Politik in Bad Tölz-Wolfratshausen:„Die Chance, sich durchzusetzen, war nie größer“

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Werbeartikel der Jusos sprechen bei jungen Leuten angesagte Themen an. Ob das für die Mitgliedergewinnung reicht, ist fraglich. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Jugendorganisationen der Parteien brauchen Nachwuchs, auch im Landkreis. Die Vorsitzenden werben um Mitglieder und wünschen sich mehr Engagement bei den Gleichaltrigen.

Von Tim Jost, Bad Tölz-Wolfratshausen

Junge Menschen in bedeutenden politischen Ämter zu sehen, ist auch heutzutage noch immer eine Seltenheit. Im bayerischen Landtag sind gerade einmal sechs von insgesamt 203 Abgeordneten jünger als 30 Jahre, was einem Anteil von ungefähr drei Prozent entspricht. Diese Altersgruppe ist also im bayerischen Parlament eindeutig unterrepräsentiert. Trotzdem gibt es einige junge Menschen, die sich politisch engagieren, gerade in der Kommunalpolitik. Wie schafft man es also, die Jugend zu ehrenamtlichem Engagement zu bewegen? Für die Vorsitzenden der regionalen parteipolitischen Jugendverbände gehört diese Frage zu den größten Herausforderungen ihrer Arbeit.

Im Landkreis sind momentan fünf verschiedene Kreisverbände der Jugendorganisationen politischer Parteien aktiv: die Junge Union (JU) Bad Tölz-Wolfratshausen, die Jungsozialistinnen und -sozialisten (Jusos) Oberland für die SPD, die Grüne Jugend Bad Tölz-Wolfratshausen (GJ), die Jungen Freien Wähler Oberland (JFW) und die Jungen Liberalen Oberland (Julis). Sie sind dafür zuständig, Inhalte und Forderungen der jungen Menschen in die jeweilige Mutterpartei einzubringen und damit dem Nachwuchs eine politische Bühne zu bieten. Die Größe der Gruppierungen unterscheidet sich allerdings stark. Während die neu gegründeten Jusos nur sechs Mitglieder haben, kommt die JU im Landkreis auf stolze 120 Aktive. Die Grüne Jugend zählt zehn, die Jungen Freien Wähler etwa 25 und die Julis circa 30 politisch engagierte junge Menschen.

Fünf Parteien, fünf junge Gesichter

Raffael Joos ist seit der Gründung der Jusos Oberland im Januar 2024 Vorsitzender des Verbands. Der 31-Jährige ist nach eigenen Angaben schon seit seiner Jugend politisch interessiert. Während seines Studiums entschied er sich, selbst politisch aktiv zu werden. Der „Kampf gegen Rechts“ sei sein zentrales Anliegen, sagt Joos. Bei der Bundestagswahl 2025 kandidiert er für die SPD im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen.

Marius Schlosser ist Sprecher der Grünen Jugend Bad Tölz-Wolfratshausen. Der 28-Jährige kam durch die Klimabewegung „Fridays for Future“ zur Jugendorganisation der Grünen. Er möchte vor allem den Klimaschutz in der Region voranbringen, da er diese Thematik als entscheidend für die Zukunft der kommenden Generationen sieht.

Marius Schlosser vertritt die Grüne Jugend Bad Tölz-Wolfratshausen. (Foto: Janine Hague/oh)

Den Vorsitz der Jungen Freien Wähler Oberland hat Felix Leipold. Der 25-Jährige ist nebenbei auch als persönlicher Referent für den Landtagsabgeordneten Florian Streibl tätig. Der Radioredakteur sitzt für seine Partei im Geretsrieder Stadtrat und möchte die Region auf kommunaler Ebene voranbringen. Er wolle, dass die politischen Entscheidungen und Prozesse für junge Menschen transparenter werden, sagt Leipold.

Felix Leipold ist auch Jugendreferent der Stadt Geretsried. (Foto: Hartmut Pöstges)

Josef Rohrmoser war bis 2021 Kreisvorsitzender der Jungen Union Bad Tölz-Wolfratshausen, danach ist er zum Bezirksvorsitzenden der JU Oberbayern aufgestiegen. Zudem sitzt er auch für die CSU im Bad Heilbrunner Gemeinderat. Er wolle jungen Menschen und Familien die Möglichkeit geben, sich das Leben in der Region besser leisten zu können, sagt der 27-Jährige.

Josef Rohrmoser, Bezirksvorsitzender der JU Oberbayern. (Foto: JU Oberbeyern/oh)

Ein 22-Jähriger aus Bichl sitzt sogar im Bundesvorstand der Julis: Simon Roloff, gleichzeitig Kreisvorsitzender der FPD Bad Tölz-Wolfratshausen, möchte durch seine Ämter die Zukunft der jungen Generation gestalten, wie er sagt. Er engagiert sich neben seiner bundesweiten Funktion auch im Oberland und organisiert mit der FPD regelmäßig Veranstaltungen, bei denen sich die Mitglieder der Julis einbringen können.

