Metropolregion München„Wir brauchen komplett neue Wege“

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Wie kann der ländliche Raum besser an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden werden? Dieser Frage soll im Rahmen der Internationalen Bauausstellung nachgegangen werden.
Wie kann der ländliche Raum besser an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden werden? Dieser Frage soll im Rahmen der Internationalen Bauausstellung nachgegangen werden. (Foto: Manfred Neubauer)

Vorsitzender Josef Niedermaier wirbt für einen Beitritt des Planungsverbands Region Oberland zur „Internationalen Bauausstellung“, die Kommunen für die Zukunft fit machen will. In der ersten Phase geht es um „Räume für Mobilität“. Doch die Mitglieder fordern mehr Informationen vor einer Entscheidung.

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Im ersten Moment klingt der Name, als bekäme die Messe „Heim & Handwerk“ in München Konkurrenz. Doch hinter der Internationalen Bauausstellung, kurz: IBA, steckt viel mehr: Sie soll der Metropolregion München neue Impulse geben, wie künftig Mobilität zwischen Eichstätt, Garmisch-Partenkirchen, Kaufbeuren und Altötting gedacht werden kann und vor allem aussehen soll. In diesem Prozess möchte der Planungsverband Region Oberland als eigenständiger Akteur mitmischen. Jüngst warb Vorsitzender Josef Niedermaier, zugleich Landrat im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen, für einen Beitritt zur IBA-Gesellschaft. Doch die Vertreter der vier Mitgliedslandkreise spielten nicht mit. Sie fordern vor einer Entscheidung aussagekräftige Informationen darüber, welchen Mehrwert eine Beteiligung mit sich bringe.

Die IBA ist nach eigener Definition ein „Format, um Städte und Regionen Richtung Zukunft zu entwickeln“. In der Metropolregion München ist eines der drängendsten Themen der zunehmende Verkehr. Staus, lange Wege zur Arbeit, schlechte Anbindungen an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wie auch an die Bahn – all das erleichtert den Alltag in einer boomenden Wachstumsregion nicht. Bis 2034 wollen die Teilnehmenden an Lösungen arbeiten. Bislang sind die Landeshauptstadt München, die Städte Augsburg und Ingolstadt, die Landkreise München und Freising sowie der Verein Europäische Metropolregion München Gesellschafter der IBA Metropolregion München GmbH, die im November 2023 gegründet wurde.

Auf der Homepage ist zu lesen, dass die IBA die regionalen Kräfte bündle und sie darin unterstütze, „die Transformation gemeinsam mit innovativen und visionären Projekten umzusetzen. Dabei werden Räume neu gestaltet und entwickelt, soziotechnische Innovationen eingeführt und ausprobiert“. In einer ersten Phase werden Ideen und Impulse für Projekte zum Thema „Räume der Mobilität“ gesucht. Mehr als 120 Vorschläge und Ideen sind bislang eingegangen. In zehn Jahren sollen die Ergebnisse in einer großen Ausstellung einer internationalen Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Zum ersten Mal befasst sich die IBA mit dem Thema „Mobilität“. Verbandsvorsitzender Josef Niedermaier ist überzeugt, dass nur gemeinsam mit der Landeshauptstadt München die Probleme in puncto Verkehr zu lösen seien. Er warb mit Oliver Weigel, Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung Metropolregion München, für einen Beitritt der Region 17 als Gesellschafterin. Mit diesem Schritt hätte ein Vertreter, wohl Niedermaier selbst, einen Sitz im Aufsichtsrat.

Verbandsvorsitzender Josef Niedermaier, Landrat im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen, erhofft sich Vorteile von einer Beteiligung an der Internationalen Bauausstellung in München.
Verbandsvorsitzender Josef Niedermaier, Landrat im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen, erhofft sich Vorteile von einer Beteiligung an der Internationalen Bauausstellung in München. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Weigel hatte eine Präsentation zu den Zielen der IBA mitgebracht. Doch Worte wie „Road Diet“, „Seamless Mobility“, „Gender Shift“ oder „Quick Wins“ stießen bei den Vertretern aus den Landkreisen Garmisch-Partenkirchen, Weilheim-Schongau, Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach auf wenig Gegenliebe. Mit Gendersternchen und englischen Pseudofachbegriffen könne man die Bürgerinnen und Bürger nicht von einer Teilnahme an der IBA überzeugen, meldete sich Markus Bader, Bürgermeister der Gemeinde Rottenbuch, zu Wort. Er zitierte in Anlehnung an den österreichischen Philosophen Ludwig Wittgenstein: „Alles, was sich sagen lässt, lässt sich klar sagen.“

Schnell kam die Frage auf, wo der Mehrwert liege bei einer Teilnahme, da es doch schon etliche Gremien gebe, die sich mit Mobilität beschäftigen würden. Iffeldorfs Bürgermeister Hans Lang schilderte die Probleme seiner Gemeinde im „Speckgürtel Penzbergs“. Vor drei Jahren habe man geplant, einen „ÖPNV on demand“ zu installieren, was an den Finanzen scheiterte. Weil unter der Woche sich der Verkehr zwischen Iffeldorf und Penzberg – zwischen beiden Kommunen liegt die Anschlussstelle zur A 95 – regelmäßig staut, war vorgesehen, die Radwege zu verbessern. Wieder scheiterte dies am Geld.

