Porträt:Dem Wachstum Grenzen setzen

Porträt: "Ich bin kein extrovertierter Mensch", sagt Markus Gampl über sich selbst. Seine Kandidatur versteht er als "Dienst an der Allgemeinheit"

"Ich bin kein extrovertierter Mensch", sagt Markus Gampl über sich selbst. Seine Kandidatur versteht er als "Dienst an der Allgemeinheit"

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Landtags-Direktkandidaten für den Stimmkreis Bad Tölz-Wolfratshausen-Garmisch: Der gebürtige Münsinger Markus Gampl (ÖDP) tritt dafür ein, maßzuhalten.

Von Benjamin Engel

Der gebürtige Münsinger Markus Gampl stammt aus einer politisch engagierten Familie. Sein Großvater war der erste Bürgermeister im Ort nach dem Zweiten Weltkrieg. Trotzdem konnte sich der 48-Jährige lange kaum vorstellen, für ein politisches Amt zu kandidieren. "Ich bin kein extrovertierter Mensch", beschreibt er sich selbst. Als seine beiden Söhne - heute 18 und 16 Jahre alt - klein waren, habe er sich, obwohl politisch interessiert, ganz auf die Familie konzentrieren wollen. Als sich vor drei Jahren ein Kreisverband der ÖDP gründete, trat Gampl der Gruppierung bei. Ein logischer Schritt, wie er findet. Er wähle die Partei schon seit 25 Jahren. "Jetzt mache ich Dienst an der Allgemeinheit", erklärt er.

Was er mit der ÖDP teile, sei die weltweite Perspektive, sagt Gampl. Es reiche nicht, sich auf die Lokalpolitik zu konzentrieren. "Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen." Probleme wie der Klimawandel, die Migration oder der Flächenfraß beträfen die gesamte Menschheit. Gegen das zentrale Wachstumsparadigma, insbesondere der Wirtschaft, wehrt sich Gampl. Den Einfluss der Lobbyisten gelte es zurückzudrängen. Dafür brauche es als ersten Schritt ein Lobbyregister. "Nur dann können wieder ehrliche Gesetze gemacht werden."

In der Landwirtschaft muss die Menschheit aus Sicht von Gampl umsteuern. Die auf Massenproduktion orientierte Arbeitsweise zerstöre die Lebensgrundlagen auf dem Planeten. Künftig dürften nur noch kleinteilige und ökologische Landwirtschaften existieren. Davon könnten auch die Bauern außerhalb der Industrieländer profitieren. Warum das Herbizid Glyphosat in der europäischen Union immer noch nicht verboten ist, verstehe er nicht, sagt Gampl.

Er selbst hat jedenfalls Konsequenzen gezogen. Seit einigen Jahren ernährt er sich ausschließlich biologisch, verzichtet weitgehend auf Fleisch. "Ich lebe zu 85 Prozent vegetarisch", erklärt er. Zur erforderlichen Agrarwende seien alle Verbraucher gefordert. "Wir müssen bereit sein, für Lebensmittel mehr zu bezahlen", sagt Gampl. Das funktioniere, ohne insgesamt mehr auszugeben. Seit er sich rein ökologisch ernähre, kaufe er bewusster ein und schmeiße viel weniger weg als früher. Die ÖDP habe zum Naturschutz das Volksbegehren "Rettet die Bienen" gestartet. Ebenso hätten Bildungseinrichtungen die Aufgabe, in viel größerem Maße zu vermitteln.

Die ÖDP beschreibt Gampl als Familienpartei - und erklärt seine Auffassung einer angemessenen Erziehung: Die ersten drei bis fünf Jahre seien für die Entwicklung der Kinder entscheidend. Am besten sei es in dieser Zeit, wenn sie in der Familie zuhause betreut würden. "Ein Kind gehört zur Mutter", sagt Gampl. Das bedeute aber nicht, dass jeder gezwungen werde, sich so zu verhalten. Betreuungsangebote wie Kindertageseinrichtungen oder Ganztagesschulen müsse es geben. Nur müsse die Politik den Kindern alle Wahlmöglichkeiten eröffnen.

Vom Glück, in einer intakten Familie aufgewachsen zu sein, spricht Gampl. Die Großeltern hätten bei ihm in der Nähe gewohnt. "Ich war viel bei der Oma", schildert er. "Solche Strukturen fehlen uns heute." Beruflich war Gampl zunächst in der Druckweiterverarbeitung tätig. Inzwischen ist er technischer Angestellter für Maschinen- und Anlagenbau. Engagiert hat er sich für den Waldkindergarten "Waldameisen" im Münsinger Ortsteil Ammerland, zudem war er Jugendtrainer beim örtlichen Sportverein.

Die "falsche Gier nach Wachstum" ist für Gampl zentrales Thema. Die Menschen müssten aufhören, immer mehr zu konsumieren und das Alte gleich wegzuwerfen. "Wir werden nicht umhinkommen, Produkte besser zu recyceln und Stoffe wiederzuverwerten", sagt er. Die Politik müsse mit Hilfe von Steuermitteln Anreize setzen, um die Menschen zum Umdenken zu bewegen. Wer die Klimaziele erreichen wolle, müsse auch darüber nachdenken, die Fluggastzahlen zu reduzieren. Kerosin sei zu besteuern. Die verursachten Umweltschäden müssten in die Flugkosten miteingerechnet werden. Mobilitätsmodelle wie Car-Sharing oder Mitfahrzentralen gelte es zu fördern, den öffentliche Personennahverkehr massiv auszubauen.

Davor, das Wachstum in einer Boomregion wie München weiter anzuheizen, warnt Gampl. "Den Siedlungsdruck und die Preisspirale für Wohnraum werden wir selbst durch massives Bauen nicht lösen können", sagt er. Die Wohnungsnot sei ein Verteilungsproblem. Günstiger Wohnraum fehle. Für Geringverdiener brauche es den ein oder anderen Neubau mit bezahlbaren Wohnungen. Andererseits erlebe er direkt in der Nachbarschaft öfter, dass alte Menschen ganz alleine in riesigen Häusern lebten. Es könnten etwa viel mehr Dachböden ausgebaut werden. Das scheitere aber an gesetzlichen Vorgaben. Inhaber von reinen Feriendomizilen müssten für das Allgemeinwohl finanziell stärker herangezogen werden.

Letztendlich hat sich die ökologisch-demokratische Partei, wie die ÖDP heißt, von den Grünen einst abgespalten. Auch Gampl grenzt sich klar von diesen ab. Die Grünen hätten Grundüberzeugen wie ihr pazifistisch-soziales Profil aufgegeben, sagt er. Außerdem glaube die Parteiführung, dass der technische Fortschritt eine Trendwende etwa in der Ökologie bringen werde. Das sei aber falsch. Das Potenzial für die ÖDP ist aus Gampls Sicht weitaus größer als die jüngst bei Landtagswahlen erreichten zwei Prozent. Oberstes Ziel seien jetzt sechs Prozent. Für eine werteorientierte, ökologische Politik liege das Wählerpotenzial aber bei mehr als 20 Prozent.

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