Projekt mit Workshops:Prävention gegen Rassismus

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Benjamin Idriz, Imam der Islamischen Gemeinde in Penzberg, spricht in der Berufsschule in Bad Tölz über Islam und Grundgesetz. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Berufsschule Bad Tölz unternimmt einiges, um den Schülern menschliche Werte zu vermitteln

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Es war falscher Alarm. Einmal hatte ein Lehrer der Tölzer Berufsschule im Unterricht einem jungen Flüchtling über die Schulter geschaut, sein Blick fiel zufällig aufs Smartphone. Was er dort sah, ließ ihn vermuten, dass der Schüler dem radikalen Islam anhänge. "Aber das hat sich nicht bewahrheitet, er hatte nur persönliche Probleme von Seiten der Familie", erzählt Schulleiter Josef Bichler. Dennoch ist man an der Berufsschule wachsam, ob einer der asylsuchenden Schüler religiösen Fanatismus oder Antisemitismus erkennen lässt. Dazu startet auch das Kultusministerium ein neues Präventionsprojekt an den Berufsschulen.

Das heißt "ReThink" und ist bundesweit einmalig. In Workshops sollen sich junge Geflüchtete mit den in ihrer Heimat erlernten Einstellungen, also dem eigenen Weltbild kritisch auseinandersetzen. "Das fördert nicht nur ihre Integration in unsere Gesellschaft, sondern stärkt sie gleichzeitig auch gegen Extremismus", meint Sozialministerin Emilia Müller. Dies könne nur gelingen, wenn die Flüchtlinge unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Glauben und ihrer Kultur die Regeln und Werte der deutschen Gesellschaft akzeptierten. Dazu gehört unter anderem die Ablehnung jeglicher Form von Antisemitismus. Das Existenzrecht Isreals sei Teil der deutschen Staatsräson, betont Kultusminister Ludwig Spaenle: "Wir können Antisemitismus, der in arabischen Staaten weit verbreitet ist, nicht dulden."

Das Modellprojekt, das dem "Mansour-Institut für Demokratieförderung und Extremismusprävention MIND GmbH" obliegt, ist an der Berufsschule in Bad Tölz noch nicht angekommen. Das sei manchmal so, dass das Kultusministerium seine Pressemitteilungen mit ein paar Tagen Vorlaufzeit verschicke, meint Schulleiter Bichler. "Aber wenn es kommt, werden wir es gerne aufnehmen." Ohnehin ist "ReThink" laut Minister Spaenle nur eine Ergänzung zu den "intensiven Anstrengungen der Berufsschulen in der Werteerziehung". In Bad Tölz kam zum Beispiel der Penzberger Imam Benjamin Idriz vorigen Sommer an die Berufsschule, um jungen Flüchtlingen aufzuzeigen, dass Islam und Grundgesetz miteinander vereinbar seien. Außerdem sei ein Teil des Unterrichts der Ethik, der Kommunikation und sozialen Themen gewidmet, sagt Bichler. Die Lehrkräfte an der Berufsschule nehmen regelmäßig an Fortbildungen teil, um ein Gespür dafür zu bekommen, ob einer ihrer Schüler beispielsweise für die radikale Gedankenwelt von Salafisten anfällig ist, ob er vielleicht sogar der IS-Ideologie folgt. Sie sollen sensibel sein, wenn ein Flüchtling plötzlich einen eklatanten Leistungsabfall zeigt, oder wenn sie sonst eine Verhaltensänderung beobachten. Im Einzelfall gebe es dann ein Screaming, sagt Bichler. "Man muss dabei mehrgleisig fahren." Die Lehrkräfte tauschen sich untereinander aus, wo eventuell eine Gefahr bei jemandem besteht, diskutieren mit einem Sozialpädagogen, woran ein verändertes Benehmen liegen könnte, ziehen womöglich auch Extremismusberater der Regierung zu Rate.

Einen ernsthaften Vorfall gab es an der Tölzer Berufsschule noch nicht. Die wirklichen Probleme liegen für Bichler woanders: Analphabetentum, starke Schwächen in den Grundrechenarten, bruchstückhaftes Deutsch. Etliche Geflüchtete, die in die fünf Vorklassen oder in die beiden Praxisklassen im zweiten Jahr gehen, hätten "große Defizite". Das treffe zwar kaum auf Syrer zu, aber auf junge Leute aus Somalia, Eritrea oder Afghanistan. "Da hapert's." Bichler führt als Beispiel zwei Eritreer auf, die sehr arbeitswillig, aber nicht imstande seien, eine einfache Rechnung auszuführen. "Fakt ist, es dauert einfach", sagt der Schulleiter.

© SZ vom 24.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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