Prävention im Unterricht:Das Internet vergisst nicht

Prävention im Unterricht: Mit dem Stück "I like you" versucht die Theatergruppe Eukitea altersgerecht zu demonstrieren, wie sich ein vermeintlich harmloser Streich im Internet verselbstständigen kann.

Mit dem Stück "I like you" versucht die Theatergruppe Eukitea altersgerecht zu demonstrieren, wie sich ein vermeintlich harmloser Streich im Internet verselbstständigen kann.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Ein Theaterprojekt sensibilisiert Jugendliche an der Realschule Geretsried für den Umgang mit sozialen Medien. Der Eukitea-Workshop bringt einen typischen Fall von Cybermobbing auf die Bühne

Von Sophia Ulrich, Geretsried

Es ist wie so oft: Die beiden Teenager Samira und Luke sind erst Freunde, dann verlieben sie sich ineinander. Als nach wenigen Monaten die Beziehung zerbricht, wird es allerdings hässlich. Aus Rache verschickt Samira ein intimes Foto von Luke an ihren Freundeskreis. Darum herum entsteht letztlich sogar eine ganze Webseite mit dem herabwürdigenden Namen "Little Luke". Ein klassischer Fall von Cybermobbing.

Es ist ein modernes Phänomen, aber das Thema Cybermobbing steht mittlerweile standardmäßig auf dem Lehrplan. An der Realschule in Geretsried befasst man sich schon länger damit, normalerweise in der sechsten Klasse. Da der Termin vergangenes Schuljahr aber coronabedingt nicht stattfinden konnte, war das Präventionsprojekt Eukitea vergangene Woche bei den Siebtklässlern zu Gast.

Eukitea ist eine gemeinnützige Gesellschaft mit einem Theaterhaus in Diedorf im Landkreis Augsburg und einem Projektbüro in Berlin. Die Gruppe verarbeitet kritische Themen, wie zum Beispiel Gewalt, Sucht oder den Klimawandel, altersgerecht in ihren Stücken. Das Ziel ist es, Jugendliche dazu zu motivieren, sich mit Zeitfragen auseinanderzusetzen.

Für die jungen Leute der Realschule Geretsried wurde zum Cybermobbing-Thema das Stück "I like you" gewählt. Die Schauspieler Homa Faghiri und Ludwig Drengk sind dafür sogar aus Berlin angereist, um zusammen mit ihrem Kollegen Michael Gleich aus Diedorf aufzuklären. Durch einen ständigen Wechsel in dem Stück zwischen realer und virtueller Welt, tauchen die Schüler in das Leben der zwei Jugendlichen Samira und Luke ein. Die beiden gehen gemeinsam zur Schule, und eines Tages wird aus ihrer Freundschaft Liebe. Da Luke aber nach einigen Monaten feststellt, dass er doch lieber nur befreundet sein möchte, macht er auf dem Pausenhof mit seiner Freundin Schluss. Diese verschickt in ihrer Verletztheit daraufhin eben das Foto. Das Bild verbreitet sich schnell unter den Jugendlichen. Eine Webseite entsteht - und nach nur drei Tagen hat die Seite schon 844 Likes - so viele Leute kennt Luke nicht einmal.

Auch in der Schule spürt Luke die Konsequenzen: Seine Mitschüler ignorieren ihn auf dem Pausenhof und machen sich teilweise sogar über das Foto lustig. Luke kann der Situation nicht entkommen. Wenn er sein Handy anschaltet, wird er mit Kommentaren und Reaktionen auf das Foto konfrontiert - klassisches Cybermobbing. Als die Situation eskaliert, merkt Samira, dass es falsch war, das Foto ohne Lukes Erlaubnis zu verbreiten. Obwohl sie das Bild löscht, ist die Dynamik nicht mehr aufzuhalten. Das Internet vergisst eben nicht. Zwar versöhnen sich die Jugendlichen am Ende, klar bleibt jedoch: Der Vorfall hat bei allen Beteiligten Spuren hinterlassen.

Florian Geißler, der Schulpsychologe der Realschule Geretsried, kann das nur bestätigen: "Solche Sachen lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Wir müssen dann schauen, wie man damit umgeht", sagt er. Genau deshalb ist es ihm wichtig, durch Präventionsprojekte bei den Schülern ein Bewusstsein für ihr Handeln zu schaffen und auch Grenzen aufzuzeigen.

An der Realschule Geretsried gibt es laut Geißler jedes Jahr mindestens einen Fall von Cybermobbing. Das sei aber nicht ungewöhnlich, weiß Geißler durch den Austausch mit anderen Schulpsychologen. Oft gehe es dabei, wie beim Theaterstück "I like you" um Bilder, die sich über soziale Medien verbreiten. Das passiere zum Beispiel in höheren Klassen, wenn Beziehungen endeten, berichtet Geißler. Je nach Situation sucht der Schulpsychologe dann ein Gespräch mit den Eltern. "In massiven Fällen müssen wir auch die Polizei einschalten", sagt Geißler, "zum Beispiel wenn auch Leute außerhalb der Schule beteiligt sind." Genau das passiert aber äußerst schnell, wenn sich Inhalte über das Netz verbreiten.

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