrer Musik. Sänger Engler und Gitarrist Jörg "Joe" Crawford feiern ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum und haben in den Jahrzehnten mehr als zehn Millionen Platten verkauft.

"Ich lieb mich in dir fest, oh, wenn du mich nur lässt" singt Engler. Jeder zweite Song handelt von der Liebe. Die Pur-Familie reagiert verzückt, das Tanzbein wird geschwungen, die Fans bewegen sich wie die Fische im Wasser, das Klatschen nimmt kein Ende: "Dieses Geräusch ist das schönste Geräusch", frohlockt Engler.

So darf an diesem Abend auch "Abenteuerland" nicht fehlen, der wohl prominenteste Pur-Song, und "Lena", nicht minder bekannt: "Wenn ich am Boden liege, erzählst du mir, dass ich bald fliege." Die Pur-Texte gehen runter wie Öl, das Publikum wogt im Takt, bei dieser Inszenierung ist es so gut wie unmöglich, in einen Fettnapf zu treten, hier sind Vollprofis am Werk.

Schließlich betritt Engler in einer langen Lederjacke, Spiegelsonnenbrille und Schirmmütze die Bühne, besingt den Hass, der sich in den "Ecken und Winkeln" zu sammeln beginnt, was folgt ist ein Fanal gegen rechte Strömungen in der Gesellschaft - in seiner Deutlichkeit eher ungewöhnlich für Pur, einer Band, die Fans aus allen politischen Gesinnungsrichtungen bedient. Der Schriftzug "Wie fängt es an, wo hört es auf" flackert über die Leinwand, ein Bild Beatrix von Storchs wird mit Protestierenden aus Chemnitz ergänzt. Rockige Töne untermalen die Dringlichkeit des Anliegens, man baut "neue Brücken über Flüsse voller dummer Arroganz" - auch jetzt noch, das Lied ist schon ein Vierteljahrhundert alt. Mit "Ihr Lieben" spricht Engler das Publikum immer wieder an, der Maierhof wird zur Bühne für ein einziges großes Familientreffen.

Pur haben inzwischen eineinhalb Stunden durchgespielt, die Lieder werden nur von kurzen Moderationen unterbrochen, die Band lobt ihre Licht- und Tontechniker, die den Himmel über Benediktbeuern in mal rotes, mal gleißend weißes Licht tauchen - und Engler streut noch ein Lied über seine Mutter ein, die "aus der Heimat verjagt und vertrieben" wurde. "Buben, habt Spaß und genießt das Leben", habe sie ihm und der Band gewünscht - ein Wunsch, der an diesem Abend in Erfüllung geht.

Ganz vorne toben und winken die Fans, singen mit, die Kameramänner auf der Bühne fangen Frauen ein, die ihre Pur-T-Shirts wie Trophäen in die Kamera halten.

"Das heilt viel besser als jede Medizin" heißt es im Song "Funkelperlenaugen" - und auch Pur sind sich ihrer heilenden Wirkung bewusst. Nach einem kraftvollen Konzert entlassen sie glückliche Fans in die kühle Julinacht.

© SZ vom 16.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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