Süddeutsche Zeitung

Pop-up-Store:Geschäftsideen am Amortplatz

Junge Kreative können neue Produkte einen Monat lang im ehemaligen Trachtenladen Kirner in Bad Tölz verkaufen und das Interesse der Kunden testen. Wie es mit dem Gebäude weitergeht, ist noch ungewiss.

Von Klaus Schieder

Alles ist längst verschwunden. Die Kleiderständer, die Regale bis unter die Decke, die alte Kasse, die vielen Fotos mit Prominenten wie Schauspielerin Ingrid Steeger oder TV-Moderatorin Petra Schürmann. Dazu die Dirndl, die Lederhosen, die Jacken und die Schuhe, die am Ende kaum noch ein Kunde haben wollte. Seit Rita Braun, Inhaberin des einst renommierten Trachtengeschäfts Kirner in Bad Tölz, im August vorigen Jahres mit 87 Jahren starb, liegt das dreistöckige Haus am Amortplatz mit durchgetretenen Parkettböden, Elektrokabeln und leeren Schaufenstern im Dornröschenschlaf. Nun soll für einen Monat wieder Leben ins Erdgeschoss einkehren: Die Münchnerin Doren Meima-Schmid von "startups and more" will dort jungen Unternehmern den Raum geben, ihre Ideen und Produkte zu verkaufen. Eröffnung ist am Mittwoch, 13. Juni, um 18 Uhr.

Mode oder Lichtdesign, Badesalze oder Porträtmalerei, Papierdecken oder Speiseeis: Junge Leute entwickeln manchmal ein Produkt, wissen jedoch nicht, ob es bei den Kunden überhaupt ankommt. Und einen Laden können sie sich nicht leisten. Für sie sind solche "Pop ups" gedacht. Sie geben Kreativschaffenden kurz die Chance, ihre Geschäftsidee zu testen. Sie ploppen damit gewissermaßen in der Öffentlichkeit auf. Solche Auftritte hat Meima-Schmid vergangenes Jahr schon in leer stehenden Läden in Miesbach und in Geretsried organisiert. "Das lief gut, für alle hat es sich gelohnt mitzumachen", resümiert sie. In Bad Tölz kooperiert sie dabei mit der Stadt, dem Wirtschaftsforum Oberland und der Metropolregion München.

Als Bäckermeister war Andreas Wiedemann noch ein Einzelhändler vom alten Schlag. "Mit Pop up konnte ich wenig anfangen, ich musste im Internet nachschauen", räumt der Zweite Bürgermeister am Dienstag bei Vorstellung des ersten Pop-up-Store in Tölz ein. Dies sei aber eine Chance, mit wenig Aufwand in den Handel einzusteigen. Junge Leute, die sich selbständig machen wollen, könnten ihre Verkaufsmodelle ausprobieren, die Bevölkerung werde neugierig gemacht - "wie in so einem Schlussverkauf".

"Es ist auch für die Stadt gut, wenn da keine leeren Schaufenster sind"

Die Konditionen sind einfach: Meima-Schmid plant mit etwa zehn Teilnehmern, die auf 168 Quadratmetern Verkaufsfläche ihre Produkte feilbieten können - in jeweils einem eigenen Eck, das sie selber gestalten müssen. Sie zahlen dafür 100 Euro und müssen an einem Tag für den Verkauf des gesamten Sortiments da sein. Der Store soll donnerstags, freitags und samstags, jeweils von 10 bis 18 Uhr, geöffnet sein. Bei Bedarf lassen sich diese Zeiten auch ausdehnen. "Ich würde es begrüßen, wenn es auch Sozialprojekte gäbe, zum Beispiel etwas mit Flüchtlingen oder von einer Behindertenwerkstatt", sagt Meima-Schmid. Sie sucht noch jemanden, der die Beleuchtung in dem ehemaligen Trachtengeschäft verbessert, und benötigt Mobiliar wie etwa Tische. Einen Verkäufer gibt es bereits: Der Tölzer Mühlfeldbräu will an einem Abend seine Biersorten ausschenken.

Für Andreas Ross fördern solche Aktionen zutage, was an unternehmerischem Potenzial im Landkreis liegt. Kreative Köpfe könnten sich oft keinen eigenen Laden leisten und als einzelne Personen auch die Öffnungszeiten "gar nicht darstellen", sagt der Vorsitzende des Wirtschaftsforums Oberland. Für Pop-up-Stores eigneten sich Immobilien, die übergangsweise nicht genutzt werden. "Es ist auch für die Stadt gut, wenn da keine leeren Schaufenster sind." Damit hat Bad Tölz im Zentrum kaum Probleme, anders als andere Kommunen. Gottlob habe man sich schwergetan, in Tölz eine passende Immobilie für den einmonatigen Verkauf zu finden, meint Citymanager Falko Wiesenhütter. "Es ist gut, dass nichts leer steht." Die Aktion biete Jungunternehmern neben dem Absatz ihrer Waren auch die Möglichkeit zu "einer Art Marktforschung", findet er.

Wie es mit dem denkmalgeschützten Gebäude am Amortplatz weitergeht, ist ungewiss. Nach dem Tod von Rita Braun hätten sich ein paar Interessenten gemeldet, etwas Konkretes habe sich daraus aber nicht ergeben, sagt Eigentümer Georg Schmidt. Ihm schwebt wieder ein Geschäft im Parterre vor. Im ersten Stock mit seinen niedrigen Decken soll es künftig Büroräume geben. Aus den übrigen Zimmern im Haus will er Wohnungen machen, allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt, wie er mitteilt. Für Veränderungen und Sanierungen hat er nach eigenen Angaben schon eine Genehmigung von der Denkmalschutzbehörde erhalten. Mit der Renovierung will er allerdings warten, "bis feststeht, wer reinkommt". Von der Pop-up-Aktion erhofft er sich mehr Aufmerksamkeit für sein Gebäude, das fast 50 Jahre lang das Trachtengeschäft Kirner beherbergt hat. Und seine Inhaberin Rita Braun, die am Ende verloren zwischen Dirndlblusen und Dokumenten an der Kasse saß.

Interessenten können sich unter Telefon 0160-112 98 42, E-Mail: info@startupsandmore.de, online unter www.startupsandmore.de melden.

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SZ vom 16.05.2018/aip
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