Politik:In voller Besetzung trotz Pandemie

Der Tölzer Stadtrat lehnt eine Verkleinerung des Gremiums auf 15 Mitglieder in Corona-Zeiten einstimmig ab

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Der Sitzungssaal im Tölzer Rathaus ist modern, aber nicht so geräumig, dass sich die coronabedingten Abstandsregeln ohne Probleme einhalten ließen. Schon gar nicht dann, wenn der Stadtrat in Vollbesetzung tagt, zusätzliche Tische für Mandatsträger in der Mitte des Raumes stehen, bis zu zehn Zuhörer, etliche Verwaltungsmitarbeiter und drei Pressevertreter ebenfalls da sind. Fast 40 Personen drängten sich am Dienstagabend im Saal, als es um die Frage ging, ob der Stadtrat künftig wegen der hohen Infektionsgefahr nicht besser in reduzierter Form tagen sollte. Das Ergebnis: Alles bleibt wie gehabt. Die Stadträte lehnten eine Verkleinerung des Plenums einstimmig ab.

Als Teil der staatlichen Exekutive fallen Ratssitzungen nicht unter die Vorschriften der Bayerischen Infektionsschutzverordnung. Dennoch empfahl das bayerische Innenministerium in einem Schreiben vom Dezember, wegen der Gefahr von Ansteckungen mit dem Coronavirus besser in kleinerer Runde zu tagen. Falko Wiesenhütter, Geschäftsleiter des Tölzer Rathauses, verwies auf das Modell, den Stadtrat während der Pandemie auf 15 Mitglieder zu reduzieren. Dazu sei "kein fester Rechtsrahmen nötig", sagte er. "Das wird vom Innenministerium ausdrücklich als Option genannt." Die Besetzung sähe dann so aus: Die Tölzer CSU hätte sechs Sitze, die Grünen und die Freie Wähler-Gemeinschaft (FWG) jeweils vier, die SPD einen. Damit wäre die Runde nach den Regularien der Gemeindeordnung gerade noch beschlussfähig. Der Stadtrat behielte damit "die volle Handlungsfähigkeit", sagte Wiesenhütter.

Dies ist bei zwei anderen Varianten nicht der Fall. Erlaubt wäre auch, dass der Stadtrat seine Entscheidungsbefugnisse weitgehend an die einzelnen Ausschüsse abgibt, die nur jeweils 13 Mitglieder haben. Dazu wäre nur ein Grundsatzbeschluss nötig. Allerdings gibt es Wiesenhütter zufolge zwei Nachteile: Die Ausschüsse in Bad Tölz dürften ohnehin schon relativ viel in eigener Regie entscheiden, vor allem aber sei eine vollständige Übertragung der Befugnisse nicht möglich. Für den Beschluss über den Haushalt oder den Erlass von Satzungen und Verordnungen müsse zum Beispiel das Plenum zusammentreten.

Die zweite Variante wäre, einen Ferienausschuss anstelle des Stadtrats einzusetzen. Abgesehen davon, dass der Bayerische Landtag dafür erst noch den rechtlichen Rahmen abstecken muss, hätte dies nach Angaben von Falko Wiesenhütter auch den Nachteil, dass der Ausschuss lediglich in einem Zeitraum von bis zu sechs Wochen im Jahr eingesetzt werden darf. Wie lange die Corona-Pandemie noch andauert, kann allerdings niemand vorhersagen.

Hinzu kommt noch, dass das Delegationsverbot und das Reklamationsrecht in diesem Fall außer Kraft gesetzt wären - der Stadtrat könnte Beschlüsse also nicht nachprüfen.

Bei alledem gilt, dass Mandatsträger in der Pandemie als entschuldigt gelten, wenn sie ihre Abwesenheit mit der Sorge vor einer Ansteckung begründen. Die Tölzer Stadträte votierten indes ohne große Debatte dafür, auch künftig in voller Besetzung zusammenzukommen. Dabei sollen die einzelnen Mitglieder jedoch ihre Redebeiträge so kurz wie möglich halten, Richtwert sind 90 Sekunden. "Das kann nur eine erste Lösung sein", befand Johanna Pfund (Grüne). Die Stadträtin trat für eine Resolution ein, die das Innenministerium auffordert, "zu überlegen, ob man in der Pandemie nur mit persönlicher Präsenz oder auch mit virtueller Präsenz tagen kann".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: