Pumpspeicherwerk:Fragenkatalog zu einem Megaprojekt

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Politiker und Bürger tun sich schwer, das 600 Millionen Euro teure Vorhaben der Energieallianz Bayern auf dem Jochberg einzuordnen. Ein paar Antworten gibt es aber bereits - ein Überblick.

Suse Bucher-Pinell

Natur pur: Einen massiven Eingriff in die Bergwelt befürchten Naturschützer durch den Bau eines Pumpspeicherwerks. (Foto: Manfred Neubauer)

Seit die Pläne der Energieallianz Bayern für den Bau eines Pumpspeicherwerks am Jochberg vor einigen Wochen bekannt geworden sind, beschäftigt das Thema die Bürger im Landkreis und darüber hinaus wie kaum ein anderes. Das Pumpspeicherwerk soll zu Zeiten, in denen Strom aus Windkraft und Fotovoltaik im Überschuss vorhanden und damit preisgünstig ist, Wasser aus dem Walchensee in ein künstlich angelegtes Oberbecken rund 600 Meter höher befördern. Wenn Strom gebraucht wird, treibt das Wasser Turbinen in einem 600 Meter tiefer gelegenen Kavernenkraftwerk im Berginneren an. Dieser Strom kann teurer verkauft werden als derjenige, der fürs Pumpen eingekauft wurde. So lautet die Wirtschaftlichkeitsformel für den Betrieb der Anlage, die voraussichtlich 600 Millionen Euro kosten wird. Naturschützer sind gegen den massiven Eingriff in die Natur. Viele Bürger und Politiker sind noch unentschieden, weil sie das Megaprojekt nicht einordnen können.

Warum ein Pumpspeicherwerk gerade am Ausflugsziel Jochberg ?

Der Vorhabenträger Energieallianz Bayern, ein Zusammenschluss aus 32 zumeist kommunalen Stadtwerken, bezeichnet ihn als Top-Standort mit vergleichsweise wenig Flächenverbrauch: Der Walchensee ist als natürliches Unterbecken vorhanden, nur das Oberbecken muss künstlich angelegt werden. Es soll im Bereich der Jocher-Alm in den Berg gegraben werden, dort besteht bereits eine natürliche Mulde. Zwischen beiden Becken besteht ein Höhenunterschied von fast 600 Metern, was positiv beim Turbinieren ist. Walchensee und Kavernenkraftwerk im Berg liegen nah (knapp zwei Kilometer) beieinander. Das Investitionsvolumen pro Megawatt Leistung bezeichnet die Energieallianz als günstig: 600 Millionen Euro für 700 Megawatt bei sechs Stunden Leistung.

Wurden andere Standorte geprüft?

Die Energieallianz hat alle Seen am Alpenrand in ihre Überlegungen einbezogen. Für alle habe es Ausschlusskriterien gegeben. Beispielsweise liegt der Königssee im Naturschutzgebiet, der Tegernsee ist zu stark besiedelt, der Schliersee zu klein. Im Raumordnungsverfahren werden erneut Alternativstandorte geprüft.

Wie groß wird das neue Oberbecken?

Es hat eine Ausdehnung von rund 20 Hektar, ein Fassungsvermögen von drei Millionen Kubikmeter Wasser, ist mit Asphaltbeton ausgekleidet. Der Wasserspiegel wird beim Pumpen und Turbinieren um bis zu 30 Meter variieren, ganz leer soll das Becken nie sein, ein Rest Wasser soll immer drin bleiben.

Wie sehr fällt das Oberbecken in der Landschaft a uf?

Vom Herzogstand und Punkten, die höher liegen als die Jocher-Alm, ist das Becken zu sehen. Vom Tal aus ist teilweise der 30 Meter hohe Damm zu erkennen.

Ab wann liefert das Kraftwerk Strom?

Frühestens 2023, möglicherweise auch ein, zwei Jahre später. Die Energieallianz rechnet fünf Jahre für die Planung, weitere fünf für den Bau. In einem Jahr sollen die Unterlagen für das Raumordnungsverfahren fertig sein. 2015 werden geologische Detailuntersuchungen durchgeführt, das Planfeststellungsverfahren eingeleitet.

Was ist ein Raumordnungsverfahren?

