Penzberger Problem-Biber:Fleißiger Baumeister

Biber sitzt im Gras

Ein Biber im Gras.

(Foto: dpa)

Die Stadt hat ein Problem. In den vergangenen Jahren haben Biber einen Sachschaden in Höhe von 100 000 Euro angerichtet.

Von Alexandra Vecchiato

Schäden durch den Biber

Schäden durch den Biber.

(Foto: Bauamt Penzberg / oh)

Der Biber hat etwas von einem Landschaftsarchitekten, der nicht nur Bäume fällt, sondern auch Dämme in Fluss- und Bachbetten baut, auf dass Teiche und kleine Seen entstehen. Nicht alles, was er mit seinen scharfen Zähnen und seinem unermüdlichen Arbeitseinsatz modelliert, findet der Mensch schön. Ursula und Siegfried Brunner sind auf den Gesellen nicht gut zu sprechen. Rund um ihr Haus am Breunetsrieder Weg baut der Biber seine Burgen und Dämme - und richtet nebenbei erheblichen Sachschaden an. Eine Lösung muss her. Dem widerspricht selbst der ehrenamtliche Biberberater Walter Heußler nicht. Er plädiert für die Entnahme des Bibers aus der Natur. Doch so einfach ist das nicht, da der Biber nicht unter das Jagdrecht fällt.

Der Europäische Biber ist das größte Nagetier des Kontinents, er kann einschließlich seines Schwanzes, der Kelle, bis zu 1,30 Meter lang und 30 Kilo schwer werden. An den Hinterfüßen hat er Schwimmhäute, die Kelle dient als Steuer- und Antriebsruder, und das Fell ist mit 23 000 Haare pro Quadratzentimeter so dicht, dass ihm Wasser und Kälte nichts anhaben.

1867 kam das Aus für den Biber in Bayern. Jahrhundertelang war ihm nachgestellt worden wegen seines warmen weichen Fells, wegen seines Drüsensekretes, dem Bibergeil, das der Mensch für ein Wunderheilmittel hielt. Und nicht zuletzt wegen seines Fleisches, das auch in der Fastenzeit verspeist werden durfte.

1966 folgte das Comeback für den niedlichen Riesennager. Er wurde an der Donau ausgesetzt. Seitdem vermehrt er sich im Freistaat. Schätzungsweise 23 000 bis 25 000 Biber lebten in Bayern, so Heußler. Eine stabile Population, betont der Jäger, die weiter anwachsen werde. Da bleibe es nicht aus, dass es zu Konflikten mit dem Menschen komme.

Penzberger Problem-Biber: Biberschäden bei der Familie Brunner in Penzberg. Es mussten kostenintensive Aufräumungs- und Aufgrabungsmaßnahmen durchgeführt werden, um das nahestehende Einfamilienhaus vor Überflutung und somit vor weiteren Schäden zu schützen. Siegfried Brunner (im Bild) und Ursula Brunner sind die Hände gebunden.

Biberschäden bei der Familie Brunner in Penzberg. Es mussten kostenintensive Aufräumungs- und Aufgrabungsmaßnahmen durchgeführt werden, um das nahestehende Einfamilienhaus vor Überflutung und somit vor weiteren Schäden zu schützen. Siegfried Brunner (im Bild) und Ursula Brunner sind die Hände gebunden.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Biber an sich ist für die Natur ein Glücksfall. Wo immer er lebt und anpackt, nimmt die Artenvielfalt sprunghaft zu. Heußler weiß zu berichten, dass sich nach Ansiedlung eines Bibers auch seltene Tiere wie der Eisvogel wieder blicken ließen. Voll Respekt spricht er von dem Nager, der alles andere als doof sei. "Der Biber ist ein fantastisches Tier", würdigt der Experte den Biber. Doch es gebe aus seiner Sicht Grenzen. Rote Linien müssten gezogen werden, wenn Biber anfingen, in Siedlungsgebiete einzudringen und dort massive Schäden anzurichten. Heußler wählt seine Worte mit Bedacht. Er weiß, dass dies ein sensibles Thema ist. Naturschützer kämpfen um jedes einzelne Tier. "Es gibt Leute, die tragen den Biber mit einem Heiligenschein vor sich her." Unbenommen sei seiner Ansicht nach, dass der Nager im Loisach-Kochelseemoor beim Kloster Benediktbeuern gut aufgehoben sei und viel Gutes für die Natur bewirke. In der Stadt Penzberg sehe das anders aus.