Die IBA sieht sich als Netzwerker

Gerade Finanzierungsmöglichkeiten zu finden, sei die Aufgabe der IBA, antwortete Niedermaier. „Wir brauchen komplett neue Wege“, betonte er und verwies auf den technischen Fortschritt, den es in den nächsten zehn Jahren geben werde. Die Chance auf „neue Wege“ könne das IBA-Projekt eröffnen, „wenn wir alleine ansonsten nicht mal einen Radweg zwischen Bad Heilbrunn und Penzberg zustande bringen“. Die Landkreise, Städte und Gemeinden stünden vor schwierigen Haushaltsberatungen, meinte indes Mittenwalds Bürgermeister Enrico Corongiu. Daher gelte es Prioritäten zu setzen, auch wenn die Kosten bei einer Beteiligung an der IBA-Gesellschaft für die vier Landkreise nicht hoch seien. Würde der Planungsverband Region Oberland beitreten, kämen auf jeden Kreis etwa zwischen 30 000 und 40 000 Euro zu. Sollte die IBA für die Region 17 jedoch 20 bis 30 Millionen Fördermittel auftun, dann sei er dabei, erklärte Peter Ostenrieder (Peiting). „Ansonsten ist das verbranntes Geld“, das die Landkreise investieren würden. Groß war die Befürchtung, dass eh nur München und der engste Ballungsraum mit prestigeträchtigen Vorhaben zum Zug kommen werden.

Rückfragen gab es zudem, ob die beiden IBA-Vertreter Beispiele nennen könnten, die zum Thema „Mobilität sucht Räume“ bereits eingereicht wurden. Julianna Günther von der Geschäftsführung wusste zu berichten, dass es sogar Projekte aus der Region gebe. Welche konkret, konnte sie allerdings nicht beantworten. Das trug nicht zur Akzeptanz bei.

Selbst wenn das Meinungsbild pro IBA ausgefallen wäre, hätte die Versammlung nicht über einen Beitritt abstimmen können. Dazu ist eine Satzungsänderung nötig, wofür es einer Zweidrittel-Mehrheit bedurft hätte. Da jedoch nur 60 Mitglieder statt der erforderlichen 65 anwesend waren, konnte diese Änderung nicht beschlossen werden. Zunächst plädierte Niedermaier dafür, dennoch ein Stimmungsbild einzuholen. Als ihm allerdings so starker Widerstand entgegenschlug, wollte er doch keine Abstimmung, damit nichts Negatives im Protokoll stünde. Was wiederum den Tölzer Bürgermeister Ingo Mehner erzürnte. Niedermaier könne doch nicht nach Gusto abstimmen lassen, sagte er. Die Bürgermeister baten Niedermaier letztlich, die Vorteile der IBA samt konkreter Beispiele in den Dienstbesprechungen in den vier Landkreisen darzustellen.

Rund um den Bahnhof in Freising soll ein neues Quartier entstehen. Dafür hat sich die Stadt bei der IBA beworben.
Rund um den Bahnhof in Freising soll ein neues Quartier entstehen. Dafür hat sich die Stadt bei der IBA beworben. (Foto: Marco Einfeldt)

Ein konkretes Vorhaben hat etwa die Stadt Freising eingereicht. Sie hofft, das „Zukunftsquartier Bahnhofsareal“ bis zum Jahr 2034 mit Unterstützung der IBA realisieren zu können. Entstehen soll ein innovatives Stadtquartier mit hoher Nutzungsmischung, Near-home-Office, Kultur, Spiel und Sport, einer starken Einbindung des Landschaftsraums Isar und mit kurzen Wegen, sodass alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar ist.

Die IBA fand unter anderem in Stuttgart („Zeugnis neuen Bauens“/Weißenhofsiedlung), Hamburg („Sprung über die Elbe“), Basel („Grenzen überschreiten“) oder Wien („Wie wohnen wir morgen?“) statt. Es ist nicht nur Kommunen vorbehalten, Projekte einzureichen, beteiligen können sich auch Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft. Ebenso können Privatpersonen sich mit zum Thema passenden Projekten bewerben.

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