Süddeutsche Zeitung

Pumpspeicher-Gegner marschieren nach München:Mistgabeln in der Hand und Wut im Bauch

Etwa 30 Gegner des geplanten Pumpspeicherwerks am Jochberg starten in Kälte und Nebel zur ersten Etappe des Protestmarschs von Kochel nach München. In Benediktbeuern und Penzberg werben sie für ihr Anliegen.

Von Suse Bucher-Pinell

Eisig kalt ist es. Eine dichte Nebeldecke hängt am Morgen über Kochel und dem Loisachtal, sie wird sich den ganzen Tag halten. Eigentlich kein schöner Tag für eine Wanderung durchs Kochelseemoor und weiter über Penzberg bis nach Wolfratshausen.

Ein bloßer Spaziergang soll es ja auch nicht sein, zu dem am Mittwoch etwa 30 Leute kurz nach 8 Uhr aufbrechen. Sie wollen, aufgerufen vom Aktionsbündnis "Noch-Berg - der Jochberg lebt", ihre Ablehnung eines Pumpspeicherwerks am Donnerstag weitertragen bis nach München und beim Schmied-von-Kochel-Denkmal in Sendling vor die Presse treten.

Der Legende nach führte der vor 300 Jahren einen Bauernaufstand gegen die österreichischen Besatzer an, der in Sendling blutig endete. Ganz anders der Protestmarsch, er soll auf friedlichem Weg zur Befreiung von den Plänen zu dem Mammutprojekt beitragen, das die Energieallianz Bayern auf dem Jochberg plant. Ein Baustein der Energiewende sei es, verteidigen es die Befürworter. Eine Katastrophe für Natur und Mensch, kontern die Gegner.

Deren Ablehnung ist vor dem Kocheler Bahnhof in großen Lettern auf Transparenten zu lesen, die sie aber bald wieder zusammenrollen und unter die Arme geklemmt mit auf den Weg nehmen.

Ein bisschen Schmied von Kochel ist dennoch dabei, wenn einige Teilnehmer demonstrativ Mistgabeln, Sensen und Schaufeln schwenken. "Ich hab' so eine Wut im Bauch, die darf man doch auch zeigen", sagt Ingrid Busch-Merz . Sie ärgere sich über die vorgeschobenen Argumente der Energieallianz zur Notwendigkeit des Pumpspeicherwerks und glaube nicht an den verkündeten Planungsstopp. "Ich trau' dem Frieden nicht, das Ganze kam doch nur dank einer Informationslücke an die Öffentlichkeit". Sie habe das Gefühl, es gehe gerade so weiter.

Als Stefan König vom Aktionsbündnis dem Kochler Bürgermeister Thomas Holz (CSU) seine Unterstützung zusichert, den Bau des Pumpspeicherwerks zu verhindern, gibt es Beifall. Die Butterbrezen, die Holz mitgebracht hatte, sind zu dieser Zeit längst verspeist. Den Journalisten überregionaler Medien erklärt er noch einmal, dass es "so, wie es jetzt läuft, mit uns nicht zu machen ist." Würde die Bevölkerung abstimmen, wäre sicherlich eine Mehrheit dagegen, sagt Holz. Stefan König drängt zum Aufbruch, etwa 40 Kilometer Strecke liegen vor ihnen. "Wir wollen nach Wolfratshausen heute, nicht nur bis Ried", mahnt er unterwegs.

Bundestagsabgeordneter Klaus Barthel (SPD) marschiert mit, auch er ist ein Gegner des Jochbergprojekts. Selbst wenn Pumpspeicherwerke energiepolitisch gefordert seien, heiße das noch lange nicht, dass eines auf dem Jochberg sein müsse. Er will neue Technologien fördern statt auf alte zu setzen und präferiert das Verfahren "Power-to-Gas", eine Methode, mit Hilfe von Strom künstliches Erdgas zu erzeugen.

Der Begriff fällt beim Gang über die vereisten Wege an diesem Vormittag häufiger. "Wir müssen zuerst übers Energiesparen reden", greift Schorsch Gruber ein und hält 35 Prozent Einsparung für angemessen. "Danach können wir drüber reden, ob wir ein Pumpspeicherwerk brauchen."

Im Laufe des Tages schrumpft die Gruppe, nur ein Drittel der Teilnehmer kommt gegen 18 Uhr in Wolfratshausen an. In Benediktbeuern übergaben sie am Morgen einen Brief an Bürgermeister Georg Rauchenberger (CSU), kurz danach trafen sie im Zentrum für Umwelt und Kultur (ZUK) Pater Karl Geißinger, dem sie ihre Argumente darlegten und um eine baldige Stellungnahme zum Jochbergprojekt baten.

In Penzberg stießen sie bei Bürgermeister Hans Mummert (SPD) auf Verständnis. Allzu viel Kontakt gibt es unterwegs nicht, die Strecke führt im Nebel durch die Einsamkeit, nur ganz kurz dringt im Moos die Sonne durch. "Die Stimmung ist gut, die Füße schmerzen", meldet Stefan König am Nachmittag. Der Spaß in der Gruppe sei groß, auch wenn sie mittlerweile klein sei. "Wenn es an diesem Donnerstag um 8.15 Uhr vom Wolfratshauser Rathaus aus weiter Richtung Sendling geht, sind wir wieder mehr."

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Quelle:
SZ vom 12.12.2013
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