Im Raumordnungsverfahren wägt die Regierung von Oberbayern ab, ob das Vorhaben überhaupt genehmigungsfähig ist. Ökonomische, ökologische, kulturelle und soziale Aspekte werden einbezogen, Träger öffentlicher Belange gehört. Auch Bürger haben Akteneinsicht und können Einwände vorbringen.

Wird das Pumpspeicherwerk nach Abschluss des Raumordnungsverfahren auf jeden Fall gebaut?

Die Energieallianz will nur bauen, wenn sich das Pumpspeicherwerk wirtschaftlich betreiben lässt. Der Verkaufspreis je Kilowattstunde erzeugten Strom muss demnach mindestens drei Cent über dem Einkaufspreis liegen. Nach Abschluss des Raumordnungsverfahren und der Detailplanungen werden die Bauarbeiten ausgeschrieben und Angebote eingeholt. Erst dann sind genaue Kosten bekannt. Wenn sie 600 Millionen Euro wesentlich überschreiten, wird das Projekt laut Energieallianz scheitern. Im nordhessischen Waldeck liegen Pläne für die Erweiterung eines bestehenden Pumpspeicherwerk fix und fertig in der Schublade. Weil allerdings die Wirtschaftlichkeit derzeit nicht stimmt, wird sie nicht gebaut.

Wie wird das Projekt finanziert?

Ein Drittel der im Raum stehenden 600 Millionen Euro steuern die Gesellschafter der Energieallianz, im wesentlichen Stadtwerke, als Eigenkapitaleinlage bei. Der Rest, rund 400 Millionen Euro, holt sie sich auf dem Kapitalmarkt. Die Energieallianz sucht weitere Investoren unter den kommunalen Stadtwerken. Staatliche Zuschüsse zum Bau werden nicht gezahlt.

Können Kommunen als Besitzer von Stadtwerken zur Kasse gebeten werden, wenn das Projekt scheitert?

Beispiel Bad Tölz: Die Stadt könnte eine Bürgschaft für die Stadtwerke übernehmen, falls eine Bank das für ein Darlehen verlangen würde. Scheitert das Projekt, wäre sie fällig. Eine Bürgschaft bedarf laut Bürgermeister Josef Janker einer Stadtratsentscheidung und wird im Haushalt aufgeführt, ist also öffentlich.

Ist die Max Aicher Unternehmensgruppe Investor oder am Bau beteiligt?

Die Unternehmensgruppe ist Gründungsmitglied der Energieallianz und unterstützt den Bau von Pumpspeicherwerken. Unabhängig von der Energieallianz und ihren Plänen am Jochberg plant sie den Bau eines eigenen Pumpspeicherwerks in den Berchtesgadener Alpen.

Wer wird das Werk bauen?

Nicht die Energieallianz. Sie wird eine Gesellschaft als Träger des Projekts gründen.

Wie stark wird der Wasserspiegel des Walchensees schwanken?

Rund 18 Zentimeter.

Was hat das Pumpspeicherwerk mit dem Walchenseekraftwerk zu tun?

Die beiden sind unabhängig voneinander. Das Walchenseekraftwerk betreibt Eon. Allerdings soll der erzeugte Strom des Pumpspeicherwerks am Jochberg über das Umspannwerk des Walchenseekraftwerks weitertransportiert werden.

Werden dafür neue Hochspannungsleitungen gebaut?

Laut Energieallianz sind sie nicht nötig.

Warum braucht man überhaupt Pumpspeicherwerke?

Sie arbeiten mit einem Wirkungsgrad von 80 Prozent, sind technisch ausgereift und derzeit die einzigen verfügbaren und bewährten Energiespeicher, mit denen eine großtechnische Speicherung wirtschaftlich möglich ist.

Was ist mit anderen Speichermöglichkeiten?

Sowohl Druckluft- als auch Wasserstoffspeicher haben einen geringeren Wirkungsgrad.

Wie stark sind Natur- und Umweltschutz am Jochberg tangiert?

Die Energieallianz Bayern sieht nach ihren Voruntersuchungen keine unüberwindbaren Hindernisse und erwartet keine naturschutzrechtlichen K.O.-Kriterien. Konflikte be stünden beim Bau, Flächenbedarf, Artenschutz und FFH-Gebietsschutz. Ein Kompensationskonzept ist versprochen. Naturschützer sind entsetzt, weil im Bereich der Jocher-Alm einzigartige Flora und Fauna heimisch ist.

© SZ vom 15.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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