Prozess im Strafjustizzentrum:"Eine saublöde Idee"

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Wegen eines Raubüberfalls in einem Lenggrieser Spielcasino im Sommer 2019 stehen vier junge Männer vor Gericht. Ihre Beute betrug insgesamt 463 Euro.

Von Andreas Salch, Lenggries/München

Sie hatten sich das alles ganz anders vorgestellt: 10 000 Euro Beute glaubten vier junge Männer bei einem bewaffneten Raubüberfall auf ein Spielcasino in Lenggries machen zu können. Tatsächlich erbeuteten sie gerade einmal 463 Euro bei ihrem vermeintlichen Coup in den frühen Morgenstunden des 14. Juli 2019. Seit Freitag müssen sich die aus Bad Tölz und Lenggries stammenden Männer im Alter zwischen 21 und 28 Jahren nun vor dem Landgericht München II verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen gemeinschaftlichen besonders schweren Raubes erhoben. Zu Beginn des Prozesses im größten Saal des Strafjustizzentrums, in dem auch der NSU-Prozess stattfand, saßen die vier Freunde mit betrübten Mienen auf der Anklagebank. Bei einer Verurteilung droht jedem von ihnen ein Gefängnisstrafe von mindestens fünf Jahren. Alle vier Angeklagte sind geständig.

Es war gegen 2.50 Uhr am Sonntag des 14. Juli vorigen Jahres, als der Elektriker-Azubi Nicola L. ( alle Namen geändert), das Spielcasino betrat. Da L. erst 21 und somit noch Heranwachsender ist, findet der Prozess vor einer Jugendstrafkammer statt. Laut Staatsanwaltschaft war L. als "Späher" vorgesehen worden. Er sollte prüfen, wie viele Personen sich zu der vorgerückten Stunde noch in dem Spielcasino aufhielten. Es war nur ein Mitarbeiter da, sonst niemand. Der Azubi verließ das Spielcasino wieder. Wenige Minuten später kehrte er zurück. Diesmal hatte sich Nicola L. vermummt. Ebenso wie seine mutmaßlichen Komplizen Giuseppe C., Firat C. und Khaled A. O. Der 28-jährige Firat C. hatte sich zudem mit einer Gaspistole bewaffnet, Kahled A. O. mit einer Machete. Damit bedrohten beide den Angestellten und verlangten den Casinoschlüssel. Während Nicola L. das Casino von innen verschloss, setzten die anderen Angeklagten den Angestellten unter Druck. Giuseppe C. forderte von ihm, den Geldwechselautomaten zu öffnen. Darin sollte sich die erhoffte Beute von in Höhe von 10 000 Euro befinden. Der Angestellte beteuerte jedoch, er habe den Schlüssel nicht. Daraufhin gaben Giuseppe C. und die anderen drei auf. Kurz darauf wurde ein Alarm ausgelöst, den der Mitarbeiter des Spielcasinos aber auf Anweisung der Täter sofort wieder abstellte. Um nicht ganz mit leeren Händen dazustehen, verlangten die vier Angeklagten von dem Angestellten, er solle die Kasse öffnen. Darin befanden sich 463 Euro. Anschließend flüchteten die Täter. Eine groß angelegte Fahndung der Polizei verlief zunächst ergebnislos. Knapp drei Wochen nach der Tat wurden drei der jungen Männer vorläufig festgenommen und kamen in Untersuchungshaft. Kahled A. O. ging den Fahndern gegen Ende August 2019 ins Netz.

Nicola L., gegen den der Haftbefehl vorläufig außer Vollzug gesetzt wurde, sagte bei seiner Vernehmung durch den Vorsitzenden Richter Martin Hofmann, die Untersuchungshaft "war für mich ein Albtraum, es war kacke." Die übrigen drei Angeklagten gaben an, in der Zeit vor dem Überfall Drogen konsumiert zu haben. Firat C., der als sich als erster zur Tat äußerte, sagte, er und die anderen Mittäter hätten sich am Nachmittag des 13. Juli 2019 Giuseppe C. getroffen. Es sei darüber gesprochen worden, dass Nicola L. angeblich schon einmal ein Spielcasino überfallen habe. Dann habe man sich darauf verständigt, die Sache in Lenggries "am Abend durchzuziehen". Wie man auf die Idee gekommen sei, wisse er nicht mehr, erklärte Firat C. Richter Martin Hofmann meinte, es sei eine "saublöde Idee" gewesen. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 07.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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