Süddeutsche Zeitung

Erneuerbare Energien:Keine Solarpflicht in Wolfratshausen

Die Stadträte lehnen verbindliche Vorschriften bei Neubauten ab. Die Regularien aus dem Bürgerantrag erscheinen ihnen zu detailliert und rechtlich unsicher.

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Die Preise für fossile Energie explodieren, das Gas wird knapp - da scheint es geboten, erneuerbare Energieträger rasch auszubauen und möglichst viele Dächer mit Solarzellen auszustatten. Eine Pflicht, Photovoltaikanlagen bei Neubauten zu installieren, wird es in Wolfratshausen aber nicht geben. Dagegen hat sich zumindest der Bau- und Umweltausschuss des Stadtrats mit großer Mehrheit ausgesprochen. Am Mittwoch hat das Gremium über einen Bürgerantrag von Thomas Martin zur solaren Baupflicht beraten. Diesen fanden die Stadtratsmitglieder zwar grundsätzlich wegweisend, er erschien ihnen jedoch zu detailliert und rechtsunsicher. Nur Umweltreferent Hans Schmidt (Grüne) stimmte dafür.

Bei der Bürgerversammlung im Juli hatte sich eine Mehrheit für die Forderung des Diplomingenieurs und Mitglieds der Bürgerstiftung "Energiewende Oberland" zur Solarpflicht ausgesprochen. Daher musste sich der Bauausschuss nun damit beschäftigen. "In Bayern gibt es noch keine gesetzliche Pflichtplanung", sagte Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW). Zwar sei es wichtig, dass mehr Häuser energieautark würden. "Eine Pflicht hat aber etwas extrem Bindendes." Besser sei es, die Bürger davon zu überzeugen, von sich aus zu handeln. Auch Richard Kugler (Wolfratshauser Liste) hielt es für zu gewagt, sollte Wolfratshausen als einzige Kommune eine Ausbaupflicht einführen. Laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung solle ohnehin vorgeschrieben werden, jede neue Heizung mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien zu betreiben, sagte er.

Laut dem Bürgerantrag sollte etwa festgelegt werden, dass Anlagen jährlich mindestens 3000 Kilowattstunden elektrische Energie pro 100 Quadratmeter überbauter Grundfläche liefern müssten. Aus Sicht der Stadt ist es auch rechtlich umstritten, ob festgesetzt werden kann, konkrete Anlagentechnik wie Photovoltaik zu fordern. Dem Bauherrn müsse selbst überlassen werden, auf welche Art erneuerbarer Energie er setze.

"Solare Baupflicht ist ganz wichtig", betonte hingegen Fritz Schnaller (SPD). Nur auf freiwilliger Basis würden sich nicht alle Bürger überzeugen lassen. Er wisse aber nicht, ob alle Forderungen aus dem Bürgerversammlungsantrag in Bayern rechtlich möglich seien, sagte Schnaller. So frage er sich, ob es wirklich Aufgabe der Stadt sei, bei örtlichen Kreditinstituten um mögliche Kredite zu Sonderkonditionen für Anlagen anzufragen. Daher sollte Wolfratshausen besser eine landesweite Regelung abwarten, um dann wieder einzusteigen. "Ich hoffe der Freistaat wird bald tätig", so Schnaller.

Das ist auch aus Sicht von Josef Praller dringend erforderlich. "Bayerisches Baurecht muss in ganz Bayern gelten", sagt der Fraktionssprecher der Bürgervereinigung. "Sonst gibt es Ungerechtigkeiten." Etwa wenn die eine Kommune eine Solar-Pflicht vorschreibe und die andere nicht. Auch könne sich nicht jeder eine solche Anlage leisten. Ähnlich argumentierte Renate Tilke (CSU): "Ich denke, der Bürger kann nicht in die Zange genommen werden, wenn es keine rechtliche Regelung im ganzen Freistaat gibt."

Es wäre doch schön, wenn Wolfratshausen Vorreiter werde, fand hingegen Hans Schmidt (Grüne). Die Kommune habe 2016 einen Energienutzungsplan verabschiedet und 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Trotzdem sei Wolfratshausen beim Ausbau erneuerbarer Energien Schlusslicht im Landkreis. "Wir müssen etwas machen." Doch selbst Grünen-Parteikollege Rudi Seibt stimmte gegen die Solarpflicht, deren Regularien ihm zu detailreich waren. "Es ist schwierig nicht zuzustimmen", sagte er, "aber schwieriger zuzustimmen."

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