Politik in Bad Tölz:"Eine beachtliche Leistung für die Demokratie"

Tölzer SPD 100 Jahre im Stadtrat

Feiern 100 Jahre Geschichte (o.,v.l.): Michael Ernst, Jürgen Renner, Willi Streicher, Josef Förster; (u., v.l.) Camilla Plöckl, Georg Eberl und Christa Harrer.

(Foto: privat/oh)

Seit 100 Jahren sind im Tölzer Stadtrat SPD-Mitglieder vertreten. In den zehn Dekaden erlebten die Genossen nicht nur schöne Zeiten. Die Ideale der Partei sind hingegen heute so aktuell wie je

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Die Sozialdemokraten haben in Bad Tölz schon einmal bessere Tage gesehen. Derzeit stellen sie lediglich drei Mandatsträger im Stadtrat, so wenige wie selten zuvor in ihrer Geschichte in der Kurstadt. Und die ist lang. Als einzige Partei ist die SPD seit 100 Jahren in dem Gremium vertreten, was die Mitglieder des Ortsvereins vor Kurzem gebührend feierten. "Wenn man die jeweiligen Zeiten betrachtet in diesem Jahrhundert, ist das eine beachtliche Leistung für die Demokratie, die hier vor Ort erbracht wurde", erklärt Fraktionssprecher Willi Streicher. Und er fügt mahnend hinzu: "Es gab wahrlich nicht nur schöne Zeiten."

Der erste Tölzer Stadtrat wurde am 15. Juni 1919 gewählt. In der Ära der Monarchie hatte es zuvor einen Stadtmagistrat und ein Gemeindekollegium gegeben. Die SPD bestand in der Kurstadt damals bereits seit zwölf Jahren, gegründet wurde sie 1907 als Sozialdemokratischer Verein Tölz. Im Stadtrat saßen in der Zeit der Weimarer Republik insgesamt 17 Mitglieder, für die Sozialdemokraten gehörten der Wäschereibesitzer Georg Beyerle, der Zimmermann Dominikus Niggl, der Gürtler Georg Großthanner und vor allem der Dekorationsmaler Michael Deschermeier dazu, der für seinen späteren Widerstand gegen die Nazis erst im Sommer vorigen Jahres gewürdigt wurde: Nach ihm ist jetzt der Fußweg von der Isarbrücke hinab zum Isarkai benannt. Deschermeier und Niggl wurden wiedergewählt, ihre Amtszeit fand 1933 aber ein jähes Ende. Beide verzichteten wegen des bevorstehenden Verbots der SPD auf ihre Ämter. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Deschermeier noch kurz Zweiter Bürgermeister von Tölz, eingesetzt von den alliierten Besatzungsmächten. Er starb allerdings im November 1945.

Als 1946 ein neuer Stadtrat gewählt wurde, errang die SPD mit ihrem gerade neu gegründeten Ortsverein vier von 20 Sitzen. Die Mandate übten der Maurer Georg Huber, der Monteur Thomas Reichart, der Kontorist Hans Steiner und der Elektromeister Hans Winkler aus. Zwei Jahre später fanden schon die nächsten Kommunwahlen statt. Für die Genossen kamen dabei auch Georg Streicher, der Zweiter Bürgermeister bis 1952 war, und der Fahrlehrer Ernst Thissen in den Stadtrat. Thissen saß dort insgesamt 38 Jahre lang, vier Jahre lang war er im Übrigen auch stellvertretender Landrat.

Nur einer brachte es auf eine noch längere Dienstzeit im Stadtrat: Georg Eberl. Der Hotelier und ehemalige Kapitän der Deutsche-Meister-Mannschaft des EC Bad Tölz, war 42 Jahre lang Stadtrat. Er sei "der älteste heute noch lebende Ex-SPD-Stadtrat", so Streicher. Eberl erlebte auch die glorreichen Zeiten der SPD in Tölz mit. Die hatte die Partei in den Siebzigerjahren: Von 1972 bis 1978 stellten die Genossen nicht weniger als acht Mandatsträger. Davon können sie momentan nur träumen. Franz Fritzmeier, der 2005 starb, brachte es auf 33 Jahre als Stadtrat.

Die Frauenquote war auch bei den Sozialdemokraten alles andere als berauschend. Die Sekretärin Gusti Fischer wurde zwar bereits 1956 gewählt, allerdings folgten ihr im Laufe der Jahre nur zwei Frauen. Christa Harrer kam 1972 in das Gremium und hätte es 1984 fast zur Bürgermeisterin geschafft, Camilla Plöckl wird bei den Kommunalwahlen in diesem Jahr ausscheiden. Der geringe Anteil an Frauen sei "wahrlich kein Grund zu Freude", meint Streicher. Und dies umso weniger, als in der SPD "schon früh die Zeichen der Gleichberechtigung im Programm verankert waren".

Auch wenn das Thema Klimawandel die politische Debatte vor allem unter jungen Menschen dominiere, seien die Ideale der SPD noch immer aktuell, meint Streicher. Dazu gehörten Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Mindestlohn und Gleichstellung. Dies müssten auch künftig "Bausteine einer Demokratie" sein, erklärt der Fraktionssprecher.

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