Prozess:Bedroht, erpresst, gedemütigt

Zwei junge Männer aus Wolfratshausen müssen sich vor dem Landgericht München II wegen brutaler Taten verantworten

Von Birgit Lotze

Zwei Jugendliche aus Wolfratshausen, beide seit 3. Dezember ununterbrochen in Untersuchungshaft in der Jugendvollzugsanstalt (JVA) in Stadelheim, stehen seit Dienstag vor dem Landgericht in München. Sie sollen in drei Fällen Gleichaltrige schikaniert und malträtiert haben, sind aber laut den Ermittlungen auch nicht zimperlich gegen Helfer ihrer Opfer vorgegangen.

Nach dem, was die Staatsanwältin in der Anklage sagte, müssen sich die beiden wegen gefährlicher Körperverletzung, schwerer räuberischer Erpressung, erpresserischem Menschenraub, Diebstahl, Waffenbesitz, Nötigung und mehr verantworten - oft mehrfach.

Die Taten sollen die jungen Männer, ein 20- und ein 18-Jähriger, innerhalb von kaum mehr als vier Wochen im November und Dezember 2012 begangen haben. Allen Fällen, so wie sie seitens der Anklage festgehalten wurden, ist gemeinsam, dass die beiden ihre Opfer einschüchterten und quälten, dass sie sie bedrohten, verletzten und um Geld erleichterten.

Der erste Fall ereignete sich am 8. November 2012 in Geretsried. Dort wollten die jungen Männer offenbar etwas mit einem Bekannten "klären". Der Ältere soll den Bekannten gegen eine Hauswand gedrückt und dessen Kopf dagegen geschlagen haben. Das Opfer wurde mit der Faust geschlagen und zu Boden gebracht. Dann ging der Ältere angeblich auf einen Polizeibeamten in Zivil los, der zufällig vorbeikam und fragte, was los sei.

Er ging, so die Anklage, einmal um den Polizisten herum und schlug dann ohne Vorwarnung mit der Faust zu, ins Gesicht. Der Jüngere stand angeblich währenddessen schützend auf der Seite des 20-Jährigen und übernahm auch die Bewachung des Opfers am Boden. Die Anklage geht davon aus, dass beide gemeinsam den Tatplan gefasst haben und auch die blutenden Verletzungen "beabsichtigt, zumindest billigend in Kauf genommen" haben. In späteren Vergehen wechselten sie offenbar die Rollen.

Am ersten Verhandlungstag präsentierten sich die beiden auffällig großen und durch das Krafttraining während der Untersuchungshaft muskulösen Angeklagten ruhig und gefasst. Sie kündigten auch Geständnisbereitschaft an. Am Dienstag ging es allerdings noch nicht um die Tathergänge, sondern um das Vorleben und die Vorlieben der beiden Jugendlichen. Bei ihrer getrennten Befragung kamen einige Übereinstimmungen zutage: Beide hatten zu ihren Vätern nicht viel mehr als Telefonkontakt, sie schilderten ihre alleinerziehenden Mütter als fürsorglich, aber zu schwach, um mit ihnen fertig zu werden. Bei beiden war in der Grundschulzeit ADHS diagnostiziert worden. In der Schule waren sie unkonzentriert, aber nicht immer schwach.

Doch bei beiden schaltete sich das Jugendamt in der Schulzeit ein - meist wegen massiver Fehlzeiten und anderer Auffälligkeiten. "Meine Mutter wollte mich nicht ins Heim stecken, aber ihr wurde gesagt, dass sie ihr das Sorgerecht entziehen, wenn sie das nicht freiwillig macht." Fest stand am Ende des ersten Verhandlungstags: Beide tranken regelmäßig viel Alkohol, exzessiv vor allem in den Wochen vor den drei Taten. Beide kiffen und mögen harte Musik. Bei dem Älteren stellte der Richter in der Befragung eine Affinität zu Gangsta-Rap fest.

Im zweiten Fall, der verhandelt wird, verfolgten die beiden angeblich zwei Jugendliche am Hauptbahnhof und forderten sie auf, ihnen Geld und Handys zu übergeben. "Mach keine Faxen. Schieb mal 'nen Fuffi rüber." Sie schlugen zu, drohten, die beiden "aufzuschlitzen" und zwangen sie, am Geldautomaten Bargeld abzuheben. Auch drohten sie mit Vergewaltigung der Mutter. Im dritten Fall, so die Anklage, stellten sich die beiden einem Fußgänger in der Schillerstraße in den Weg und richteten ein etwa 20 Zentimeter langes Messer auf ihn.

Auch dieser Mann wurde zusammengeschlagen, er musste Geld abheben. Diesmal versuchten die Angeklagten offenbar, das Opfer noch mehr zu demütigen: Sie zwangen ihn, sein Blut, das aufs Klingelschild gespritzt war, abzulecken. Sie drohten, ihn abzustechen, setzten an, ihm ein Hakenkreuz auf die Stirn zu schneiden und drückten ihm mehrmals ein heißes Bügeleisen auf Brust und Bauch. Das Landgericht II setzt die Verhandlung am Donnerstag um 9.15 Uhr im Sitzungssaal B273 fort.

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