„Elementar-Zeichnungen“ nennt Andreas Kloker seine eigenwilligen Bilder. Der 1948 geborene Künstler lebt in Schondorf und hat sich seit 25 Jahren auf eine Technik spezialisiert, die mit den Elementen Erde, Wasser, Feuer, Luft, aber auch mit dem Faktor Zeit arbeitet. Am Samstag, 26. April, zeigt er im Penzberger Museum das Video „Vergehen“ und die Performance „Nacht“, in der er die Ereignisse der Penzberger Mordnacht vom 28. April 1945 aufgreift.
SZ: Herr Kloker, vergehen Vergehen irgendwann?
Andreas Kloker: Um dieses Wortspiel dreht sich eine meiner Elementar-Zeichnungen. Dort kann man sehen, wie schwierig das mit dem Vergehen ist. Ich schreibe das Nomen Vergehen und das Verb vergehen mit Kreide, wische beides mit einem feuchten Lappen wieder aus, doch aus der langsam trocknenden Tafel taucht ein Hakenkreuz auf, immer wieder, egal, wie oft man es auswischt und überschreibt. Es schlummert im Untergrund. Es ist wie mit einer Glut, sie lebt weiter in der Asche, man kann sie immer wieder entfachen.
Ein beunruhigendes Schauspiel.
Ja, und wie es aussieht, werden wir uns mit ihm noch eine Weile befassen müssen. Ich denke, in jedem Menschen ist irgendwo eine Bestie verborgen. Jeder muss schauen, dass er sie im Zaum hält. Viele tun das aber nicht.
Was verstehen Sie unter einer Elementar-Zeichnung?
Das Wort ist entstanden, als ich eine Ausstellung besuchte, in der es um die vier griechischen Elemente ging. Es gab Bilder von Wasser, Feuer, Luft und Erde - furchtbarer Kitsch. Ich dachte mir: Was ich in meiner Kunst mache, beruht auch auf den vier Elementen. Aber ich bilde sie nicht ab, sondern arbeite mit ihnen, lasse sie wirken. Ich male auf eine Schiefertafel mit Wasser, und durch Wärme und Luft verändern sich die Bilder und vergehen. Aus dem Vergehen entwickelt sich Neues. Und am Ende entsteht eine Stille.
Es geht Ihnen in Ihrer Kunst also weniger um ein Resultat als um den Prozess?
Mir geht es schon um ein Resultat, aber das entsteht während des Prozesses. Ich arbeite wie ein Musiker. Zu einer Idee versuche ich Bilder zu finden und male sie mit Wasser auf die Tafel. Natürlich kann ich nicht nur einen Strich ziehen und die Leute zehn Minuten zuschauen lassen, wie er langsam verschwindet. Da würde jeder unruhig werden. Manches muss schnell vergehen, anderes länger stehen bleiben. Je nachdem verwende ich einen nassen Schwamm oder einen fast trockenen Lappen, manchmal auch nur die Hände. Über die Jahre habe ich einige Werkzeuge entdeckt, die mir dienlich sind, meine Bilder zu komponieren. Etwa einen Besen aus Wüstensträuchern - der macht tolle Strukturen.
Welche Bilder verbinden Sie mit der Penzberger Mordnacht?
Es ist schwierig, für solch ein Ereignis ein passendes Bild zu finden. Was kann man machen, das nicht peinlich ist? Das habe ich mich auch vor einer Kunstaktion in der KZ-Gedenkstätte Dachau gefragt. Für Dachau habe ich eine Form gefunden, die ich nun auch in Penzberg anwenden werde. Ich male Porträts der Ermordeten mit Wasser auf die Tafel, und dann wische ich sie ab, lösche sie gleichsam aus. Die Tafel trocknet - und das Gesicht kommt wieder. Ich wische es wieder weg, zweimal, dreimal, aber es kommt wieder. Das ist für mich das Bild: Wir können einen Menschen nicht einfach auslöschen. Die Geschichte ist lebendig. Wir erinnern uns bis heute an die 16 Menschen, die in jener Nacht in Penzberg erschossen und erhängt wurden. Sie sind noch da.
Vergehen und Vergessen sind für Sie also ganz verschiedene Dinge?
Ja, das ist etwas ganz anderes. Wobei ja auch das Vergessen unterschiedliche Bedeutungen hat. Ich kann etwas vergessen im Sinne von Verdrängen. Aber ich kann auch etwas vergessen und vergeben. Verzeihen, das ist das Menschlichste, was wir machen können.
Kunstaktion mit Andreas Kloker am Samstag, 26. April, im Museum Penzberg, Beginn 16 Uhr, Eintritt frei