Das Problem ist, dass der possierliche Dammbauer mit Knopfaugen keine natürlichen Feinde hat. Nur ein anderer Biber kann etwa bei Revierkämpfen einen Artgenossen derart verletzten, dass dieser verendet. Hat der Biber ein Revier gefunden, ist er standorttreu. Zwei bis vier Junge bringt das Biber-Weibchen zur Welt. Sind sie alt genug, werden sie vertrieben - und begeben sich auf die Suche nach einem eigenen Revier. So besetzten die Tiere auch kleine Bäche wie den Säubach oder den Schwadergraben in Penzberg. Gewässer dritter Ordnung, heißen sie im Fachjargon. Johann Eßel vom städtischen Tiefbauamt hat Fotos zum Ortstermin mitgebracht. Der Biber leistet im Stadtgebiet ganze Arbeit. Vier Dämme hat er in der Nähe des Viertels An der Freiheit gebaut, was den Hochwasserschutz gefährdet. Mit der Schneeschmelze käme es dort schnell zu Problemen, so Eßel. Beim Friedhof ist der Biber ebenso tätig, wie in der Nähe des Wellenbads.

Das Grundstück des Ehepaars Brunner ist das Paradies für einen Biber. Zum Lachen finden das die Betroffenen nicht. Siegfried Brunner berichtet von den Schäden. Plötzlich sei der Kanal verstopft gewesen. Lange habe man nach der Ursache gesucht. Auf dem Grundstück musste aufgegraben werden. Letztlich stellte sich heraus, dass der Biber Äste und Zweige in die Rohre geschleppt hatte, denn sein Ziel ist es, dass sich das Wasser auf dem Gelände staut. Da das Haus der Brunners eh "im Grundwasser" stehe, bedrohe jeder Zentimeter das Heim der Penzberger. Im vergangenen Jahr hatte Siegfried Brunner bereits die Wiese und Weide hinterm Wohnhaus wieder angelegt. Etwa 70 Kubikmeter Humus habe er mühsam mit dem Schubkarren transportiert. Der Biber hatte vom Bach aus seine Burg unterirdisch in Richtung Terrasse gegraben und diese unterhöhlt. "Alles war kaputt. Sobald der Schnee weg ist, muss ich nochmals von vorne anfangen", sagt Brunner. Da die Stadt für die Gewässer dritter Ordnung zuständig ist wie auch für den Kanal, hat sie die Kosten übernommen. Der Auftrag sei für 12 000 Euro rausgegangen, sagt Eßel. An der Freiheit habe das Beheben der Schäden 8000 Euro gekostet. Im gesamten Stadtgebiet haben Biber Kosten in Höhe von etwa 100 000 Euro verursacht. Die Brunners rechnen damit, dass sie auf bis zu 8000 Euro sitzenbleiben werden.

Nochmals betont Heußler, dass der Biber an sich kein Schädling sei. Dennoch spreche er sich dafür aus, dass man den Mut haben müsse, das Tier, wo es Schaden verursacht, zu entnehmen. Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen seien in den vergangenen Jahren 41 Biber erlegt worden. Dieses "Erlegen" sei allerdings kein leichtes Unterfangen. Die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt müsse diesen Schritt anordnen. Dann müsse ein Jäger gefunden werden, der bereit sei, den Biber zu schießen. Dieser Jäger könne nur derjenige sein, der das Revier, in diesem Fall Penzberg-Mitte, gepachtet hat. Der dürfe aber nicht so ohne Weiteres in diesem Stadtgebiet schießen, da es sich um einen sogenannten befriedeten Bezirk handle.

Möglich wäre auch der Einsatz einer Lebendfalle, allerdings mit sehr hohem Aufwand. Denn die Falle muss nach dem Tierschutzgesetz alle sechs Stunden kontrolliert werden. Der Erfolg der Mission - egal, ob der Tod des Bibers am Ende steht oder das Tier lebendig umgesiedelt werden kann - ist fragwürdig. Ist ein Biber weg, freut sich der nächste. "Man kann davon ausgehen, dass in einem dreiviertel Jahr das Revier wieder besetzt sein wird", sagt Heußler. "Das ist Pest gegen Cholera."

Was mit dem Biber nun geschieht, der am Breunetsrieder Weg sein Paradies gefunden hat, ist offen. Eine Entscheidung des Landratsamts in Weilheim steht aus. "Bitte machen Sie Druck bei der Landrätin", bittet Heußler Bürgermeisterin Elke Zehetner, die sogleich verspricht: "Das mach' ich."

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