Simon Roloff ist Mitglied im Bundesvorstand der Julis und Kreisvorsitzender der FDP in Bad Tölz-Wolfratshausen. (Foto: Tobias Weiskopf/oh)

Das Interesse junger Menschen an politischer Parteiarbeit ist überschaubar

Doch wie schwer ist es wirklich, heutzutage junge Menschen für die politische Mitarbeit in einer Partei zu begeistern? Felix Leipold von den Jungen Freien Wählern berichtet, dass es schon in seinem Heimatort Geretsried nicht einfach sei, Kandidaten für den dort ansässigen Jugendrat zu finden. Obwohl der nur aus 15 Jugendlichen bestehe, sei es „echt hart, junge Menschen zu finden, die politische Verantwortung übernehmen“, sagt Leipold. Auch der Juso-Vorsitzende Raffael Joos hat den Eindruck, dass sich junge Menschen nicht mehr ausprägt für Parteipolitik interessieren. Stattdessen beteiligten sie sich eher an Bürgerinitiativen oder politischen Bewegungen zu bestimmten Themen, sagt er.

Die Ursache dafür sieht Marius Schlosser von der Grünen Jugend in einer sich verändernden politischen Umwelt. „Es ist für alle Parteien schwierig, Leute in diese Parteistrukturen zu etablieren, da die Parteibindung nachlässt und es andere Möglichkeiten gibt, sich einzubringen“, erklärt er. Nur Josef Rohrmoser, Bezirksvorsitzender der Jungen Union, sieht neuerdings wieder einen Aufschwung: Immer mehr Leute verstünden, „dass es was bringt, wenn man sich politisch engagiert und etwas einbringt“, sagt er.

„Ohne soziale Medien geht in der politischen Kommunikation gar nichts mehr“

Im bayerischen Landtag seien die Menschen unter 30 jedoch „katastrophal schlecht“ repräsentiert, sagt auch Rohrmoser. Dass es deshalb mehr junge Leute braucht, die bereit sind, politische Verantwortung zu übernehmen und sich in die Parteien wagen, stellt er mit allen anderen Repräsentanten der lokalen Jugendorganisationen deutlich klar. Die Geschehnisse auf den politischen Kanälen müssten besser an die junge Bevölkerungsgruppe vermittelt werden, sagt Leipold. Ihnen müssten vor allem die Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, „sonst kommt zu wenig Interesse auf“.

Ein möglicher Weg, Jugendliche besser über die Inhalte der Parteien zu informieren, ist Social Media. „Es ist richtig, dass sich heutzutage gerade junge Menschen über das Internet politisieren“, sagt Joos von den Jusos. Und der Jungliberale Roloff ergänzt: „Ohne soziale Medien und Internet geht in der modernen politischen Kommunikation gar nichts mehr.“ In den sozialen Medien sei aber vor allem die AfD besonders aktiv, stellt der Grüne Schlosser fest. Das sei mit ein Grund für deren Erfolg bei jungen Menschen bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen gewesen. Schlosser sagt, dass seine Partei stärker im Internet präsent sein müsse, dabei aber nicht die Präsenz in der realen Welt vernachlässigen dürfe: „Es braucht beides: den Austausch im echten Leben und auch gleichzeitig die Präsenz auf Social Media.“

„Gerade bei kommunalen Themen ist man oft sehr dankbar für junge Perspektiven“

Damit die für junge Menschen relevanten Themen auch in den Parteiprogrammen auftauchen, braucht es die Kooperation und Diskussion zwischen Jugendorganisation und Mutterpartei. Dazu organisieren die verschiedenen Gruppierungen Veranstaltungen, um sich auszutauschen. „Gerade, wenn es um kommunale Themen geht, ist man sich oft einig und auch sehr dankbar für junge Perspektiven“, sagt Simon Roloff, der nicht nur Kreisvorsitzender der FDP ist, sondern auch im Bundesvorstand der Julis. Bei den Grünen und der SPD sind die Jugendorganisationen traditionell weiter links ausgerichtet als die Mutterparteien. Das kann zu Konflikten führen, weiß Joos. „Es kann passieren, dass es manchmal Differenzen gibt, und darüber wird dann auf jeden Fall auch gesprochen.“

Die Nachwuchspolitiker halten es für notwendig, dass ihre Altersgruppe in Kreis- und Stadträten, im Landtag oder in anderen Positionen mit politischer Verantwortung besser vertreten sein sollte: „Wir brauchen mehr junge Leute und vor allem mehr junge Frauen in politischen Ämtern“, sagt Roloff. „Die politische Interessenvertretung sollte alle Bevölkerungsschichten möglichst gut repräsentieren“, erklärt Rohrmoser. Dass diese Notwendigkeit längst auch „oben“ in den Parteien angekommen ist, bestätigt Leipold: „Wir sind aktuell an einem Punkt, an dem die ganzen politischen Parteien eigentlich dankbar sind für jeden jungen Menschen, der kommt.“ Mit parteipolitischem Engagement könne man Einfluss auf die eigene Zukunft nehmen, sagt Joos und appelliert an die Jugend, nicht vor Älteren zurückzuschrecken: „Ich glaube, die Chance, sich durchzusetzen, war nie größer als heute.“

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